Immer mehr Menschen machen mit: 

Dieser Ausweis kann Leben retten

Organspende: Zuständigkeits­probleme könnten Onlineregister verzögern

Mittwoch, 8. September 2021

Berlin – Ab März kommenden Jahres soll es in Deutschland ein Onlineregister geben, in das die Men­schen ihre Bereitschaft für oder gegen eine Organspende eintragen lassen können sollen. Ob das Re­gister allerdings bis zum März kommen wird, scheint nicht sicher, wie eine Antwort des Bundesministe­riums für Gesundheit auf eine schriftliche Frage der FDP-Abgeordneten Kathrin Helling-Plahr zeigt.

In dem Schreiben, das dem Deutschen Ärzteblatt vorliegt, heißt es vom Ministerium zwar, man gehe wie auch das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) davon aus, dass das Register „seinen Wirkbetrieb am 1. März 2022 aufnehmen können wird“.

Allerdings weist BMG-Staatssekretärin Sabine Weiss auch auf eine Reihe von Problemen hin, die derzeit die Arbeit am Register behindern. So hätten sich die Länder bisher „nicht auf eine Zuständigkeit für die Anbindung der Ausweisstellen an das Register einigen“ können, schreibt sie. Das BMG habe daher den Vorsitzenden der Gesundheitsministerkonferen (GMK) gebeten, auf eine Einigung der Länderzustän­dig­keiten „hinzuwirken“.

Nach Auffassung des Bundes hat der Bund nicht die Zuständigkeit für die Umsetzung der Frage, wie „Bür­gerinnen und Bürger ab 1. März 2022 ihre Erklärung zur Organspende in den genannten Stellen abgeben können“. Bei den Ländern ist demnach umstritten, ob die Zuständigkeiten der Pass- und Meldeämter in den Bereich der Innenressorts oder der Gesundheitsressorts fallen.

Wie weit das Register technisch bisher umgesetzt ist, schreibt das BMG nicht direkt. Dazu heißt es ledig­lich, die Initialisierung des Netzanschlusses an die Telematikinfrastruktur (TI) mit einem aAdG-NetG-An­schluss sei gestartet. Die „notwendige Entwicklungskapazitäten“ seien stetig erweitert worden.

Der Antwort zufolge wurden die Gematik, die Deutsche Stiftung Organtransplantation und die Deutsche Krankenhausgesellschaft in das Projekt eingebunden. Es gebe darüber hinaus einen Austausch mit den Entnahmekrankenhäusern und den Krankenkassen, wie es hieß.

Darüber hinaus schreibt das Ministerium, dass Hausärzte zur Unterstützung des „künftigen Aufklärungs­auftrags“ ab Januar 2022 ein „Standardinformationspaket“ zur Weitergabe an Patienten bekommen sollen.

Die soll aus einem gemeinsamen Anschreiben des BMG, der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklä­rung sowie der Bundesärztekammer (BÄK), der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) und des Deutschen Hausärzteverbandes bestehen und auch verschiedene Infobroschüren zur Organ- und Gewe­bespende enthalten.

Darüber hinaus sind laut BMG weitere Aufklärungsunterlagen, teils in verschiedenen Sprachen, etwa für Pass- und Meldeämter oder Ausländerbehörden erarbeitet worden.

Die FDP zeigt sich mit den Antworten wenig zufrieden. „Im vergangenen halben Jahr hat die Bundesre­gie­rung offenbar nicht viel mehr vorangebracht, als Papierausweise zu drucken und Arbeitskreise zu gründen“, sagte Katrin Helling-Plahr, Mitglied im Gesundheits- und Rechtsausschuss des Bundestags, dem Deutschen Ärzteblatt.

Die Betroffenen auf den Wartelisten hätten eine ehrgeizigere Politik verdient. Der Bund könne sich nicht ständig hinter den Ländern verstecken. „Hoffen wir, dass der Wirkbetrieb tatsächlich planmäßig starten kann.“

Vor einem Jahr hatte der Bundestag die Organspendereform beschlossen. Dem­nach bleiben Spenden nur mit ausdrücklicher Zustimmung des Gebers erlaubt. Allerdings soll es mehr Anreize geben. Unter ande­rem soll Infomaterial bekommen, wer ab 16 Jahren einen Personal­aus­weis beantragt, ihn nach zehn Jahren verlängert oder sich einen Pass besorgt.

Beim Abholen soll man sich dann schon direkt vor Ort im Amt, aber auch jederzeit später zu Hause in ein neues Onlineregister eintragen können. Das Konzept hatte eine fraktionsübergreifende Abgeordneten­gruppe von Union, SPD, FDP, Linken und Grünen erarbeitet. © may/aerzteblatt.d



Herzchirurgen des UKSH, Campus Kiel, führen erste erfolgreiche Implantation eines neuen Kunstherzens in Deutschland durch

Montag, 30. August 2021

Einem Team der Klinik für Herz- und Gefäßchirurgie des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein (UKSH), Campus Kiel, (Direktor: Prof. Dr. Jochen Cremer) unter der Leitung von Prof. Dr. Assad Haneya gelang es deutschlandweit erstmals erfolgreich ein neues Kunstherz zu implantieren. Anders als bisherige Systeme, die primär der Unterstützung der linken Herzkammer dienen, erlaubt das neue Kunstherz die Stabilisierung bei Versagen beider Herzkammern. „Das System stellt eine entscheidende Weiterentwicklung in der Therapie der dauerhaften Herzunterstützungssysteme dar“, sagt Prof. Dr. Haneya, stellvertretender Klinikdirektor und Ärztlicher Leiter des Bereiches Transplantation und mechanische Unterstützungssysteme. „Unser Patient litt an einer schweren Schwäche beider Herzkammern, weshalb er auch für eine Herztransplantation gelistet wurde. Sein Zustand hat sich in den vergangenen Wochen aber dramatisch verschlechtert. Da wir trotz der eingeleiteten intensivmedizinischen Maßnahmen keine Stabilisierung erreichen konnten, entschieden wir im Heart-Team gemeinsam mit dem Patienten, die Implantation durchzuführen“, sagt Prof. Haneya. Die neunstündige Operation des bereits am Herzen voroperierten Patienten verlief erfolgreich und der Patient befindet sich auf dem Weg der Besserung.

„Sofort nach Aktivierung des Systems hat sich der Kreislauf unseres Patienten deutlich stabilisiert“, sagt Dr. Bernd Panholzer, Leiter der herzchirurgischen Intensivstation der Klinik für Herz- und Gefäßchirurgie. „Das Kunstherz läuft stabil. Das System erzeugt – wie ein echtes Herz auch – einen pulsierenden Blutfluss und passt sich den Bedürfnissen des Patienten durch einen Selbstregulationsmechanismus an. Wir können sogar auf die Gabe hochdosierter Blutverdünnung verzichten und sind überzeugt, auch weiteren Patientinnen und Patienten zu guter Lebensqualität verhelfen zu können.“

Die Herzinsuffizienz ist die krankhafte Unfähigkeit des Herzens, dem Körper ausreichend Blut für die Sauerstoffversorgung der Organe und Zellen zur Verfügung zu stellen. Sie zählt zu den Volkskrankheiten und ist eine der häufigsten Todesursachen der westlichen Welt. Je nach Ursache stehen unterschiedliche Behandlungsmöglichkeiten – sowohl der Grunderkrankung als auch der Herzinsuffizienz in ihrer Ausprägung – zur Verfügung. „In der Regel gelingt es, die Patientinnen und Patienten mit Medikamenten oder sogenannten interventionellen Verfahren, wie der Versorgung mit Herzschrittmachern oder Defibrillatoren, von ihren Symptomen zu befreien oder diese zu lindern. In schweren Fällen können wir durch die Implantation von Herzunterstützungssystemen, als letzte Behandlungsoption neben der Herztransplantation, die Prognose der Patientinnen und Patienten entscheidend verbessern“, sagt Dr. Alexander Reinecke, Leiter der Ambulanz für Terminale Herzinsuffizienz, Klinik für Innere Medizin III mit den Schwerpunkten Kardiologie, Angiologie und internistische Intensivmedizin des UKSH, Campus Kiel (kommissarischer Direktor: Prof. Dr. Derk. Frank).

Um ein zuverlässiges Versorgungssystem für Kunstherzssysteme anbieten zu können, sind hochprofessionelle Strukturen notwendig. Die Klinik für Herz- und Gefäßchirurgie, Campus Kiel, hat ihr Programm für mechanische Unterstützungssysteme kontinuierlich ausgebaut und verfügt über eine hohe Expertise und alle diagnostischen und therapeutischen Möglichkeiten, die Patientinnen und Patienten mit schweren Herzerkrankungen zugutekommen.

Für Rückfragen von Journalistinnen und Journalisten steht zur Verfügung:
Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Kiel
Klinik für Herz- und Gefäßchirurgie, Prof. Dr. Assad Haneya, Tel.: 0431 500-22006, assad.haneya@uksh.de

Verantwortlich für diese Presseinformation:

Oliver Grieve, Pressesprecher des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein,
Mobil: 0173 4055 000, E-Mail: oliver.grieve@uksh.de



Das neue Kunstherz, das die Größe eines menschlichen Herzens hat, wurde erstmalig in Deutschland erfolgreich in Kiel implantiert. Copyright: Carmat 





Von BARMER Sachsen 25. August 2021


Die Bereitschaft zur Organspende ist gestiegen. Einer Umfrage der BARMER zufolge stehen 55 Prozent der Menschen einer Organspende offen gegenüber. Doch ganz gleich, wie die individuelle Entscheidung ausfällt, ruft die Krankenkasse die Menschen im Freistaat auf, sich zum Thema Organspende zu informieren und die eigene Entscheidung auf einem Organspendeausweis zu dokumentieren.

Die BARMER selbst verteilt derzeit mehr als zwei Million Organspendeausweise an Haushalte in Sachsen. „Fragen, die das Leben und den Tod berühren, sind niemals einfach. So ist es auch mit der Organ- und Gewebespende. Es gibt hier kein ‚richtig‘ oder ‚falsch‘. Diese Frage kann jede und jeder nur für sich persönlich beantworten, und niemand hat das Recht, die Entscheidung zu kritisieren“, sagt Dr. Fabian Magerl, Landesgeschäftsführer der BARMER Sachsen.

Wichtig sei, dass diese Entscheidung in einem Organspendeausweis dokumentiert wird. Damit könne den nächsten Angehörigen unter Umständen bei schwierigen Entscheidungen eine große Belastung erspart bleiben.

Über 1,8 Millionen zusätzliche Organspendeausweise

Die Mitglieder der zweitgrößten Krankenkasse im Land bekommen aktuell gleich mehrere Organspendeausweise per Post. Jeweils acht Exemplare sind pro Ausgabe des aktuellen Mitgliedermagazins enthalten.

„Damit bringen wir aktuell insgesamt mehr als 1,8 Millionen Organspendeausweise in die Sächsischen Haushalte. Wer noch keinen hat, bekommt diesen auch in unseren Geschäftsstellen, auf unseren Internetseiten sowie in vielen Apotheken, Arztpraxen und Krankenhäusern kostenlos“, sagt BARMER-Landeschef Dr. Magerl. Zudem könne der Organspendeausweis bei der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung online auch in größerer Anzahl kostenlos angefordert werden.

Bereitschaft zur Organspende steigt

Eine bundesweite repräsentative Umfrage unter 1.000 BARMER-Versicherten hatte jüngst ergeben, dass die Bereitschaft zur Organspende gestiegen ist. Demnach erklärten 36 Prozent der Befragten, dass sie bestimmt zur Organspende bereit sind und weitere 19 Prozent, dass sie wahrscheinlich ja dazu sagen würden. Im Jahr 2020 waren lediglich 32 Prozent der Befragten sicher bereit für eine Organspende, im Jahr 2019 waren es gar nur 23 Prozent. Die Zahl derer, die eine Organspende sicher ausschließen, ist dagegen in diesem Jahr von neun auf sechs Prozent gesunken.

Corona verändert Haltung der Jüngeren positiv

Vor allem junge Menschen stehen einer Organspende sehr aufgeschlossen gegenüber. In der Altersklasse der 18- bis 25-Jährigen haben 43 Prozent der Befragten erklärt, dass sie bestimmt zur Organspende bereit sind. Weitere 19 Prozent würden wahrscheinlich ja dazu sagen.

Weitere Informationen unter: www.barmer.de/organspende




Annäherung im Gesundheitssektor Israel und Emirate starten gemeinsames Organspende-Programm

Israel und die Vereinigten Arabischen Emirate haben erst im vergangenen Jahr diplomatische Beziehungen aufgenommen. Jetzt setzten die beiden Staaten ihre Annäherung fort – im medizinischen Sektor.  

Eine 39 Jahre alte Israelin hat eine Niere für einen Einwohner der Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) gespendet. Das Organ wurde am Mittwochmorgen im Schiba-Krankenhaus bei Tel Aviv entnommen und sollte dann rasch nach Abu Dhabi geflogen werden. Im Gegenzug erhält ein Israeli in Haifa eine Niere aus den Emiraten. Ein Verwandter des Patienten in Haifa spendet wiederum der Mutter der 39-Jährigen eine Niere. 

Der Dreiertausch ist Teil eines größeren Organspende-Programms der beiden Länder, die erst im vergangenen Jahr diplomatische Beziehungen aufgenommen haben. Die Flugzeit zwischen Israel und Abu Dhabi beträgt gut drei Stunden. 

Professor Eitan Mor, Leiter der Abteilung für Organtransplantation am Schiba-Krankenhaus, sprach am Mittwoch vom »Beginn einer wunderbaren Zusammenarbeit mit Kollegen aus den Emiraten«. Er hoffe auf eine künftige Kooperation auch in anderen medizinischen Bereichen.

Israel unterzeichnete im September vergangenen Jahres in Washington mit den Vereinigten Arabischen Emiraten und Bahrain ein Abkommen über die Aufnahme diplomatischer Beziehungen. Zuvor hatten nur zwei arabische Staaten, Ägypten und Jordanien, diplomatische Beziehungen zu Israel unterhalten.

Die beiden Golfstaaten rückten von der jahrzehntelangen Linie arabischer Staaten ab, Beziehungen mit Israel zu verweigern, solange der Konflikt mit den Palästinensern nicht gelöst ist. Israel und die Emirate versprechen sich von ihrer Annäherung wirtschaftliche Vorteile, schmieden aber vor allem eine Allianz gegen den gemeinsamen Erzfeind Iran.

asa/dpa






29.06.2021

Politik

Debatte um Lebendorganspende angestoßen


Berlin – Für Bun­des­ge­sund­heits­mi­nis­ter Jens Spahn (CDU) ist die Debatte um eine Neuregelung der Or­gan­spende nicht abgeschlossen. Folgen müsse jetzt eine gesellschaftliche Diskussion über die Lebend­organ­spende.

„Wir wollen aus dem Ministerium heraus einen Beitrag zu dieser Debatte leisten. Die Dinge müssen auf den Tisch – auch wenn sie emotional schwierig sind“, sagte er heute bei einem von seinem Haus digital veranstalteten Symposium zum Thema „Erweiterung des Spenderkreises bei der Lebendorganspende – eine Perspektive für Deutschland?“.

Die Förderung der Organspende sei ein wichtiges Anliegen in dieser Legislaturperiode gewesen, erklärte Spahn beim Symposium. Eine leistungsgerechte Vergütung in der Transplantationsmedizin, strukturelle Verbesserungen in den Kliniken, wie eine Freistellung der Transplantationsbeauftragten, sowie der Initia­tivplan Organspende könnten neben der gesellschaftlichen Debatte um die doppelte Widerspruchslö­sung und die Entscheidungslösung helfen, Aufmerksamkeit für das Thema zu erreichen und den Organ­mangel zu lindern.

„Wir sollten aber auch die Lebendspende als eine Option diskutieren“, betonte der Minister. Das Symposi­um könne der Startpunkt für eine neue gesellschaftliche Debatte sein. In Deutschland würden jährlich etwa 2.000 Nieren transplantiert, davon etwa 500 nach einer Lebendor­ganspende. Der rechtliche Rah­men dafür sei aber momentan sehr eng und spiegele das Spannungsfeld von altruistischer Hilfe und Spenderschutz beziehungsweise Wahrung der Freiwilligkeit wider, sagte Spahn. Darauf, ob die geltende rechtliche Regelung noch zeitgemäß sei, gebe es keine einfache Antwort.

„Ich selbst habe eine persönliche Offenheit, die Lebendspende einfacher zu regeln“, sagte der Minister. Gleichzeitig müsse man aber genau schauen, was man nicht ermöglichen sollte, um Schutzfunktion des Staates zu wahren. „Wir brauchen eine Entscheidung, die nicht zu einem Bruch führt, und zwar eine Mehr­heitsentscheidung, mit der möglichst viele gut leben können.“ Auch die Spender müssten sich auf eine Absicherung verlassen können, wenn bei ihnen in der Folge der Spende gesundheitliche Probleme ent­stehen würden.

Bislang ist die Lebendspende in Deutschland nach Paragraf 8 des Transplantationsgesetzes an strenge Voraussetzungen geknüpft, da sie für gesunde Spender und Spenderinnen keinen Heileingriff darstellt und mit Risiken verbunden sein kann. So müssen Spendende bei einer Lebendspende volljährig und einwilligungsfähig sowie mit dem ersten oder zweiten Grades verwandt oder mit dem Empfangenden verheiratet oder verlobt sein beziehungsweise in besonderer persönlicher Verbundenheit stehen und nach entsprechender umfangreicher Aufklärung in die Entnahme eingewilligt haben.

Voraussetzung für die Lebendspende ist zudem eine positive ärztliche Beurteilung und die Genehmigung einer Kommission. Diese muss gutachterlich dazu Stellung zu nehmen, ob begründete tatsächliche An­haltspunkte dafür vorliegen, dass die Einwilligung des Lebendspenders nicht freiwillig erfolgt oder das Organ Gegenstand verbotenen Handels ist. Hierdurch soll vor allem der in Deutschland strafbare Handel mit Organen unterbunden werden. Außerdem ist eine Lebendorganspende nur zulässig, wenn zum jewei­li­gen Zeitpunkt kein postmortales Spenderorgan zur Verfügung steht (Subsidaritätsprinzip).

Über alle Möglichkeiten nachdenken

Angesichts des Mangels an Spenderorganen und 8.000 aktiv gemeldeten Menschen auf der Warteliste für eine Niere, müsse man über alle Möglichkeiten für eine Transplantation nachdenken, sagte heute Bern­hard Banas vom Universitätsklinikum Regensburg. Eine Lebendspende stelle einen wichtigen Bau­stein dar, sei aber nicht unbedingt die Lösung.

Altruistische Lebendspenden, Überkreuz-Lebendspenden zwischen Paaren und Kettentransplantationen hätten nach seiner Ansicht medizinische Vorteile. „Man muss aber auch über die Risiken reden“, betonte der Transplantationsmediziner. „Eine Organspende hat immer Einschränkungen zufolge und es gibt keine Musteraufklärung.“

„Irritierend“ sind für Banas die Urteile des Bundesgerichtshofs (BGH) in den vergangenen Jahren gewe­sen. Die Zahl der Lebendorganspenden habe danach abgenommen, sagte er. Zum Hintergrund: Vor einer Lebendorganspende müssen Ärzte umfassend über alle Risiken aufklären, erklärte der BGH 2019. Bei mangelhafter Aufklärung haben Patienten, die gesundheitliche Schäden davontragen, Anspruch auf Schmerzensgeld und Entschädigung, entschied er in zwei Fällen aus Nordrhein-Westfalen und Nieder­sachsen.

Einer der Kläger war damals Ralf Zietz, Vorsitzender der Interessensgemeinschaft Nierenlebendspende. Er spendete 2010 seiner Frau eine Niere und sprach sich heute gegen eine Ausweitung der Lebendspen­de aus. Sie könne schwere Nebenwirkungen für den Spender zur Folge haben, bei dem in einen gesun­den Organismus eingegriffen werde. Er selbst leide unter chronischer Erschöpfung (Fatigue-Syndrom) und eingeschränkter Nierenfunktion. Dies werde bei der Aufklärung oft nicht berücksichtigt. „Das Fa­tique-Syndrom ist aber keine Mode-Erkrankung und auch nicht nur Müdigkeit“, betonte er.

Anfänglich litten 70 Prozent der Spender darunter. Die meisten erholten sich nach einigen Monaten, viele benötigten aber eine Rehamaßnahme. „Eine Nieren-Spende ist eine innere Amputation“, erklärte er. Die „Interessengemeinschaft Nierenlebendspende“ wolle die Nierenlebendspende nicht abschaffen, sie dürfe aber auch nicht verharmlost werden, sagte Zietz. Die Quote der spürbar gesundheitlich beeinträchtigten Spender sei hoch. Es käme zu einem Nierenfunktionsverlust mit Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, einem steigenden eigenen Dialyserisiko und einer niedrigeren Lebenserwartung.

Zudem hätten viele schlechte Erfahrungen mit Ärzten und Versicherungen gemacht. Ständig gebe es Strei­tigkeiten über die Kostenübernahme von Folgeoperationen, auch über Lohnfortzahlungen und Reha­kosten. „Oft kommt es zu Arbeitsplatzverlusten oder zur Berufsunfähigkeit“. Nicht zu vernachlässigen sei­en auch die menschlichen Konflikte zwischen Spender und Empfänger. Einige potenzielle Nierenlebend­spender seien unter großen moralischen Druck, berichtete er.





DSO-Jahresbericht

913 Organspender 2020 in Deutschland

Die Zahl der Organspender ist trotz der Corona-Pandemie nahezu stabil geblieben. Das geht aus dem Jahresbericht der Deutschen Stiftung für Organtransplantation hervor.

Veröffentlicht: 13.04.2021,

Frankfurt/Main. Die Deutsche Stiftung Organtransplantation (DSO) hat ihren Jahresbericht 2020 veröffentlicht.

Wie bereits im Januar vermeldet, ist die Zahl der Organspender in Deutschland im vergangenen Jahr trotz der Corona-Pandemie nur geringfügig zurückgegangen. 913 Menschen spendeten demnach nach ihrem Tod ein oder mehrere Organe, 2019 waren es 932, 2018 zählte die DSO 955 Spender (siehe nachfolgende Grafik)




Gleichzeitig ist die Zahl der organspendebezogenen Kontakte der DSO mit den Entnahmekliniken leicht gestiegen. 2019 waren es 3023 Kontakte, ein Jahr später mit 3099 Kontakten 2,5 Prozent mehr (siehe nachfolgende Grafik). Laut DSO ein Zeichen für das hohe Engagement der Häuser für die Organspende.



Im Septmber 2020 ist zudem die neue Richtlinie Spendererkennung der Bundesärztekammer in Kraft getreten. Sie sei eine wichtige praxisorientierte Ergänzung zum Transplantationsgesetz, so die Stiftung.

Die Richtlinie gebe vor, dass im Krankenhaus bereits zu dem Zeitpunkt, an dem der irreversible Hirnfunktionsausfall unmittelbar bevorsteht oder als bereits eingetreten vermutet wird, der Wunsch nach einer Organspende ermittelt werden soll. (reh)





14.02.2021




Anästhesist Jörg Hahnenkamp erklärt, warum das Online-Register Organspenden erschweren könnte, statt sie zu fördern.

Herr Hahnenkamp, was stört Sie an den Plänen für ein Online-Register? 

So ein Register könnte wirklich helfen, mehr potenzielle Organspender zu identifizieren. Aber wie es im Gesetz steht, wird das nicht gehen. Denn danach dürften Klinikärzte erst Daten aus dem Register abfragen, wenn die vorgeschriebene Hirntoddiagnostik abgeschlossen ist. Das funktioniert in der Praxis nicht.

Wieso nicht? 

Ziel muss immer sein, dem Willen des Patienten zu folgen, der auf der Intensivstation im Sterben liegt. Das ist der Auftrag des Patientenrechtegesetzes, und darum geht es uns Intensivmedizinern. Der Einblick in das Spenderregister kann uns genau diese Antwort geben: Will der Patient im Todesfall Organe spenden, oder will er nicht? Aber wir brauchen die Antwort schon vor Eintritt des Todes, nämlich dann, wenn wir sehen, dass medizinisch nichts mehr zu machen ist, dass der Mensch unabänderlich sterben wird. Denn zu diesem Zeitpunkt erfolgen Weichenstellungen für die weitere Therapie.

Zur Person

Klaus Hahnenkamp ist Anästhesist und Chef der Klinik für Anästhesiologie der Uniklinik Greifswald. Er ist Sprecher der Sektion Organtransplantation der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung Intensiv- und Notfallmedizin (Divi). Die neue Richtlinie zur Spendererkennung der Bundesärztekammer hat er federführend mitentworfen.

Inwiefern? 

Ein Beispiel: Ein junger Mensch liegt nach einem Unfall mit einem schweren Schädel-Hirn-Trauma auf der Intensivstation. Dabei kommt es oft zu einem gefährlichen Anstieg des Hirndrucks, das Gehirn schwillt an, wir haben vielleicht schon Teile des Schädelknochens entfernt und alles versucht, um den Druck zu senken, können aber den Prozess nicht mehr stoppen. Wenn wir das erleben, wissen wir: Das ist unumkehrbar, der Mensch hat bereits schwere, bleibende Hirnschäden erlitten. Er stirbt. Das ist – ganz unabhängig von einer möglichen Organspende – der Zeitpunkt, wo man als Arzt fragt: Würde der Patient jetzt wollen, dass wir trotzdem weitermachen mit allem? Oder will er das nicht?

Den Patienten können Sie aber nicht mehr fragen. 

Deshalb suchen wir das Gespräch mit den Patientenvertretern, in der Regel den Angehörigen. Wir informieren sie über die Aussichten, über die Therapieoptionen. Wir fragen sie, ob es eine Patientenverfügung gibt, einen Organspenderausweis. Das sind sehr schwere Fragen, das können Sie mir glauben, in einer sehr belasteten Situation. Und das wäre natürlich auch der Zeitpunkt, in das Spenderregister zu schauen. Damit könnten wir auch die Angehörigen entlasten. Aber das Gesetz verbietet uns das derzeit.

Was passiert, wenn es so bleibt? 

In den meisten Fällen wissen die Angehörigen leider nicht, wie der sterbende Mensch zur Organspende dachte. Denn wir alle sprechen im Alltag einfach noch zu wenig über das Thema. Wenn wir als Ärzte und Ärztinnen also künftig nicht im Register nachschauen dürfen, müssen weiterhin die Angehörigen entscheiden. Das ist die eine Möglichkeit …

Das wäre ja genau wie jetzt. 

Nicht ganz. Denn künftig wird man ja dann zu einem späteren Zeitpunkt in das neue Register schauen. Was, wenn die Angehörigen einer Organentnahme zugestimmt haben, weil sie dachten, ihr Sohn, ihre Tochter hätte es so gewollt – und im Register findet sich dann ein Widerspruch? Oder sie haben abgelehnt und erfahren dann: Der geliebte Verstorbene hätte eine Organspende gewollt? Wie sollen die Angehörigen damit leben, dass sie den Willen ihres Angehörigen nicht erfüllt haben? Das kann für sie eine lebenslange Last werden. Der Druck, der auf ihnen lastet, wird durch die jetzige Regelung noch größer als er ohnehin schon ist. Die Angehörigen sind ja in einer Grenzsituation, wenn so plötzlich ein nahestehender Mensch aus dem Leben gerissen wird.

Was wäre die zweite Möglichkeit, der neuen Bestimmung gerecht zu werden? 

Womöglich sagen Intensivmediziner künftig häufiger: Das Risiko ist zu hoch, dass Angehörige jetzt etwas entscheiden, das sich später durch das Register als falsch herausstellen könnte. Ich fürchte, dass damit künftig häufiger als derzeit gegen die Option Organspende entschieden und die lebenserhaltende Behandlung eingestellt wird.

Also weniger Organspenden statt mehr, obwohl das ja eigentlich das Ziel der Reform war? 

Die Gefahr sehe ich. Es gäbe aber, medizinisch gesehen, einen dritten Weg, wenn die Chance erhalten werden soll, einen möglicherweise im Register hinterlegten Spenderwillen auch zu erfüllen: Man müsste bei allen Patientinnen und Patienten, die im Sterben liegen und für eine Organspende möglicherweise in Frage kommen, lebenserhaltende Maßnahmen fortsetzen und sie durch die für eine Organentnahme vorgeschriebene Hirntoddiagnostik führen. Nur so könnte man die Organe erhalten, bis man das Register konsultieren darf.

Das wäre eine Art Lebenserhaltung „auf Verdacht“, da man zu dem Zeitpunkt noch nicht weiß, ob der Sterbende überhaupt seine Organe spenden will. 

Richtig, das ist der Punkt. Ein solches Vorgehen ist theoretisch möglich, praktisch wird es aber nicht dazu kommen. Es ist auch unklar, ob das überhaupt durch das Gesetz gedeckt wäre. So etwas dürfte dann die Gerichte beschäftigen.

Ihr Fazit? 

Unser aller Aufgabe ist es doch, dem Willen des Menschen, der seine Organe spenden will, gerecht zu werden. Die ganz breite Mehrheit der Bevölkerung will ja spenden, das wissen wir seit langem aus Umfragen. Das Spenderregister soll gerade sicherstellen, dass dieser Spenderwille künftig häufiger auch umgesetzt wird. Das geht aber nur, wenn wir das schon im Sterbeprozess und nicht erst danach erfahren. Ich kann nur hoffen, dass wir da noch zu einer Änderung kommen.

Interview: Ursula Rüssmann



Quelle: DSO

https://www.dso.de/SiteCollectionDocuments/News/2020-12-22%20-%20Umgang%20mit%20V.a.%20Coronavirus-Testung%20bei%20Spendern.pdf

Vorgehen der DSO bei Spendern in Bezug auf eine (mögliche)SARS-CoV-2-Infektion/COVID-19

(Stand 22.12.2020)

Nachfolgend wird das Vorgehen der DSO in Bezug auf eine (mögliche) SARS-CoV-2-Infektion zum Schutz der Empfänger dargelegt, das Vorgehen zum Schutz der Mitarbeiter der DSO wird in einem separaten Dokument beschrieben.

Merke: Bei Unklarheiten bzgl. des Vorgehens in einem konkreten Fall ist eine Abstimmung mit der zuständigen Geschäftsführenden Ärztin / dem zuständigen Geschäftsführenden Arzt erforderlich. 

Bei jedem möglichen Spender ist zu klären, ob in den letzten Wochen Kontakt zu einem Patienten mit bekannter oder vermuteter COVID-19 / SARS-CoV-2-Infektion bestand.

Das umfasst auch die Frage an das Entnahmekrankenhaus, ob der Spender im Krankenhaus (insbes. Aufnahme und Intensivstation) Kontakt mit einem COVID-19-Patienten hatte und ob und wie die organisatorische Trennung von Patienten mit und ohne COVID-19-Verdacht in der Klinik aktuell gelöst ist.

Darüber hinaus wird die Reiseanamnese erhoben, ein Aufenthalt in einem Risikogebiet

(s. Webseite des RKI:

https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus

/Risikogebiete.html)

in den letzten Wochen ist bei der Risikobeurteilung zu berücksichtigten.


Es ist abhängig von den Unterstützungsbedürfnissen des Entnahmekrankenhauses und der Situation des Spenders in Rücksprache mit der/dem GfÄ zu entschieden, oberst nach Vorliegen des Ergebnisses der SARS-CoV-2-Testung in das Entnahmekrankenhaus zu fahren ist.Dies gilt insbesondere bei Verdacht auf oder erhöhtem Risiko für eine COVID-19-Erkrankung des Spenders. Zudem sind die eingangs erhobenen Angaben des Krankenhauses zu der organisatorischen Trennung potentiell an COVID-19 erkrankter Patienten zu berücksichtigen. Die Empfehlungen für persönliche Schutzmaßnahmen (s. separates Dokument) sind dabei unbedingt zu beachten.



Zu wenig Spender Neues Organspendegesetz bislang ohne Effekt

von Katja Dietrich-Stieler

Stand: 31. Januar 2021, 05:00 Uhr


In Deutschland warten deutlich mehr Menschen auf ein Spenderorgan, als es Spender gibt. Derzeit muss man aktiv entscheiden, ob man Spender ist. Im Vorjahr lehnte der Bundestag die Widerspruchslösung ab, billigte aber Reformen. Nun ist etwa ein Online-Register für freiwillige Spender geplant. Unter anderem wegen der Corona-Pandemie geht es aber nur langsam voran.

Dreimal in der Woche sitzt der Dresdner Theodor Ludwig am Dialyse-Gerät. Mehrere Stunden dauert es jedes Mal, bis sein Blut wieder sauber ist. Seine Niere schafft das nicht mehr allein. Seit Mai 2018 wartet der 42-Jährige Anwalt auf ein Spenderorgan: "Ich sollte eigentlich auf gepackten Koffern sitzen, weil jederzeit der Anruf kommen könnte, die Niere ist da. Aber mit einer statistischen Wartezeit von zehn Jahren, von denen zwei rum sind, tue ich das nicht." Es sei vorher so gewesen, dass katastrophal wenig gespendet wurde, wenig gemacht worden sei, die Wartezeiten unendlich lang gewesen seien und das sei jetzt noch so, sagt Ludwig.

Organspenden in Deutschland am niedrigsten

Insgesamt erhielten in Deutschland im vergangenen Jahr 2.845 Empfänger ein oder mehrere Organe von Spendern. Zum Vergleich: Mehr als 9.000 Menschen standen Ende vergangenen Jahres auf der Warteliste für ein Organ. Die Zahl der Organspender ging erneut leicht zurück.

Angesichts der Corona-Pandemie müsse man damit aber eher zufrieden sein, meint der Transplantationsmediziner Christian Hugo vom  Universitätsklinikum Dresden und damit, "dass die Organspende in Deutschland nicht eingebrochen ist, so wie in anderen Ländern. Aber man darf nie vergessen, wir befinden uns auf dem niedrigsten Niveau im Vergleich zu allen anderen Ländern."

Das Problem insgesamt sei, dass sich überhaupt nichts verändert habe, obwohl es gewisse gesetzliche Veränderungen seit 2019 gegeben habe durch Minister Spahn, die tatsächlich eine Verbesserung brächten, bemerkt Hugo. "Aber die neue Gesetzesinitiative ist vermutlich eher ein Weiter so, von dem ich mir nicht viel erhoffe."

Online-Register geplant

Jetzt soll es also ein Online-Register geben, in das man sich freiwillig als Spender eintragen kann. Hausärzte und Behörden sollen zudem regelmäßig über das Thema Organspende aufklären. Für Mediziner Hugo ein Tropfen auf den heißen Stein: "Ich sage voraus, dass wir in fünf bis sieben Jahren feststellen werden, dass dieses Gesetz nichts gebracht hat und stehen dann wieder genau an dem Punkt, an dem wir eben letztes Jahr waren."

Die Deutsche Stiftung Organtransplantation hatte auf die Widerspruchslösung gehofft. Denn zuletzt waren wieder mehr Menschen bereit, ein Organ zu spenden. Bis zum Ausbruch der Corona-Pandemie waren die Zahlen deutlich nach oben gegangen. Nicht zuletzt, weil sich die Kliniken stärker engagiert haben, indem beispielsweise mehr Transplantationsbeauftragte eingesetzt wurden, die die Abläufe der Organspende koordinieren.

"Brauchen uns nix vorzumachen"

Auch die gesundheitspolitische Sprecherin der Grünen in Thüringen, Babett Pfefferlein, sieht die Organspende in Deutschland auf einem guten Weg: "2020, als diese ganze Debatte darum geführt worden ist, ist dieses Thema wirklich in den Vordergrund gerückt und die, wenn man mal schaut, Nachfrage nach einem Organspendeausweis ist im Vergleich zum Vorjahr um ein Drittel gestiegen."

Aber man müsse auch feststellen, dass das Thema durch Corona nicht mehr ganz oben stehe, auch nicht bei den Krankenhäusern, sagt Pfefferlein. Und was das Register anbelange und so weiter und so fort, stecke das noch in den Kinderschuhen: "Also brauchen wir uns gar nix vorzumachen", betont die Politikerin.

Auch für Theodor Ludwig heißt es deshalb, weiter zu warten, bis der erlösende Anruf für eine neue Niere kommt: "Ich rechne damit, dass ich weitere acht Jahre meines Lebens in diesem Halbzustand verbringen werde, wo andere Leute das haben, was man Rushhour des Lebens nennt, mit Karriere, mit Familie. Es ist einfach so viel verlorene Lebenszeit."




Reformpläne geraten ins Stocken

Organspende: Großer Bedarf an Aufklärung, aber kaum Geld

Der Bundestag will die Entscheidungsbereitschaft der Bürger zur Organspende 

stärken. 

Doch bei der adäquaten Aufklärung könnte es hapern: der 

zuständigen Bundeszentrale mangelt es an Mitteln.

Von Florian Staeck Veröffentlicht: 20.01.2021


Berlin. Bei der Umsetzung des Gesetzes zur Stärkung der Entscheidungsbereitschaft in der Organspende könnte die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) zu einem Engpassfaktor werden. Das Gesetz hatte der Bundestag im Januar 2020 nach langer und kontroverser Debatte beschlossen.

Die Behörde soll neues Info- und Aufklärungsmaterial produzieren – etwa darüber, dass künftig in den Ausweisstellen und Ausländerbehörden der Kommunen über die Organ- und Gewebespende informiert werden soll. Problem dabei: Der Bundestag hat der BZgA im Bundeshaushalt für das laufende Jahr nicht die erforderlichen zusätzlichen Mittel bewilligt. Das geht aus der Antwort des Bundesgesundheitsministeriums auf eine Anfrage von Grünen-Fraktionschefin Annalena Baerbock hervor.

Hausaufgaben für verschiedene Bundesbehörden

Mit dem Organspendegesetz, das zum 1. März 2022 in Kraft treten soll, ist ein Rattenschwanz von Hausaufgaben verbunden, die verschiedene Bundesoberbehörden zuvor abarbeiten müssen. So steht beispielsweise im Pflichtenheft des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM), ein Register für Erklärungen zur Organ- und Gewebespende zu errichten.

Die Abstimmungsprozesse für die Software-Entwicklung sind offenbar komplex, weil neben gematik, GKV-Spitzenverband und Deutscher Krankenhausgesellschaft auch Softwarehersteller für die Anwendungen in den Ausweisstellen einbezogen werden müssen. Dennoch geht das BMG derzeit davon aus, dass der Start des Registers zum 1. März 2022 erfolgen kann.

Ungewiss ist dagegen offenbar, inwieweit die BZgA ihren im Gesetz vorgegebenen Aufgaben nachkommen kann. Die Behörde sei um Stellungnahme gebeten worden, wie sie angesichts von zur Verfügung stehenden Mitteln von nur 5,7 Millionen Euro die Umsetzung gewährleisten kann, erklärt die Regierung.

Manual für das Patientengespräch geplant

Denn zur Aufgabe der BZgA gehört auch die Unterstützung von Hausärzten bei Information und Aufklärung in Sachen Organspende. Zurzeit werde ein „Manual für das Arzt-Patienten-Gespräch zur Organ- und Gewebespende“ abgestimmt. Beteiligt an dem Prozess sind neben dem Hausärzteverband auch KBV und Bundesärztekammer.

Hausärzte sollen ihre Patienten alle zwei Jahre zur Organ- und Gewebespende beraten und ermutigen, sich in das Online-Register eintragen zu lassen. Die Beratung soll ergebnisoffen sein – die BZgA soll die Arztpraxen mit den passenden Aufklärungsbroschüren beliefern.

Das BMG kündigt in seiner Antwort an, den Gesundheitsausschuss im Laufe des ersten Quartals über den Stand der Dinge zu informieren.







https://www.aerztezeitung.de/Politik/So-viele-Organe-werden-gespendet-und-benoetigt-416355.html

Nieren, Lebern, Herzen

So viele Organe werden gespendet – und benötigt

Neue Organspendezahlen belegen: Die Niere bleibt das häufigste Spenderorgan, wird aber auch am meisten benötigt. Wir zeigen, wie weit diese Zahlen auseinanderklaffen – auch bei anderen Organen.

Veröffentlicht: 19.01.2021 Von Thorsten Schaff

Neu-Isenburg. Trotz der Corona-Krise hat es 2020 in Deutschland fast so viele postmortale Organspenden gegeben wie im Jahr zuvor. Das liege unter anderem daran, dass Krankenhäuser häufiger an die Organspende denken, berichtet die Deutsche Stiftung Organtransplantation (DSO).

Im vergangenen Jahr wurden hierzulande 2941 Organe gespendet von Menschen, bei denen der Hirntod festgestellt worden war. 2019 waren es mit 2995 nur etwas mehr. 2010 hatte die Zahl bei 4205 gelegen (siehe nachfolgende Grafik), das war vor den Transplantationsskandalen.



Am häufigsten wurde 2020 eine Niere postmortal gespendet – exakt 1447 Mal. Somit war fast jedes zweite Spenderorgan eine Niere (49 Prozent). Es folgen die Leber (746, 25 Prozent), Lungen (342, 12 Prozent) und Herzen (320, 11 Prozent).



Organspender: Höchste Quote in Hamburg

Insgesamt gab es in Deutschland im vergangenen Jahr 913 postmortale Organspender. Die meisten von ihnen stammten aus Nordrhein-Westfalen – zumindest, was die absoluten Zahlen angeht. 174 Spender waren in NRW registriert, danach kamen Bayern (131) und Baden-Württemberg (107).

Aussagekräftiger ist aber ein Vergleich der Spender-Quote pro eine Million Einwohner (siehe nachfolgende Grafik). Und da zeigt sich das beste Verhältnis in Hamburg (26,0 Spender pro eine Million Einwohner), vor Saarland (22,3) und Mecklenburg-Vorpommern (16,8). Der bundesweite Durchschnitt lag bei 11,0 Spendern pro eine Million Einwohnern. 2019 hatte er 11,2 betragen.


9192 Bundesbürger stehen auf der Warteliste

Noch immer werden in Deutschland viel weniger Organe gespendet als benötigt werden. 9192 Patienten standen Ende des Jahres 2020 bei Eurotransplant auf der Warteliste für ein Spenderorgan. Die mit Abstand größte Nachfrage besteht bei Nieren (7338). Es folgen Lebern (891) und Herzen (700).

Zum Vergleich: Vor zehn Jahren war die Reihenfolge dieselbe – wenn auch mit einem weitaus größeren Bedarf: 2010 fehlten 7869 Nieren, 2161 Lebern und 981 Herzen (siehe nachfolgende Grafik). Damals umfasste die Warteliste 11.562 Mens





https://www.aerztezeitung.de/Politik/Regierung-will-BZgA-neu-ausrichten-416353.html


„Kommunikationsagentur“ statt Behörde

Regierung will BZgA neu ausrichten

Gesundheitsminister Jens Spahn will die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung umbauen, deren Arbeit in der Pandemie bisher seltsam blass bleibt. Sie soll reichweitenstark kommunizieren – und doch die Wissenschaftlichkeit nicht vernachlässigen.

Veröffentlicht: 19.01.2021, 16:12 Uhr


Berlin. Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) soll zu einer „zentralen Vertrauensinstanz“ in Gesundheitsfragen werden und sich „zu einer echten Kommunikationsagentur für alle Altersklassen“ entwickeln. Das teilt die Bundesregierung auf eine Anfrage der Grünen im Bundestag mit. Bedenken, diese Neuausrichtung könne zu Lasten der wissenschaftlichen Ausrichtung der Behörde gehen, weist die Regierung zurück. „Wissenschaft und Forschung“ seien Grundvoraussetzungen für eine „erfolgreiche Aufgabenwahrnehmung der BZgA“, heißt es.

Doch die Vorbehalte hatte die Regierung mit ihrer Ausschreibung des Leitungspostens der Behörde selbst ausgelöst. In der Anzeige vom September 2020 hieß es, die BZgA benötige „ein Update“: „Im Auftreten, im Selbstverständnis, in der Kommunikation“. Aktuell ist ein Nachfolger für BZgA-Direktorin Professor Heidrun Thaiss, die zum 1. Februar das Haus verlässt, noch nicht gefunden. 15 Bewerbungen sind bisher eingegangen. Doch stattdessen wurde BZgA-Vize Professor Martin Dietrich kommissarisch zum Behördenleiter ernannt.

Die Leitungsposition sei künftig mit einem „starken kommunikativen Anforderungsprofil“ versehen. Zudem soll die 1967 gegründete Behörde eine „organisatorische Verschlankung und inhaltliche Neustrukturierung“ verpasst bekommen. „Mehr Flexibilität“ sei gefordert, damit die BZgA „auf aktuelle Anforderungen zeitnah reagieren“ könne.

Genau das haben Beobachter bei der Kölner Behörde in der Corona-Pandemie vermisst. „Die BZgA füllt ihre wichtige Funktion in der Krise nicht angemessen aus. Wesentliche Teile der Kampagnenarbeit übernimmt das Bundesgesundheitsministerium mittlerweile selbst“, kritisiert die Grünen-Gesundheitspolitikerin Dr. Kirsten Kappert-Gonther. Dem widerspricht die Regierung: Die BZgA sei von Anfang an „maßgeblich“ an Aufklärungs- und Info-Kampagnen beteiligt gewesen – als Beispiel wird die Dachkampagne „Zusammen gegen Corona“ genannt, die mit dem Robert Koch-Institut aufgelegt worden sei.

Tatsächlich attestieren Wissenschaftler im Kompetenznetz Public Health COVID-19 der BZgA „eine ausgeprägte Expertise bei der Durchführung von bevölkerungsweiten Kampagnen“. Allerdings stammt die letzte Evaluation der Arbeit der Behörde aus dem Jahr 2012 – eine Neubewertung sei derzeit nicht geplant.

Für die Grünen ist die inhaltliche Bestimmung des BZgA-Updates unklar. „Es ist zu bezweifeln, dass Verschlankung und Rationalisierung die richtigen Antworten auf die bestehenden Probleme sind“, sagt Kappert-Gonther. Sie fordert, am Ende des Prozesses müsse eine „politisch unabhängige und gut ausgestattete Public Health-Institution stehen“. (fst)




Ungewöhnliche Transplantation am UKM

Patientin erhält Organe von Säugling

Münster -

Sandra Giese war seit rund 40 Jahren Diabetikerin (Typ-I), als sich im Herbst ihre Werte so dramatisch verschlechterten, dass sie drohte, dialysepflichtig zu werden. Nach der Transplantation zweier Nieren in Kombination mit einer Bauchspeicheldrüse lebt die Beckumerin nun mit den jüngsten Organen, die je in Deutschland transplantiert wurden, weiter.

Von Westfälische Nachrichten

Erst im September hatten die Ärzte der Klinik für Allgemein-, Viszeral- und Transplantationschirurgie am Universitätsklinikum Münster (UKM) sie auf die Warteliste für Organtransplantationen gesetzt. „In der Regel warten die Empfänger ein bis zwei Jahre auf ein Angebot“, erklärt der stellvertretende Klinikdirektor, Prof. Jens Brockmann . Doch am 8. November klingelte es abends bei Familie Giese in Beckum: Die Polizei gab Bescheid, dass es ein Organangebot für sie gab. „Ich war noch gar nicht wirklich vorbereitet, hatte meine Sachen nicht gepackt“, erzählt Sandra Giese. Im UKM erfuhr sie, dass es sich um die Organe eines weit unter ein Jahr alten Kindes handelt.

Medizinisch gesehen sind ist es nicht selbstverständlich, dass die Organe eines Kleinkindes überhaupt transplantiert werden, informiert die Klinik in ihrem Pressebericht. Die technischen Risiken würden landläufig als zu groß eingeschätzt. Während alle anderen Zentren die durch die Stiftung Eurotransplant angebotenen Nieren ablehnten, nahm das UKM das kombinierte Angebot aus Nieren und Pankreas an. „Wir haben eine neue Operationstechnik angewendet, die weltweit nur von wenigen Chirurgen überhaupt durchgeführt wird“, sagt Brockmann. Dabei bleiben die eigenen Organe im Körper und der Empfangende bekommt diese Organe gewissermaßen in zweiter Ausführung noch einmal hinzu.

Junge Organe werden seltener abgestoßen

Einer der Vorteile ist, dass die Organe sehr schnell im Körper des Empfängers weiterwachsen. Maßen die Nieren im konkreten Fall zum Zeitpunkt der Transplantation kaum vier Zentimeter, so sind sie jetzt, sechs Wochen später, schon fast doppelt so groß. Auch scheint es nach Darstellung des UKM so zu sein, dass juvenile Organe seltener abgestoßen werden.

Leid und Glück

Nicht ausblenden will Giese, die selbst Mutter ist, dass der Tod eines Kindes ihr zu einem neuen Leben verholfen hat. „Leid und Glück sind in der Transplantation untrennbar miteinander verknüpft“, sagt Klinikdirektor Prof. Andreas Pascher. Und Brockmann, der die Transplantation mit seinem Team durchgeführt hat, ergänzt: „Es muss ein unvorstellbar schwerer Schritt für Eltern sein, die Organe des eigenen Kindes zur Transplantation freizugeben.“ Gleichzeitig beschreibt er es für Mütter und Väter auch als tröstend, zu wissen, dass sie mit diesem Einverständnis mehreren Menschen das Leben retten. „Das hilft, ein Stück weit bei der Verarbeitung.“



https://www.aerztezeitung.de/Politik/Keine-Auffaelligkeiten-bei-Organspenden-415541.html




Tätigkeitsbericht

Keine Auffälligkeiten bei Organspenden

Kontrollgremien für die Überwachung der Transplantationszentren findet keine systematischen Verstöße.

Veröffentlicht: 11.12.2020



Berlin. Bei der Überprüfung von 30 Transplantationsprogrammen wurden keinerlei systematische Richtlinienverstöße gefunden. Das geht aus dem Tätigkeitsbericht 2019/2020 der Kontrollgremien von Bundesärztekammer, Deutscher Krankenhausgesellschaft und GKV-Spitzenverband hervor. Geprüft wurden Programme der Herz-, Lungen-, Leber-, Nieren- und Pankreastransplantationen von 2016 bis 2018.

Wegen der besonderen Umstände in diesem Jahr wurden nur drei Transplantationszentren vor Ort und 27 im schriftlichen Verfahren geprüft. Die positive Entwicklung der vergangenen Jahre habe sich weiter fortgesetzt, kommentiert der Vorsitzende der Überwachungskommission, Professor Hans Lippert, die Ergebnisse.

Verdachtsunabhängige Prüfungen

Bei der Vertrauensstelle Transplantationsmedizin zur Meldung von Auffälligkeiten und Verstößen gegen das Transplantationsrecht gingen im Berichtsraum 2019/2020 21 Eingaben ein. „Diese betrafen neben allgemeinen und einzelfallbezogenen Fragen zur Organspende und -transplantationen insbesondere Fragestellungen zur Lebendorganspende, wie etwa zu den Voraussetzungen und zur Kostenerstattung der Nachsorgebehandlung“, erklärt der Leiter der Vertrauensstelle, Professor Hans Lilie.

Die Prüfungskommission und die Überwachungskommission kontrollieren in der Regel alle drei Jahre verdachtsunabhängig die 126 Transplantationsprogramme der 46 Transplantationszentren in Deutschland. Auch die Vermittlungsstelle Eurotransplant sowie die Koordinierungsstelle Deutsche Stiftung Organtransplantation werden regelmäßig überprüft. (chb)



https://www.rtl.de/cms/ist-eine-patientenverfuegung-nichtig-wenn-man-einen-organspendeausweis-hat-4665480.html


Wir erklären, was Sie bei ihren Willensbekundungen unbedingt beachten sollen

Ist eine Patientenverfügung nichtig, wenn man einen Organspendeausweis hat?

10. Dezember 2020 - 8:48 Uhr

Egal ob Patientenverfügung oder Organspendeausweis: Vorsorge ist wichtig!

Auch wenn wir die Gedanken über mögliche Krankheiten, Leiden und den Tod am liebsten ganz weit von uns wegschieben wollen, ist es wichtig, sich auch mit diesen unbequemen Themen auseinanderzusetzen. Bei uns in Deutschland gibt es zwei wichtige Verfügungen, durch die wir im Vorfeld entscheiden können, was mit uns in einem medizinischen Notfall passieren soll und ob wir unsere Organe spenden wollen oder nicht. Doch häufig passiert es, dass sich diese zwei unterschiedlichen Willenserklärungen – Patientenverfügung und Organspendeausweis – widersprechen. Wir erklären Ihnen, welche Folgen das für Sie als Patient mit sich bringen kann und was sie unbedingt berücksichtigen sollten.

Wie kommt es dazu, dass eine Patientenverfügung einer Organspende widerspricht?

Eine Patientenverfügung soll dabei helfen, im medizinischen Ernstfall den eigenen Willen durchzusetzen. So haben viele Menschen beispielsweise für den Fall einer schweren, irreversiblen Gehirnschädigung festgelegt, dass keine lebenserhaltenden Maßnahmen durchgeführt werden sollen. Gleichzeitig besitzen viele aber auch einen Organspendeausweis. Doch damit Organe entnommen werden können, müssen intensivmedizinische Maßnahmen weiter fortgesetzt werden, um zweifelsfrei den Hirntod feststellen zu können. Dies wiederum würde allerdings – sollte der Patient beispielsweise eine künstliche Beatmung ablehnen – der Patientenverfügung widersprechen. Was passiert also, wenn sich Patientenverfügung und Organspendeausweis gegenseitig ausschließen? Verliert die Patientenverfügung dann ihre Gültigkeit?

Wie handeln Ärzte, wenn sich Patientenverfügung und Organspendeausweis widersprechen?

In einem solchen Fall ist für die Ärzte und Ärztinnen nicht eindeutig klar, wie sie nun handeln sollen. "In der medizinischen Praxis kann diese unklare Situation dazu führen, dass eine Organentnahme oftmals gar nicht in Betracht gezogen wird", erklärt die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung auf der Homepage der deutschen Organspende.

+++ Corona und die Patientenverfügung: Gilt diese auch bei Covid-19? +++

Welche Lösungen gibt es bei einem Widerspruch?

Um solche Situationen zu vermeiden, hat die Bundesärztekammer (BÄK) ein Arbeitspapier veröffentlicht, worin sie für eine solche Situation ethische und rechtliche Empfehlungen ausspricht. Sollte der Fall eintreten, dass ein Patient, der in seiner Patientenverordnung angegeben hat, keine lebenserhaltenden Maßnahmen erhalten zu wollen, gleichzeitig aber der Organspende zugestimmt hat, bereits auf der Intensivstation liegen und künstlich beatmet werden, unterscheidet die BÄK zwischen drei verschiedenen Situationen:

  1. Sollten die Ärzte vermuten, dass der Hirntod bereits eingetreten ist, ist es laut der BÄK ethisch und rechtlich vertretbar, die erforderlichen Maßnahmen kurzzeitig aufrechtzuerhalten, um eine Organspende durchführen zu können: "Dieses Vorgehen beachtet auch den in der Patientenverfügung ausgedrückten Willen sterben zu dürfen, weil die intensivmedizinischen Maßnahmen nur für den Zeitraum fortgesetzt werden, der für die Realisierung der vom Patienten gewünschten Organspende erforderlich ist. Eine isolierte Betrachtung der Patientenverfügung ohne Rücksicht auf die Organspendererklärung würde dem Willen des Patienten nicht gerecht werden", heißt es dazu in dem Arbeitspapier. Ob ein Hirntod tatsächlich eingetreten ist, kann immer erst durch eine Hirntoddiagnostik festegestellt werden.

  2. Anders ist es, wenn die Ärzte vermuten, dass ein Hirntod möglicherweise erst in wenigen Tagen eintreten wird. Sollte der Patient allerdings schon versterben, bevor ein Hirntod eintritt, dürfen die Ärzte laut der BÄK keine lebenserhaltenden Maßnahmen durchführen. Zuvor müssen sie mit den Angehörigen oder einem Patientenvertreter – dabei handelt es sich um eine von dem Patienten zuvor festgelegte Person für Gesundheitsfragen – beraten, wie weiter vorgegangen werden soll.

  3. Sollte der Patient einen Herzstillstand erleiden und in der Patientenverfügung angeordnet haben, keine Reanimation durchzuführen, sollte nur aufgrund eines Organspendeausweises auf keinen Fall ein Wiederbelebungsversuch unternommen werden, da völlig ungewiss ist, ob ein Hirntod, der ja für eine Organspende Voraussetzung ist, eintreten wird.

Worauf muss ich bei der Erstellung meiner Patientenverfügung achten?

Beachten Sie also bei der Erstellung ihrer Patientenverfügung, dass diese – sofern sie einer Organspende zustimmen – nicht im Widerspruch mit ihrem Organspendeausweis steht. Dafür sollten Sie in ihrer Patientenverfügung ausdrücklich festlegen, was für Sie in einer solchen Situation Vorrang hat: Die Möglichkeit der Organspende oder auf lebensverlängernde Maßnahmen zu verzichten.

Wie sie dies am besten ausformulieren ist Ihnen überlassen, eine standartisierte Patientenverfügung gibt es in Deutschland nicht. Allerdings gibt es auf der Homepage der deutschen Organspende – auf der Sie im übrigen auch kostenlos einen Organspendeausweis bestellen können – Formulierungshilfen, um ihre Entscheidung für oder gegen einer Organspende unmissverständlich und klar auszudrücken.




DSO-Jahrestagung

Organspende: Noch zu häufig entscheiden Angehörige

Die Zahl der Organspender steigt. Doch damit geben sich Transplantationsmediziner nicht zufrieden: Der Patientenwille werde zu selten von den Betroffenen selbst, also noch zu Lebzeiten, dokumentiert.

Veröffentlicht: 03.11.2020, 19:59 Uhr


Frankfurt/Main. Kein Abwärtstrend trotz SARS-CoV-2: Bereits im Sommer hatte die Deutsche Stiftung Organtransplantation (DSO) vermeldet, dass die Zahl der Organspender trotz der Corona-Pandemie gestiegen ist. Bis Ende Juni registrierte die Stiftung 487 postmortale Spender, Stand Ende Oktober sind es 793.

Das ist eine leichte Steigerung von 2,3 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum, hieß es am Dienstag auf dem DSO-Jahreskongress, der wegen der Pandemie dieses Jahr rein digital stattfindet.

Der Blick in die europäischen Nachbarländer zeigt aber, dass dieses kleine Plus mehr wiegt als in den Jahren zuvor. In Spanien etwa seien im Frühjahr die Organspenderzahlen auf fast ein Viertel der früheren Aktivität zurückgegangen. Spanien gilt als besonders schwer betroffen von der Pandemie.

Mehr Kontakte zwischen Kliniken und DSO

Die DSO schreibt das Plus vor allem dem Engagement in den Kliniken zu, trotz des Fokus auf Corona an die Organspende zu denken. So hätten die organspendebezogenen Kontakte zur DSO als Koordinierungsstelle ebenfalls zugenommen, um 4,1 Prozent auf 2626 Kontakte.

Dennoch müsse mehr und vor allem früher über das Thema Organspende gesprochen werden, mahnten Transplantationsmediziner auf der Tagung. „Wir müssen wissen, was der Patient möchte“, sagte Professor Klaus Hahnenkamp, Sprecher der Sektion Organspende und Organtransplantation bei der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI).

Die gelebte Praxis in der Intensivmedizin in den letzten Jahren habe dabei sicherlich nicht förderlich gewirkt, sondern das bewusste Auseinandersetzen mit dem Organspendewillen auch in der Patientenverfügung eher in den Hintergrund gerückt, gestand er ein. Oft hätten die Patienten auch Angst, dass zu viel an medizinischen Maßnahmen auf den Intensivstationen getan werde.

Transparenz für Angehörige schaffen

Helfen soll die überarbeitete Richtlinie „Spendererkennung“ der Bundesärztekammer (BÄK), die seit September – wenn auch bislang etwas zu geräuschlos, wie Tagungsteilnehmer kritisierten – in Kraft ist. Danach soll bereits vor einer Entscheidung zur Therapiebegrenzung der Wille zur Organspende erkundet werden.

„Ich glaube wir können uns allen und den Patientenvertretern auch mehr zutrauen“, ermunterte er die Kollegen aus den Kliniken. Das Gespräch mit den Angehörigen sollte bereits stattfinden, wenn der Eintritt des Hirntods wahrscheinlich sei, so Hahnenkamp, der Mitautor der Richtlinie ist.

Wichtig sei dabei Transparenz, nicht nur über die medizinischen Maßnahmen, die ergriffen würden. Die Angehörigen sollten auch auf den zeitlichen Rahmen der Organspende bzw. dafür notwendigen intensivmedizinischen Maßnahmen vorbereitet werden.

Zu wenige besitzen einen Organspendeausweis

Dennoch appelliert auch Hahnenkamp, möglichst zu Lebzeiten selbst eine persönliche Entscheidung zur Organspende zu treffen und diese auch zu dokumentieren. Das hatten von den bei der DSO gemeldeten möglichen Organspendern im vergangenen Jahr allerdings gerade einmal 15 Prozent getan.

Hinzu kommen außerdem neue Zahlen, wonach tatsächlich mehr Gestorbene für eine Organspende infrage kommen könnten als bislang realisiert werden. Seit vergangenen Jahr müssen alle der rund 1200 Entnahmekrankenhäuser Daten für die „Todesfallanalyse“ bereitstellen.

Darin werden alle Todesfälle mit primärer oder sekundärer Hirnschädigung erfasst – damit maßgeblichen Kriterium pro postmortaler Organentnahme – sowie die Gründe, die eine Organspende verhindert haben. Nach einer ersten Auswertung der DSO hätten 2019 bundesweit doppelt so viele Menschen nach ihrem Tod Organspender werden können. (reh)



03.11.2020 – 11:13

Deutsche Stiftung Organtransplantation

DSO-Jahreskongress startet heute online mit über 700 Teilnehmern

Frankfurt am Main (ots)

-  Aktuelles zum Stand der Gesetzesreform - Transplantationsbeauftragte sind Wegbereiter  -  Zahl der Organspender trotz Coronavirus-Pandemie leicht steigend  

Die Jahrestagung der Deutschen Stiftung Organtransplantation (DSO) startet heute mit über 700 Anmeldungen in ihr dreitägiges virtuelles Programm. Besonders erfreulich: Knapp die Hälfte der registrierten Teilnehmer sind Transplantationsbeauftragte, die im Mittelpunkt der gesetzlichen Novellierungen vom letzten Jahr stehen. "Die Transplantationsbeauftragten sind unsere wichtigsten Partner im Organspendeprozess in den Kliniken", erklärt der Medizinische Vorstand der DSO, Dr. med. Axel Rahmel. "Daher liegt der Fokus beim Kongress auch darauf, was sich seit Inkrafttreten der gesetzlichen Regelungen in den Entnahmekrankenhäusern getan hat und was sich aus Sicht der Transplantationsbeauftragten noch verbessern müsste. Die große Resonanz bei den Anmeldungen bestätigt erneut unsere Ausrichtung auf eine praxisnahe Fortbildungsveranstaltung mit aktuellen Beiträgen aus Medizin und Politik und spiegelt zudem das gestiegene Interesse der Transplantationsbeauftragten wider, ihre neuen Aufgaben in den Kliniken als Wegbereiter für die Organspende bestmöglich wahrzunehmen."

Ziel des "Gesetzes zur Verbesserung der Zusammenarbeit und der Strukturen bei der Organspende" vom 1. April 2019 ist die Erhöhung der Organspendezahlen - und zwar primär durch strukturelle Änderungen bei der Erkennung möglicher Spender in den Kliniken. Eine wichtige Maßnahme, die Zahl der Organspenden zu erhöhen, ist dabei auch die seit letztem April gesetzlich vorgeschriebene Todesfallanalyse. Damit sind alle der rund 1.200 Entnahmekrankenhäuser verpflichtet, die Todesfälle mit primärer oder sekundärer Hirnschädigung zu erfassen und die Gründe zu eruieren, die eine Organspende verhindert haben. Eine erste Auswertung der bisher erstmals bundesweit eingegangenen Daten an die DSO zeigt, dass 2019 potenziell die Anzahl der Organspender hätte verdoppelt werden können. Dies verdeutlicht erneut, dass dem hiesigen Organspendemangel durch verbesserte Abläufe in den Kliniken weiter entgegengewirkt werden kann.

Eine andere Lücke bei der Erkennung möglicher Organspender schließt nun die seit Anfang September geltende neue Richtlinie Spendererkennung der Bundesärztekammer.

Sie rückt die frühzeitige Beachtung des Patentenwillens in den Mittelpunkt, sodass jeder Organspendewunsch auch umgesetzt werden kann. Prof. Dr. med. Klaus Hahnenkamp, Mitautor der Richtlinie, erläutert, dass es die Aufgabe der Ärzte sei, bereits zum Zeitpunkt eines zu erwartenden oder vermuteten Hirnfunktionsausfalls den möglichen Wunsch einer Organspende zu ermitteln. Das bedeute, diese Frage sei mit den Angehörigen zu klären - und zwar bevor die Einleitung einer palliativen Behandlung eine spätere Organspende ausschließe.

Eine bedeutende Neuerung brachte das Gesetz vom letzten April auch bei der Angehörigenbetreuung mit sich, die nun offiziell der DSO übertragen wurde. Anne-Bärbel Blaes-Eise, Koordinatorin der DSO-Region Mitte, ist froh über die rechtliche Grundlage für die damit verbundene Wertschätzung und Würdigung der Organspender und ihrer Familien. So ist es z.B. für die nächsten Angehörigen bzw. nahestehende Personen eines Organspenders wichtig zu erfahren, ob die gespendeten Organe transplantiert werden konnten und wie es den Organempfängern geht. "Sie haben so das Gefühl, dass dem plötzlichen Tod ein wenig von seiner Sinnlosigkeit genommen wurde," erklärt die Koordinatorin.

In den ersten 10 Monaten des Jahres gab es mit 793 postmortalen Organspendern eine leichte Steigerung von 2,3 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Im Gegensatz zu Spanien, wo die Zahlen im Frühjahr auf fast ein Viertel der früheren Aktivität zurückgingen, oder auch Italien mit einem zeitweisen 30-prozentigen Rückgang, konnten Organspende und Transplantation hierzulande relativ konstant weitergeführt werden. Dies liegt insbesondere an dem andauernden Engagement in den Kliniken, trotz der Krise an die Organspende zu denken. Dies zeigen auch die organspendebezogenen Kontakte zur DSO als Koordinierungsstelle, die bis Ende Oktober bei 2.626 Kontakten und damit um 4,1 Prozent über dem Vorjahr lagen.

In seinem 16. Jahr findet der DSO-Jahreskongress aufgrund der Coronavirus-Pandemie virtuell statt und bietet an drei Kongresstagen lebendigen Wissensaustausch zwischen Teilnehmern und Experten.

Weitere Informationen zu diesen Themen finden Sie hier:

www.dso.de/DSO-Kongress/Pages/Presse.aspx

Pressekontakt:

Birgit Blome, Bereichsleiterin Kommunikation
Nadine Körner, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Dr. Susanne Venhaus, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit Deutsche Stiftung Organtransplantation

Deutschherrnufer 52, 60594 Frankfurt am Main
Tel.: +49 69 677 328 9400, -9411, -9413; Fax: +49 69 677 328 9409, E-Mail: presse@dso.de, Internet: www.dso.de

Original-Content von: Deutsche Stiftung Organtransplantation, übermittelt durch news aktuell




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https://www.dso.de/DSO-Kongress/Pressematerial/PM_2_DSO%20Kongress%2003112020.pdf





Göttinger Organspendeskandal : Freigesprochener Arzt bekommt 1,2 Millionen Euro Entschädigung

  • Aktualisiert am 28.10.2020

Das Land Niedersachsen muss einem Mediziner rund 1,2 Millionen Euro Entschädigung zahlen. Zuvor war der Mann in einem Prozess um den Organspendeskandal an der Göttinger Uniklinik freigesprochen worden.

Im Verfahren um eine Entschädigung für den im Göttinger Organspendeskandal freigesprochenen Arzt ist das Land Niedersachsen dazu verurteilt worden, dem Mediziner rund 1,2 Millionen Euro zu zahlen. Das teilte eine Sprecherin des Oberlandesgerichts (OLG) Braunschweig am Mittwoch mit. Das Land hatte sich in dem Berufungsprozess am OLG gegen die Entschädigungszahlung an den Mediziner gewehrt. Das Oberlandesgericht bestätigte nun im Wesentlichen das Urteil des Landgerichts Braunschweig, das dem Arzt im vergangenen Jahr eine Entschädigung von rund 1,2 Millionen Euro zugesprochen hatte.

2015 war der frühere Chirurg an der Göttinger Uniklinik in einem bundesweit aufsehenerregenden Prozess vom Vorwurf des elffachen versuchten Totschlags und der dreifachen Körperverletzung mit Todesfolge freigesprochen worden. Zuvor hatte der heute Dreiundfünfzigjährige fast das komplette Jahr 2013 in Untersuchungshaft verbracht und wurde nach Zahlung einer Kaution von 500.000 Euro entlassen.

Seine Forderung nach der Millionen-Entschädigung begründete er nicht nur mit der U-Haft und Zinsschäden durch die Kaution von 500.000 Euro. Es ging ihm vor allem um ein verpasstes Gehalt von 50.000 US-Dollar pro Monat in Jordanien, wo er eine neue Stelle antreten wollte. Dieser Posten machte nach Angaben des Oberlandesgerichts mit circa 1,1 Millionen Euro den größten Teil der Klage aus.

Die Revision hat der Senat nicht zugelassen. Das Land kann innerhalb von vier Wochen Nichtzulassungsbeschwerde einlegen.

Quelle: dpa



MT 13.06.2020


Spenderlunge für Corona-Patientin

Die Pandemie bremst die Transplantationsmedizin weltweit aus. Doch wie ist die

Situation in Deutschland? Herzchirurg Jan Gummert aus Bad Oeynhausen klärt auf.


Carolin Nieder-Entgelmeier

Berlin/Bad Oeynhausen.

Die Ausbreitung des Coronavirus stellt die Transplantationsmedizin

weltweit vor gewaltige Herausforderungen. Vielerorts kann nur noch eingeschränkt gearbeitet werden. In Italien und Spanien sind die Zahlen der Organspenden massiv eingebrochen und in China wurden Transplantationen zeitweise sogar komplett ausgesetzt.

Gleichzeitig machen erste Erfolge bei Transplantationen bei Covid-19-Patienten Hoffnung. Doch wie ist die Situation in Deutschland?

„Da die Pandemie in Deutschland bislang sehr glimpflich verlaufen ist, konnte die Transplantationsmedizin ungehindert weiterarbeiten“, erklärt der ärztliche Direktor des Herz- und Diabeteszentrums (HDZ) NRW in Bad Oeynhausen, Jan Gummert. „Mir ist kein Fall bekannt, dass eine Transplantation aufgrund der Krise abgesagt werden musste.“

Zahlen der Deutschen Stiftung Organtransplantation (DSO) belegen die Einschätzung: „Im März und April ist es im Vergleich zum Vorjahr nicht zu einem deutlichen Rückgang der Organspende in Deutschland gekommen.“ Patienten müssen laut DSO nicht länger warten als vor der Krise. Insgesamt haben zwischen Januar und Mai 410 Menschen in Deutschland ein oder mehrere Organe gespendet. Im Vergleichszeitraum 2019 waren es 379 und 2018 396. Ein leichter Rückgang der Zahlen im April kann laut Gummert auch auf eine normale Schwankung zurückzuführen sein. „Bei den leider noch immer geringen Spenderzahlen in Deutschland lässt sich nicht sicher sagen, ob der leichte Rückgang im Vergleich zum Vorjahr auf die Pandemie zurückzuführen ist“, ergänzt Gummert. Auf eine Million Einwohner kommen in Deutschland etwa 11,5 Organtransplantationen.

Zum Vergleich: In Spanien sind es 48 auf eine Million Einwohner. In anderen Ländern sind die einbrechenden Zahlen der Organspenden hingegen eine deutlich sichtbare Folge der Pandemie. In Italien und Spanien sind die Zahlen mitunter um mehr als 50 Prozent zurückgegangen. „Das ist eine Folge der überlasteten Krankenhäuser. Die Krise hat die Gesundheitswesen der Länder so stark überfordert, dass nicht mehr alle Patienten, die auf eine intensivmedizinische Behandlung angewiesen waren, auch auf einer Intensivstation behandelt werden konnten“, erklärt Gummert. „In solchen Krisensituationen ist keine Zeit für Hirntod-Diagnostik, mit der Folge, dass mögliche Organspender nicht identifiziert werden.“ Da das Gesundheitswesen in Deutschland nach Angaben Gummerts zu keinem Zeitpunkt überlastet war, ist auch die Zahl der Organspenden stabil geblieben. „In Deutschland konnten alle Patienten, die auf intensivmedizinische Behandlung angewiesen waren, auch betreut werden. Es war also weiter Zeit für die Hirntod-Diagnostik, die mitunter mehrere Tage dauert.“ Trotz der stabilen Lage belastet die Pandemie auch die Transplantationsmedizin in Deutschland. Risikominimierung ist hier das wichtigste Stichwort. Organspender und -empfänger werden auf das Coronavirus getestet. Zudem wird bei beiden Gruppen auch nach Aufenthalten in Corona-Risikogebieten und Kontakt zu Infizierten oder Verdachtsfällen gefragt. Laut Gummert kann eine Infektion mit dem Coronavirus durch eine Organtransplantation unvorhersehbare Folgen für den Empfänger haben. „Eine aktive Infektion schließt Spende und Transplantation deshalb aus.“ Möglich sind aber offenbar auch Transplantationen bei Covid-19-Patienten, wenn diese nicht mehr infektiös sind. Im Allgemeinen Krankenhaus Wien gelang Ärzten im Mai die erste Lungentransplantation bei einer Covid-19-Patientin in Europa. Nach Angaben der Klinikleitung wäre die 45-jährige Patientin ohne Transplantation aufgrund eines schweren Lungenversagens gestorben. Grundsätzlich gilt laut DSO auch in der Corona- Krise für alle Patienten, die auf ein Spenderorgan warten, der Grundsatz, dass die Entscheidung über die Transplantation nur unter sorgfältiger Abwägung von Nutzen und Risiko für den Empfänger erfolgt. Spätestens seit der Transplantation bei der Covid-19-Patientin in Wien stellen sich Experten die Frage, ob das Coronavirus den Bedarf an Transplantationen erhöhen wird. Trotz der noch vielen offenen Fragen zum Virus beobachten Intensivmediziner, dass Covid-19 nicht nur die Lunge, sondern auch andere Organe wie das Herz oder die Nieren schwer schädigen kann. „Trotzdem kann aktuell niemand seriös abschätzen, ob der Bedarf an Transplantationen steigen wird“, sagt Gummert. Doch auch wer ein dringend benötigtes Organ erhalten hat, ist durch das Coronavirus weiterhin in Gefahr,weil Transplantierte zur Hochrisikogruppe zählen. Insbesondere in Ländern, in denen das Gesundheitssystem überfordert wurde, lag die Mortalität transplantierter Patienten laut der Deutschen Transplantationsgesellschaft nochmals höher.





Wachsendes Interesse an Organspende

22.05.2020

Hamburg – Immer mehr Menschen setzen sich offenbar mit dem Thema Organspende auseinander. Von Januar bis Ende April dieses Jahres gingen bei der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) Bestellungen für rund 2,23 Millionen Organspende­aus­weise ein, wie der Spiegel berichtet.

Im Vergleich zum Vorjahreszeitraum (1,69 Millionen) entspricht das einem Anstieg von 33 Prozent. Auch die Nachfrage nach Informationsbroschüren mit integriertem Ausweis wuchs demnach. Die Daten gehen aus einer Antwort des Bun­des­ge­sund­heits­mi­nis­ter­iums auf eine Frage von Grünen-Parteichefin Annalena Baerbock hervor.

Im Januar hatte der Bundestag über eine Neuregelung der Organspende entschieden. Die Mehrheit im Parlament stimmte für ein Modell, das Baerbock mitentwickelt hatte: Die Be­reitschaft zur Organspende kann von 2022 an in ein Onlineregister eingetragen werden.

„Das Interesse an Organspendeausweisen ist deutlich gewachsen“, sagte die Grünen-Vor­sitzende. Damit es zu mehr Transplantationen komme, müsse das neue Register jetzt „zü­gig kommen“. Das Ge­sund­heits­mi­nis­terium hat zu dessen Umsetzung eine Projektgruppe einrichten lassen, die von Sicherheits- und Datenschutzexperten begleitet wird.

Die öffentliche Diskussion zum Thema hat nach Einschätzung der Deutschen Stiftung Organtransplantation (DSO) zu vermehrtem Interesse geführt. Die Zahl der Organspender stieg laut DSO in den ersten vier Monaten 2020 im Vorjahresvergleich um 11,5 Prozent auf 330 Spender.

Im April hatte die DSO zudem gewarnt, durch die Coronapandemie könnte sich die Situation wieder verschärfen. In Nachbarländern sei die Zahl der Organspenden teils deutlich zurückgegangen. © kna/aerzteblatt.de




17.05.2020

Corona bremst Organspenden

Die Pandemie erschwert Transplantationen, Lebendspenden sind teilweise ausgesetzt. Weil die Kliniken jetzt wieder mehr operieren, werden auch mehr Blutspender gesucht.

Die Deutsche Stiftung Organtransplantation verzeichnete im ersten Quartal 2020 noch 41 postmortale Organspender mehr als im Vorjahr. Das entspricht einem Anstieg von 16,1 Prozent in Deutschland. Aktuelle Zahlen liegen noch nicht vor, so lässt sich noch nicht genau sagen, ob und inwieweit sich die Corona-Krise auf die Organspende auswirkt. In Deutschland gibt es aber nach Angaben der Deutschen Stiftung Organtransplantation noch genügend Intensivkapazitäten in den Kliniken. „Nach unseren Erfahrungen in den vergangenen Wochen denken die Entnahmekrankenhäuser weiterhin an die Organspende. Organspender werden weiterhin gemeldet und Organtransplantationen finden weiterhin statt“, sagte eine Sprecherin dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). Derzeit ist auch ein negativer Sars-CoV-2-Befund bei einer klinischen Untersuchung für eine Organspende notwendig.

Gleichwohl könnte die Corona-Krise laut Dr. Axel Rahmel, Medizinischer Vorstand der Deutschen Stiftung Organtransplantation, zu einem Rückgang der Spender und Transplantationen führen: „Derzeit stellt die Coronavirus-Pandemie unser gesamtes Gesundheitssystem vor bisher nicht gekannte Herausforderungen, die möglicherweise auch an der Organspende und Transplantation nicht spurlos vorbeigehen werden“, sagt er. In Italien, in den USA, aber auch in anderen Ländern gebe es jedoch dramatische Rückgänge um bis zu 30 Prozent.

Während Verstorbenen-Organspenden noch möglich sind, ist die sogenannte Lebendspende in vielen deutschen Transplantationszentren eingestellt worden, so die Sprecherin. Bei einer Lebendspende spenden Angehörige beispielsweise eine ihrer Nieren oder einen Teil ihrer Leber. Sie müssen dafür Verwandte ersten Grades (Eltern, Großeltern) oder zweiten Grades (Tanten, Onkel) des Empfängers sein oder ein sehr enges Verhältnis zu ihm haben. Derzeit werde die Lebendspende nur in Ausnahmefällen durchgeführt. „Nicht nur in Deutschland, sondern auch weltweit ist man bei der Lebendspende aktuell sehr zurückhaltend“, sagte die Sprecherin.

Wieder mehr Operationen

Anfang März waren die Blutkonserven im Zuge der Corona-Krise knapp: Die Zahl der Blutspender ging stark zurück, der Bedarf an Blutkonserven konnte nach Angaben des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) nicht gedeckt werden. Der DRK-Blutspendedienst konnte zudem vielerorts nicht mehr auf vorherige Spendeorte wie Schulen, Turnhallen und Gemeindehäuser zurückgreifen, da diese geschlossen wurden. Und Menschen hatten hinsichtlich einer möglichen Ansteckung mit dem Coronavirus beim Blutspenden Bedenken. Doch darüber müssen sich potenzielle Spender laut DRK und der Deutschen Gesellschaft für Transfusionsmedizin und Immunhämatologie keine Sorgen machen: Bei der Blutspende seien die hohen Hygienestandards noch verschärft worden. Da gerade in Corona-Zeiten Blutspenden benötigt werden, wurden bundesweit zahlreiche Aufrufe gestartet.

„Die Aufrufe haben gefruchtet: Wir haben derzeit bundesweit genügend Spender“, sagte ein Sprecher des DRK-Blutspendedienstes dem RND. Seit dem Beginn der Corona-Krise habe das DRK trotz der anfänglichen Rückgänge einen Anstieg an Erstspendern und jungen Spendern erlebt. Seit Ende März gab es keine Engpässe mehr, so der DRK-Sprecher, was nicht zuletzt auch an den Maßnahmen der Krankenhäuser gelegen hat, den Blutverbrauch zu reduzieren. So wurden nicht dringende Operationen verschoben. Der Blutverbrauch lag demnach Ende März um etwa 30 Prozent niedriger als vor der Corona-Krise.

Nun wollen die Kliniken allerdings angesichts der schrittweisen Lockerung der Corona-Maßnahmen auch ihren Betrieb langsam wieder hochfahren. Vorher verschobene Operationen, für die Blutkonserven benötigt werden, sollen also nach und nach wieder durchgeführt werden. Der Blutspende-Bedarf werde also nun langsam wieder steigen, sagte der DRK-Sprecher: „Somit sind wir auch auf mehr Spender angewiesen.“

Von Ben Kendal



NW 15.04.2020

17künstliche Lungen stehen bereit

Das Herz- und Diabeteszentrum hat die speziellen Beatmungsgeräte schon seit Jahren im Einsatz. Jetzt wird auch ein Corona-Patient mit Lungenversagen damit behandelt.

Heidi Froreich

Bad Oeynhausen. Einer der Patienten, die jetzt mit einer Corona-Infektion auf der Intensivstation des Herz- und Diabeteszentrums NRW behandelt werden, erfordert besondere Behandlungskompetenz. Weil seine Lunge infolge der Infektion versagt, braucht er eine sogenannte extrakorporale Membranoxygenierung (ECMO): „Das ist eine künstliche Lunge“, erläutert Jan Gummert, Ärztlicher Direktor des HDZ. Und diese speziellen Beatmungsgeräte gibt es längst nicht auf jeder Intensivstation eines Krankenhauses. 17 solcher Geräte stehen im HDZ zur Verfügung.“Sie wurden nicht eigens für die Behandlung von Patienten angeschafft, die mit einer schweren Coronavirusinfektion stationär bei uns aufgenommen werden“, betont Gummert. Vielmehr sei die ECMO-Therapie ein seit vielen Jahren im HDZ eingesetztes, bewährtes Verfahren. Technisch ähnelt das Gerät einer Herz-Lungen Maschine und wie diese kommt es am HDZ auch in anderen Notfällen zum Einsatz. Beispielsweise bei schwerherzkranken Patienten, die eine notfallmäßige mechanische Kreislaufunterstützung brauchen. „Wir betreten kein Neuland“, betont Gummert. Allerdings könnten bei Covid19-Patientenaufgrund von Begleiterkrankungen oder aufgrund der Behandlungsdauer Besonderheiten auftreten. „Daher stehen unsere Behandlungsteams im engen Austausch mit Kollegen aus anderen Ländern, in denen bereits sehr viele Covid-19-Patienten mit ECMO behandelt worden sind. Unschätzbar wertvoll sei es dabei in diesen Tagen, sich auf die große Erfahrung der Mitarbeiter der HDZ-Intensivstationen und der fachärztlichen Kollegen wie Lukasz Kizner (Leiter der herzchirurgischen Intensivstationen), Jost Niedermeyer (Spezialist in der Behandlung von Lungenerkrankungen) und Vera von Dossow (Direktorin des Instituts für Anästhesiologie und Schmerztherapie) verlassen zu können. Ebenso habe sich das Konzept, die verschiedenen Fachbereiche im HDZ gemeinsam zur bestmöglichen Therapie interdisziplinär zu bündeln (die NW berichtete), bewährt. „Das ist bei der Covid19-Behandlung nicht anders. Pflege, Kardiologie, Innere Medizin, Diabetologie, Anästhesiologie,Labormedizin und viele weitere Disziplinen sind beteiligt“, betont der Ärztliche Direktor. „Eine künstliche Lunge wird nur bei einem von 200 Patienten mit schwerster Coronavirus- Infektion benötigt“, stellt er klar. Weil die Infektion eben nur ganz selten zu einem Totalversagen der Lunge führt. Immerhin 80 Prozent erleben einen grippeähnlichen Verlauf ohne Notwendigkeit einer Behandlung im Krankenhaus. Bei 15 Prozent der Infizierten reichen während der Krankenhausbehandlung zusätzliche Sauerstoffgaben aus. Fünf Prozent liegen auf einer Intensivstation, weil sie wegen der schweren Lungenerkrankung beatmet werden müssen. Hierbei wird ein Schlauch, der über Mund oder Nase bis in die Luftröhre geschoben wird, mit einer Beatmungsmaschine verbunden. Derzeit sind es zwei Patienten im Herz-und Diabeteszentrum, die aufgrund ihrer schweren Lungenerkrankung auf diese invasive Form der Beatmung angewiesen sind. Ein weiterer Patient wird derzeit zusätzlich mit einer ECMO behandelt; ein vierter Patient benötige lediglich Sauerstoffgaben. 89 Intensivbetten mit Beatmungsgeräten stehen derzeit im HDZ bereit, elf Betten stellt das Klinikum aktuell für intensivpflichtige Covid-19-Patienten zur Verfügung, darüber hinaus weitere neun Betten im Isolationsbereich mit Möglichkeit einer Sauerstoffversorgung per Maske. „Wir sind auf steigende Infektionszahlen vorbereitet“, betont Gummert. Und deshalb seien vorsorglich Operationen bei Patienten,bei denen„ für mindestens zwei Monate ein stabiler Zustand zu erwarten sei“, abgesagt worden. „Aber Patienten mit akuten Herzbeschwerden kommen nicht zu kurz“, stellt er klar, eine notfallmäßige Behandlung sei jederzeit garantiert. Und falls die Patienten nach einem Eingriff eine intensivmedizinische Behandlung brauchen,ist auch die gewährleistet. Gummert: „Für unsere Herz-Notfälle halten wir immer Betten bereit. Und natürlich auch Kreislaufunterstützungssysteme.“

 

 

 

Deutschen Stiftung Organtransplantation

Mehr Organspenden - Transplantationsgesellschaft noch unzufrieden

Veröffentlicht: 13.04.2020, 12:03 Uhr


Berlin. Die Zahl der Organspenden hat in den ersten drei Monaten des Jahres offenbar deutlich zugenommen. Wie die „Augsburger Allgemeine“ unter Berufung auf Daten der Deutschen Stiftung Organtransplantation (DSO) berichtete, spendeten im ersten Quartal 260 Menschen postmortal ihre Organe. Das entspricht demnach einem Zuwachs von 16 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum.

„Wir sehen die Entwicklung als positives Zeichen“, sagte Axel Rahmel, Medizinischer DSO-Vorstand, der Zeitung. Er erklärt sich den Anstieg unter anderem mit der öffentlichen Diskussionen um eine Organspende-Reform.

Der Bundestag hatte Mitte Januar eine moderate Neuregelung beschlossen: Die Menschen in Deutschland sollen auch künftig nicht automatisch als Organspender gelten. Allerdings soll eine stärkere Aufklärung mehr Bürger zu konkreten Entscheidungen für eine Spende bewegen.

Unabhängig von diesen Zahlen monierte am Wochenende die Deutsche Transplantationsgesellschaft (DTG), dass das bereits seit einem Jahr geltende Gesetz für bessere Organspende-Bedingungen in den Kliniken noch keine grundlegenden Fortschritte zeige. So verwies die DTG auf Anfrage darauf, dass wichtige Teile wie eine bessere Organisation der Hirntoddiagnostik noch nicht umgesetzt seien. „Im internationalen Vergleich können in Deutschland nur ein Drittel bis ein Viertel der anderswo üblichen Transplantationen durchgeführt werden“, sagte DTG-Vorstandsmitglied Bernhard Banas.

Das am 1. April 2019 in Kraft getretene Gesetz sieht mehr Zeit und mehr Geld für die Kliniken vor, um zu mehr Organspenden zu kommen. Transplantationsbeauftragte der Häuser sollen zum Beispiel von anderen Aufgaben befreit sein. Und ein neuer Bereitschaftsdienst mit mobilen Ärzteteams soll sichern, dass der Hirntod als Voraussetzung für Entnahmen überall festgestellt werden kann - auch in kleinen Häusern. Die Akteure des Gesundheitswesens sollen bis Ende 2020 eine geeignete Einrichtung mit der Organisation dafür beauftragen.

Dieser „Neurodienst“ sei allerdings noch nicht etabliert, merkt dazu die Deutsche Krankenhausgesellschaft an. „Derzeit haben wir noch keinen umfassenden Überblick, welchen Effekt die Neuregelungen hatten.“ Die leicht erhöhte Zahl von Organspenden im Vergleich zum Vorjahreszeitraum stimme zwar optimistisch, lasse aber eine fundierte Bewertung noch nicht zu. (dpa)

 

Anstieg bei Organspenden in Deutschland

Montag, 13. April 2020


Augsburg – Die Zahl der Organspenden in Deutschland hat sich seit Beginn des Jahres er­höht. Im ersten Quartal spendeten 260 Menschen postmortal ihre Organe, wie die Augsbur­ger Allgemeine unter Berufung auf Daten der Deutschen Stiftung Organtransplantation (DSO) be­richtet.

Auch die Zahl der Organspendeausweise erhöhte sich demnach deutlich. Der Zu­wachs bei den Organspenden liegt demnach bei 16 Prozent. „Wir sehen die Entwick­lung als positives Zeichen“, sagte Axel Rahmel, Medizinischer Vorstand der DSO, der Zeitung.

Die erhöhte Bereitschaft zur Organspende wurde nach Rahmels Einschätzung auch die Dis­kussion um die Widerspruchslösung ausgelöst, die Bun­des­ge­sund­heits­mi­nis­ter Jens Spahn (CDU) geplant hatte. Deren Einführung hätte dazu geführt, dass jeder Bürger nach seinem Tod potenzieller Organspender geworden wäre, wenn er dem nicht aktiv widersprochen hätte.

Zwar scheiterte der Vorstoß letztlich im Bundestag. Die Debatte um die Widerspruchs­lösung habe die Öffentlichkeit jedoch die für das Thema sensibilisiert, sagte Rahmel.

Dafür spreche auch ein Anstieg bei den Organspendeausweisen, sagte der Experte. Allein im Januar haben demnach 740.000 Menschen einen Organspendeausweis bestellt doppelt so viele wie dies durchschnittlich im Monat der Fall ist. © afp/aerzteblatt.de


 

 

 

MT 10.04.2020

Zahl der Organspender sinkt

 

2019 haben in Deutschland 932 Menschen nach ihrem Tod für 

eine Transplantation gespendet. Patienten auf den Wartelisten 

sind aktuell besonders gefährdet.

 

Carolin Nieder-Entgelmeier

Berlin/Bad Oeynhausen. 932 Organspender haben im vergangenen Jahr 2.995 Organe gespendet und Leben gerettet. Die Zahl der Organspender in Deutschland ist damit erneut rückläufig. Der Blick auf die Entwicklungen der vergangenen Jahre zeigt nach einem deutlichen Plus im Jahr 2018 nun einen aktuellen Rückgang um 2,4 Prozent. Die ersten beiden Monate 2020 zeigten dagegen wieder eine deutliche Steigerung, doch mit Ausbruch des Coronavirus ist nach Angaben der Deutschen Stiftung Organtransplantation (DSO) aktuell unklar, wie sich die Zahl entwickeln wird.

Fest steht hingegen, dass das Coronavirus für die Menschen, die auf ein Organ warten oder bereits transplantiert wurden, ein besonderes Risiko darstellt, erklären die DSO-Vorstände Axel Rahmel und Thomas Biet. Zudem befürchten die Experten Einschränkungen der Organtransplantationstätigkeit aufgrund der Pandemie.

Damit rechnet auch Deutschlands größtes Herztransplantationszentrum, das das Herz- und Diabeteszentrum (HDZ) NRW in Bad Oeynhausen. „Durch Besuchsverbote in den Krankenhäusern sind zum Beispiel Gespräche zwischen Ärzten und Angehörigen von Verstorbenen erschwert. Auch sind die Pflegekräfte und Ärzte schon jetzt überlastet und mit vielen zusätzlichen Aufgaben konfrontiert. Diese schwierige Situation wird dazu führen, dass noch weniger potenzielle Organspender überhaupt als solche identifiziert werden“, erklärt der ärztliche Direktor des HDZ, Jan Gummert. „Das ist keine Kritik am Vorgehen der Krankenhäuser, denn Besuchsverbote sind zum Schutz der Patienten und Mitarbeiter wichtig. Vielmehr wird es sich bei einem tatsächlichen Rückgang der Zahl der Organspenden um einen Kollateralschaden als Folge der Coronavirus-Ausbreitung handeln.“

Einige Länder, wie zum Beispiel China, haben Organtransplantationen während der Krise teilweise ausgesetzt. Doch auch während der Krise gibt es Patienten, die dringend auf eine lebensrettende Organspende angewiesen sind. Aktuell warten nach Angaben der Stiftung Eurotransplant 9.004 schwer kranke Menschen in Deutschland auf ein Spenderorgan.

Viele Patienten stehen schon länger auf der Warteliste, andere sind während der Wartezeit im vergangenen Jahr verstorben, weil die Zahl der Organspenden nicht ausreicht. Ein Blick auf die Warteliste für Spenderherzen zeigt, dass viele Patienten die lange Wartezeit nicht überleben. 2019 haben 599 Patienten in Deutschland auf ein Spenderherz gewartet, doch nur 344 von ihnen konnten auch transplantiert werden. 101 Patienten sind 2019 verstorben.

Erstmals veröffentlicht die DSO in diesem Jahr auch Zahlen zu Transplantationen bei Kindern bis 15 Jahre. „Für Kinder und ihre Familien ist allein schon die Wartezeit eine große psychische Belastung“, erklären die DSO-Vorstände Axel Rahmel und Thomas Biet. 2019 standen 340 Kinder auf der Warteliste für ein Organ, die meisten für eine Leber und eine Niere. Die Lebendspende ist laut DSO für die Transplantation bei Kindern eine lebenswichtige Alternative zur postmortalen Spende. 22 Prozent der Nierentransplantationen und 32 Prozent der Lebertransplantationen seien 2019 aufgrund einer Lebendspende ermöglicht worden.

Doch auch Kinder sind auf Organspenden nach dem Tod angewiesen. Vor allem für junge Patienten mit angeborenen oder erworbenen Herzerkrankungen stellt das laut DSO die einzige Therapie dar. Doch in den vergangenen zehn Jahren sind bereits 95 Kinder auf der Warteliste für ein Herz gestorben. Über die Hälfte der Todesfälle waren Kinder im Alter bis drei Jahre.

Die Bereitschaft, Organe nach dem Tod zu spenden, soll in Deutschland künftig regelmäßig erfragt werden. Das hat der Deutsche Bundestag mit einem Gesetz zur Stärkung der Entscheidungsbereitschaft beschlossen. Künftig soll eine Erklärung auch in Ausweisstellen möglich sein. Nach wie vor ist jedoch das Ausfüllen eines Organspendeausweises wichtig. Das ist online möglich: www.organspende-info.de


 

Dienstag, 7. April 2020

Frankfurt am Main – Kinder und Jugendliche zwischen 0 und 15 Jahren, die eine Trans­plantation benötigen, sind besonders auf Organspenden aus dem Ausland angewiesen. Das geht aus dem neuen Jahresbericht 2019 der Deutschen Stiftung Organtransplanta­tion (DSO) hervor.

Bei der Nierentransplantation der Kinder in der Altersgruppe der 0 – 15-Jährigen kamen laut dem Bericht 34 Prozent aus dem Ausland. Bei Erwachsenen waren es im Berichtsjahr 17 Prozent der Organe. 54 Kinder kamen demnach neu auf die Liste für eine Herztrans­plantation. 61 Kinder wurden von der Liste genommen, davon zehn, weil sie starben.

„Wie auch bei den Erwachsenen macht die Kardiomyopathie bei den Kindern circa 60 Pro­zent der Indikationen für eine Herztransplantation aus“, berichten die Autoren des DSO-Jahresberichtes. 111 Kinder kamen 2019 auf die Liste für Nierentransplantationen, 93 Kinder konnten von der Liste genommen werden.

„Die Fehlbildung der Niere mit Zysten und die chronische Nierenkrankheit bilden die zwei häufigsten Indikationen für eine Nierentrans­plantation sowohl bei den Erwachsenen (33 Prozent) als auch bei den Kindern (52 Prozent)“, so die Autoren.

177 Kinder kamen neu auf die Liste für die Lebertransplantationen, 124 konnten von der Liste genommen werden. „Bei den Kindern sind die drei Hauptdiagnosen (63 Prozent): angeborene Fehlbildung, Fibrose/Zirrhose und Leberversagen“, berichten die Autoren.

„Die Lebendspende ist für die Transplantation bei Kindern eine lebenswichtige Alterna­ti­ve zur postmortalen Spende“, heißt es in dem Jahresbericht. 22 Prozent der Nieren­trans­plantationen und 32 Prozent der Lebertransplantationen wurden aufgrund einer Lebend­spende ermöglicht.

Bei der Leber wurden weitere 32 Prozent der Transplantationen aufgrund eines Leber­splits ermöglicht. „Diese Alternativen gibt es bei der Herztransplantation nicht, so dass die Todesfälle hier höher sind“, so die DSO. © hil/aerzteblatt.de


 

Westfalen Blatt 28.03.2020

 

Transplantationen: HDZ erwartet Rückgang

 

Lebensnotwendige Operationen: Klinik setzt Programm für 

Herz und Lunge bis auf Weiteres fort

 

Bad Oeynhausen (WB).

17 Herzen und zwei Lungen sind in diesem Jahr bereits erfolgreich

am Herz- und Diabeteszentrum (HDZ) NRW in Bad Oeynhausen

transplantiert worden. Ob es wie im Vorjahr wieder 99

Transplantationen werden, wagt Prof. Dr. Jan Gummert, Direktor

der Klinik für Thorax- und Kardiovaskularchirurgie am HDZ, zu

bezweifeln: „Das hat vor allem mit der Entnahme der

Spenderorgane zu tun, die derzeit alle Fachgesellschaften

gemeinsam mit dem Robert-KochInstitut und dem

Bundesgesundheitsministerium angesichts der dynamischen

Entwicklung der Coronavirusinfektion laufend bewerten müssen.“

Nach dem Prinzip der Risikominimierung werde für jeden

Patienten der Nutzen einer Transplantation gegenüber dem

bestehenden Infektionsrisiko abgewägt, das gelte grundsätzlich

für alle lebensrettenden Operationen, die derzeit am HDZ NRW

durchgeführt werden. „Dabei muss ausgeschlossen werden, dass

ein Patient ein Spenderorgan eines infizierten Verstorbenen

erhält.“ Denn hochdosierte Medikamente, die der Patient stets zur

Vermeidung einer Abstoßungsreaktion erhält, schwächen die

Immunabwehr und erhöhen damit das Risiko einer Infektion.

Sowohl Spender, als auch Empfänger werden deshalb vor der

Transplantation – soweit möglich – auf das SARSCoV-2-Virus

getestet. Ist das Ergebnis in beiden Fällen negativ, kann

transplantiert werden. Ein chirurgisches Entnahmeteam aus dem 

Herz- und Diabeteszentrum entnimmt das Spenderorgan in einer

auswärtigen Klinik und bringt es nach Bad Oeynhausen. Auch hier

werden strenge Hygienerichtlinien eingehalten. „Derzeit spricht

nichts dagegen, unsere Teams wie gewohnt zur Entnahme in

andere Häuser zu schicken“, sagt Prof. Gummert. „Aber die

Situation kann sich natürlich täglich ändern, daher stimmen wir

uns derzeit laufend mit allen Fachgesellschaften ab und folgen den

Empfehlungen.“

Da europaweit alle Krankenhäuser ein Besuchsverbot

ausgesprochen haben und man sich mit Hochdruck auf eine

zunehmende Aufnahme Schwerkranker vorbereiten müsse, sei

durchaus zu befürchten, dass in diesem Jahr weniger potenzielle

Organspender gefunden werden könnten. „Die Situation ist

momentan schwierig, in einigen deutschen

Transplantationszentren pausieren aktuell bereits die

Lebendspende-Programme,“ sagt Gummert, der mit weiteren

Auswirkungen der Coronavirus-Ausbreitung auf die medizinische

Versorgung der Bevölkerung rechnet. Davon sei die

Transplantationsmedizin leider nicht ausgenommen

 

Mindener Tageblatt 23.03.2020

 

Hohes Risiko bei 

 

Organtransplantation

 

In Deutschland werden in einigen Transplantationszentren bereits Lebendspendeprogramme

ausgesetzt.

Das bleibt nicht folgenlos. Denn aktuell warten 9.004 Menschen in Deutschland auf ein

Spenderorgan.

Carolin Nieder-Entgelmeier

Berlin/Bad Oeynhausen. Die Ausbreitung des Coronavirus stellt das Gesundheitswesen

vor gewaltige Herausforderungen.

Die Krankenhäuser in Deutschland bereiten sich aktuellauf steigende Infektionszahlen

und Patienten mit schweren Krankheitsverläufen vor. Noch nicht absehbar sind die

Folgen für die Transplantationsmedizin in Deutschland, denn China und andere Länder

haben wegen der Ausbreitung des Virus Organtransplantationen zeitweise komplett

ausgesetzt. Droht dieses Szenario

auch den 9.000 Menschen in Deutschland, die aktuell auf ein neues

Organ warten? „Aktuell läuft das System der Organtransplantationen

in Deutschland weiter. Ein Aussetzen der Organentnahmetätigkeit wird aber über

Ländergrenzen hinweg diskutiert“, erklärt der ärztliche Direktor des Herz und

Diabeteszentrum (HDZ) NRW in Bad Oeynhausen, Jan Gummert. Die

Entscheidung über die Transplantation jedes Empfängers erfolgt nach

Angaben der Deutschen Stiftung Organtransplantation (DSO) weiter unter sorgfältiger

Abwägung von Nutzen und Risiko für den Empfänger.„Aktuell wird dabei auch das

Risiko einer möglichen SARS-CoV-2-Infektion

berücksichtigt“, sagt Gummert. „Organspender und -empfänger werden getestet. Zudem

wird zur Risikominimierung bei beiden Gruppe auch nach Aufenthalten in Corona-

Risikogebieten und Kontakt zu Infizierten oder Verdachtsfällen gefragt.“ Solange diese

Risikominimierung noch umsetzbar sei, hält Gummert eine Aussetzung der

Organentnahmetätigkeit in Deutschland nicht für nötig. „Wenn wir es schaffen, das

Infektionsrisiko für den Empfänger

unter Kontrolle zu halten.“ Laut Gummert kann eine SARSCoV-

2-Infektion durch eine Organtransplantation unvorhersehbare Folgen für den Empfänger

haben. „Bei Empfängern einer Organspende sorgen Medikamente dafür, dass das

Spenderorgan nicht abgestoßen sind. Dadurch ist ihr Immunsystem extrem geschwächt,

doch gerade das ist im Kampf gegen Infektionskrankheiten überlebenswichtig. Deshalb

ist die Risikominimierung einer SARS-CoV- 2-Infektion bei Organtransplantationen so

wichtig.“

Allerdings sind nach Angaben des Mediziners derzeit viele Fragen offen.

„Wenn in Österreich ein Spenderorgan zur Verfügung steht und wir ein Team schicken,

muss es dann nach der Rückkehr in häusliche Quarantäne? Das wäre für uns nicht

machbar, da wir derzeit auf alle Mitarbeiter angewiesen sind“, sagt Gummert.

Empfehlungen für eine spezifische Behandlung oder Veränderung der Behandlung bei

SARS-CoV-2-infizierten Organtransplantierten existieren

nach Angaben der Deutschen Transplantationsgesellschaft (DTG) ebenfalls

nicht. „Wir wissen auch noch nicht, welche Folgen auftreten, wenn das Herz eines

Infizierten transplantiert wird“, sagt Gummert. „Bei einer Lungentransplantationen wäre

eine Infektion des Spenders aber vermutlich

tödlich.“ Für das weitere Vorgehen der Organtransplantationen in Deutschland

stimmen sich aktuell das Bundesgesundheitsministerium, das Robert-

Koch-Institut und die Bundesärztekammer mit der DTG und der DSO ab. Ein Aussetzen

von Organentnahmetätigkeit hätte nach Angaben der DTG tiefgreifende Konsequenzen

für die Organtransplantation in Deutschland und für Patienten mit lebensbedrohlichen

Organversagen. Aktuell stehen laut der Stiftung Eurotransplant 9.004 Menschen in

Deutschland auf der Warteliste.

„Zum jetzigen Zeitpunkt kann ein Aussetzen von Organentnahmetätigkeit

nicht empfohlen werden“, erklärt ein Sprecher. „Da sich diese Einschätzung bei der

dynamischen Entwicklung aber ändern kann, kann dies künftig nicht ausgeschlossen

werden.“ In anderen Ländern ruhen aktuell bereits Transplantationsprogramme für

einzelne Organe. In Deutschland pausieren in einigen Transplantationszentren bereits

Lebendspendeprogramme.

Die DTG weist daraufhin, dass Transplantationen wie die Nierenlebendspende

verschoben werden können, wenn das für Patienten ohne größere Probleme

möglich ist. In Deutschlands größtem Herztransplantationszentrum,

dem HDZ in Bad Oeynhausen, wurden in diesem Jahr 17 Spenderherzen und zwei

Spenderlungen transplantiert. Gummert rechnet allerdings damit, dass

die Zahl der Organspenden in den nächsten Wochen zurück gehen wird.

„Durch Besuchsverbote in den Krankenhäusern sind zum Beispiel Gespräche

zwischen Ärzten und Angehörigen von Verstorbenen erschwert. Auch sind die

Pflegekräfte und Ärzte schon jetzt überlastet und mit vielen zusätzlichen Aufgaben

konfrontiert. Diese schwierige Situation wird dazu führen, dass noch weniger potenzielle

Organspender überhaupt als solche identifiziert werden“, erklärt der Mediziner. „Das ist

keine Kritik am Vorgehen der Krankenhäuser,

denn Besuchsverbote sind zum Schutz der Patienten und Mitarbeiter wichtig. Vielmehr

wird es sich bei einem tatsächlichen Rückgang der Zahl der Organspenden um einen

Kollateralschaden als Folge der Coronavirus-Ausbreitung handeln.“

 

3.3.2020

Diabetiker können unter Voraussetzungen Blut und Organe spenden. Die Stoffwechselkrankheit sollte im Spenderausweis vermerkt werden.

Berlin.   Auch Menschen mit Typ-1- oder Typ-2-Diabetes können Organe und Gewebe spenden, betont „diabetesDE – Deutsche Diabetes-Hilfe“ in einer Mitteilung zur aktuellen Organspende-Diskussion.

Bei chronischen Erkrankungen würden Ärzte aber individuell anhand des Zustands der Organe über ihre Eignung entscheiden. Spendenwillige sollten die Stoffwechselkrankheit aber im Organspendeausweis unter „Platz für Anmerkungen/Besondere Hinweise“ vermerken.

Diabetiker mit Insulintherapie kommen als Blutspender allerdings nicht infrage, berichtet die Organisation. Und von einer Stammzellenspende sind Menschen mit Diabetes wegen der erhöhten Risiken für Spender generell ausgeschlossen.

Menschen mit Diabetes können auch selbst damit konfrontiert werden, ein Spenderorgan zu benötigen, betont die Organisation in der Mitteilung. Das gilt zum Beispiel bei chronischem Nierenversagen aufgrund einer Nephropathie.

„Prinzipiell schließen nur wenige Erkrankungen eine Organ- und Gewebespende grundsätzlich aus“, wird Professor Thomas Haak vom Vorstand der Organisation in der Mitteilung zitiert. Das gelte zum Beispiel bei einer akuten Krebserkrankung oder bei positiv auf HIV getesteten Personen, betont der Chefarzt am Diabetes Zentrum Mergentheim. (eb)

 

 

Pressemitteilungen HDZ Bad Oeynhausen

20.02.2020 – Pressemitteilungen

Mehr Lebensqualität für herzkranke Kinder

Weltweite Innovation zur mobilen Herzunterstützung erstmals in Bad Oeynhausen eingesetzt

Die kleine Barbare (5) ließ sich nicht aus der Ruhe bringen, als Dr. Eugen Sandica, Direktor der Klinik für Kinderherzchirurgie und angeborene Herzfehler am Herz- und Diabeteszentrum NRW (HDZ NRW), Bad Oeynhausen, eine neue Epoche der künstlichen Herzunterstützung für Kinder und Jugendliche einleitete: Der erfahrene Herzspezialist nahm in dieser Woche das weltweit erste und einzige, nur 15 Kilogramm leichte und leistungsfähigste Antriebssystem (Excor® Active, Berlin Heart) für eine mobile Herzunterstützung in Betrieb. Schwer herzkranken Kindern wie Barbare bietet es künftig eine größere Bewegungsfreiheit und eine deutlich verbesserte Lebensqualität.

„Auf diesen riesigen technischen Fortschritt haben wir lange gewartet“, sagt Dr. Sandica, der im Bad Oeynhausener Kinderherzzentrum und Zentrum für angeborene Herzfehler Hand in Hand mit der Kinderkardiologie das gesamte Spektrum der Therapiemöglichkeiten für herzkranke Kinder und Jugendliche anbietet. „Vor allem kleine Patienten mit schwerster Herzschwäche werden oft über lange Zeit in unserer Klinik versorgt. Sie waren bisher auf ein rund 90 Kilogramm schweres Antriebsgerät angewiesen, das die Bewegungsfreiheit enorm einschränkt.“ Die große Konsole muss ständig mit der implantierten Unterstützungspumpe sowie einer Stromquelle in Verbindung bleiben. Nur etwa 30 Minuten kommt das System ohne Strom aus. Es wird eingesetzt, um den Herzmuskel zu entlasten, bis sich das kranke Herz wieder erholen kann. In den meisten Fällen dient es jedoch dazu, das Herz vor einem Pumpversagen zu retten und die Wartezeit bis zu einer Herztransplantation zu überbrücken.

Den Wechsel von Barbares großem Antrieb auf das neue mobile System hat Dr. Sandica auf der Intensivstation des Kinderherzzentrums durchgeführt. Das Mädchen wurde mit einer erblich bedingten Herzmuskelerkrankung geboren und wartet seit fast vier Monaten in Bad Oeynhausen auf ein Spenderherz. Seit Anfang Januar ist es auf auf eine künstliche Herzunterstützung angewiesen. Mit dem neuen System durfte Barbare schon erste kleine Ausflüge auf der Station unternehmen. Zudem wird sie im Kinderherzzentrum auch physiotherapeutisch betreut.

Im größten Herztransplantationszentrum Deutschlands in Bad Oeynhausen sind die Erfahrungen mit den künstlichen Herzpumpen (Ventricular Assist Devices - VAD) bei Kindern und Jugendlichen besonders gut: 47 dieser Berlin Heart Systeme haben Dr. Eugen Sandica und sein Team bereits bei Kindern im Alter von 0 bis 16 Jahren implantiert, die längste Unterstützungszeit lag bei 619 Tagen. Fast alle Kinder konnten erfolgreich transplantiert werden. Bei acht Patienten führte die Therapie zur Erholung des Herzens. Die Bad Oeynhausener Statistik zeigt dabei eine hervorragende Überlebensrate von 93 Prozent bei den eingesetzten Berlin-Heart-Kinderherzpumpen. Damit gehört das Klinikum in Bad Oeynhausen zu den weltweit erfolgreichsten Therapiezentren.

Der neue Antrieb, den der deutsche Hersteller Berlin Heart GmbH (Berlin) jetzt erstmals weltweit zur Verfügung stellt, wiegt nur noch 15 Kilogramm und kann in der Größe eines Koffertrolleys mitgeführt oder als Handgepäck zusammen mit einem Kinderwagen bewegt werden. Die Akkulaufzeit beträgt bis zu sieben Stunden. Das System trägt den Namen Excor® Active, es hat im November des vergangenen Jahres die CE-Kennzeichnung für den europäischen Einsatz erhalten. „Wir sind sehr stolz, dass man sich bei der Markteinführung des neuen Antriebs auf die langjährige Erfahrung unseres Zentrums verlassen hat“, bestätigt Chefarzt Dr. Eugen Sandica, der das System in Bad Oeynhausen am Dienstag nahezu zeitgleich mit dem Deutschen Herzzentrum in Berlin in Betrieb nahm.



Quelle Bild: 210.02.2020 NW

 

 

 

Länderkammer billigt Neuregelung der Organspende

Freitag, 14. Februar 2020

Berlin – Der Bundesrat hat die Neuregelung der Organspende gebilligt. Damit bleiben Organspenden in Deutschland weiterhin nur mit ausdrücklicher Zustimmung erlaubt. Die Entscheidungslösung war im Januar vom Bundestag beschlossen worden.

Danach sollen künftig alle Bürger mindestens alle zehn Jahre beim Abholen von Auswei­sen auf das Thema angesprochen werden. Auch Hausärzte sollen ihre Patienten regel­mäßig darauf hinweisen.

Zudem wird ein bundesweites Online-Register eingerichtet, in dem Bürger ihre Spende­bereitschaft dokumentieren und jederzeit ändern können. Ziel ist, die Zahl der Organ­spenden zu erhöhen.

Bun­des­ge­sund­heits­mi­nis­ter Jens Spahn (CDU) und der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lau­terbach hatten in der Debatte um die Neuregelung der Organspende eine doppelte Widerspruchslösung gefordert.

Danach hätte jeder Bürger als potenzieller Spender gegolten, sofern er dem nicht wider­sprochen hätte. Dieser Vorschlag war von der Mehrheit des Bundestags abgelehnt wor­den.

Für die Entscheidungslösung hatte sich dagegen eine Gruppe von Abgeordneten um Grünen-Chefin Annalena Baerbock, Linken-Chefin Katja Kipping sowie Spahns Amtsvor­gänger Hermann Gröhe (CDU) ausgesprochen.

Der Bundesrat bedauerte in einer Entschließung, dass die künftigen Informationspflich­ten auch für Ausländerbehörden gelten sollen. Angesichts von Sprachbarrieren könne fälschlicherweise der Eindruck einer Verknüpfung zwischen der Organspendebereitschaft und der amtlichen Entscheidung über aufenthaltsrechtliche Anträge erweckt werden. Dies sei aber unbedingt zu vermeiden. © kna/dpa/aerzteblatt.de


13:34 14.02.2020

Der Bundesrat hat am Freitag eine Organspende-Reform gebilligt, die Bürger stärker für Spenden sensibilisieren soll.

Demnach sollen alle Bürger künftig mindestens alle zehn Jahre direkt beim Ausweisabholen auf das Thema angesprochen werden. Die neuen Regeln zielen darauf, die Zahl der potenziellen Organspender zu erhöhen. In Kraft treten sollen sie voraussichtlich 2022.

Das Info-Material zu Organspenden werde man auch alle zwei Jahre von seinem Hausarzt bekommen können. Die künftigen Informationspflichten sollen ebenfalls für Ausländerbehörden gelten, was aus Sicht des Bundesrates falsch interpretiert werden könnte. Denn man könnte den Eindruck bekommen, dass eine Organspendebereitschaft einen Einfluss auf die amtliche Entscheidung über den aufenthaltsrechtlichen Antrag haben könne. Dies sei aber unbedingt zu vermeiden.

Der Bundestag hatte Mitte Januar eine moderate Reform der Organspenderegeln beschlossen. Der Entwurf sieht die Möglichkeit vor, eine Entscheidung dazu in ein neues zentrales Online-Register einzutragen. 

Rückgang der Organspenden

Die Zahl der Spender ging im vergangenen Jahr wieder leicht auf 932 zurück, nachdem 2018 noch 955 Menschen nach ihrem Tod Organe für andere Patienten überlassen hatten. Es gab jetzt aber weiterhin mehr Spender als beim bisherigen Tiefstand von 797 im Jahr 2017. Im vergangenen Jahr wurden 2995 Organe an die Vermittlungsstelle Eurotransplant übergeben – vor allem Nieren, Lebern und Lungen.

aa/sb/dpa


 

 

 

Nach moderater ReformBericht: Bestellungen von Organspende-Ausweisen verdoppelt


09.02.2020

Es geht doch: Die Zahl der Bestellungen von Spenderausweisen soll sich innerhalb eines Monats verdoppelt haben. Vorangegangen waren eine moderate Reform der Organspende und eine aufwendige Werbekampagne.

Im Zuge der Diskussion vor der Bundestagsentscheidung über eine Organspende-Reform hat sich die Zahl der Bestellungen von Spenderausweisen laut einem Medienbericht im Januar verdoppelt.

In dem Monat wurden 740.000 Ausweise bestellt, wie das Wirtschaftsmagazin «Business Insider» unter Berufung auf Zahlen der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) berichtet. Zuvor gab es nach Angaben des BZgA im Schnitt rund 330.000 Bestellungen pro Monat.

Außerdem verzeichne die Informationsseite des BZgA eine stark erhöhte Nachfrage. Die Aufrufe stiegen demnach von 30.000 monatlich auf über 175.000 Aufrufe im Januar.

Der Bundestag hatte Mitte Januar nach kontroverser Debatte eine moderate Reform der Organspende beschlossen. Künftig sollen alle Bürger mindestens alle zehn Jahre direkt auf das Thema Organspende angesprochen werden - etwa wenn sie im Bürgeramt einen Personalausweis beantragen oder verlängern. Auch das Informationsangebot zum Thema Organspende soll ausgeweitet werden.

 

 

 

Westfalen Blatt 1. Februar 2020

 

Fabian Wittbrock hatte einen großen Freundeskreis. 300 Menschen

seien zur Trauerfeier gekommen, sagen seine Eltern, die die

ungezählten Kondolenzkarten und Briefe in diesem Koffer

aufbewahren. Sie haben ihre Kritik übrigens auch dem

Krankenhaus übermittelt, aber bis heute keine Reaktion erhalten.

Foto: Althoff

 

Es ging nur um Fabians Organe“ Was Eltern in 

den Tagen nach dem Tod ihres Sohnes 

empfanden

 

Von Christian Althoff

Borchen (WB). Der 11. August 2019 war ein

Sonntag. Am Nachmittag klingelten Polizisten am

Haus von Hiltrud (55) und Jochen Wittbrock (62) in

Borchen und informierten sie, dass ihr Sohn Fabian

(23) mit seinem Motorrad im Sauerland verunglückt

und in eine Unfallklinik geflogen worden sei. „Wir

ahnten nicht, dass er da bereits klinisch tot war“,

sagt der Vater, ein Oberstudienrat. Was die Eltern in

den folgenden drei Tagen erlebten, wühlt sie bis

heute auf. „Es ging den Ärzten nur um die Organe

unseres Sohnes“, sagt Sonderpädagogin Hiltrud

Wittbrock. „Wir Angehörige waren denen völlig egal.“

An jenem Sonntag fuhren die Eltern mit Fabians

Freundin und seinen beiden Schwestern in die 120

Kilometer entfernte Unfallklinik. „Der Arzt, der uns

empfing, war der einzige emphatische Mensch, den

wir dort kennenlernen sollten. Er sagte, Fabian sei

hirntod, und so ein Unfall gehe auch ihnen nahe.“ In

der Erwartung, die Familie werde einer Organspende

zustimmen, sei ihr Sohn noch operiert worden. „Er

hatte unter anderem einen offenen Beinbruch, und

damit wollten die Ärzte ihn nicht bis zur endgültigen

Hirntoddiagnose liegenlassen – vielleicht wegen

einer Emboliegefahr“, sagt der Vater. Eigentlich sei

es für die Familie keine Frage gewesen, die

Organspende zu erlauben, erzählt die

Mutter. „Fabians Spruch war: ‚Wenn mir was

passiert, können die alles haben. Ich brauche es ja

nicht mehr.‘“ Diese Einstellung habe dem Wesen

ihres Sohnes entsprochen, sagt Hiltrud Wittbrock.

„Fabian hat in Bielefeld soziale Arbeit und

Management studiert und ein Praktikum im

Kinderheim gemacht. Er war ein liebevoller Chaot

mit einem Riesen-Herzen.“ Bis spät in die Nacht

saßen die Angehörigen an jenem Sonntag am Bett

des 23-Jährigen. Er wurde beatmet, um den

Kreislauf in Gang zu halten. Nach drei Tagen, so sei

es ihnen erklärt worden, sollte von zwei Ärzten der

Hirntod offiziell festgestellt werden. Hiltrud Wittbock:

„Wir waren völlig fertig, und weil man uns gesagte

hatte, dass Fabian nichts mehr mitbekommt, sind wir

in der Nacht zurück nach Hause gefahren.“ Am

nächsten Morgen hätten sie einen Anruf bekommen

und seien vorwurfsvoll gefragt worden, warum sie

nicht in der Nähe der Klinik geblieben seien. „Wir

sind sofort zurückgefahren und wurden von einem

Pfleger mit den Worten empfangen: ‚Und? Wofür

haben Sie sich entschieden? Organspende?‘“ Jochen

Wittbrock: „In diesem Moment weiß man gar nicht,

was man einem so gefühllosen Menschen antworten

soll.“ Seine Frau sagt, sie sei damals versucht

gewesen, ‚Jetzt nicht mehr!‘ zu antworten. „Nur der

Wille unseres Sohnes hat mich davon abgehalten.

Also haben wir zugestimmt.“ Es habe in den drei

Tagen niemanden gegeben, der mit ihnen über ihren

Verlust gesprochen habe. „Wir wurden uns selbst

überlassen. Es gab keinen Raum, in dem wir uns

hätten aufhalten können, und wir hatten keinen

zentralen Ansprechpartner“, sagt der Vater. Sie seien

immer wieder aus dem Krankenzimmer geschickt

worden und hätten sich auf dem Flur oder im

überfüllten Wartezimmer herumdrücken müssen.

„Als eine unserer Töchter abbaute und ich eine

Schwester fragte ob sie etwas zu trinken bekommen

könne, wurden wir auf den Colaautomaten im

Erdgeschoss verwiesen“, erzählt Hiltrud Wittbrock.

Am dritten Tag hätten sie sich in die Cafeteria

gesetzt. „Dort wurden wir angerufen und sollten

kommen.“ Als sie das Zimmer ihres Sohnes erreicht

hätten, seien sie wieder fortgeschickt worden und

hätten fast eine Stunde im Wartebereich verbracht.

Der Vater: „Dann durften wir endlich ans Totenbett,

wo wir über den offiziellen Hirntod informiert

wurden. Ich bat den Arzt, das nicht an Fabians Bett

zu besprechen, aber er sagte, es gebe keinen

anderen Raum und schaute auf seine Uhr.“ Als

Fabians Schwestern in Ruhe Abschied von ihrem

Bruder nehmen wollten, seien permanent

Pflegekräfte ins Zimmer und wieder hinaus gehuscht.

„Eine Pflegerin hat unsere Tochter sogar Richtung

Bett geschoben und gesagt: ‚Gehen Sie doch näher

ran!‘“, sagt die Mutter. Später sei ein Mitarbeiter der

Deutschen Stiftung Organspende aus Essen

erschienen. „Er war der erste Mensch, der sich Zeit

für uns nahm und sich angemessen verhielt. Er

wollte uns erklären, welche Organe nun entnommen

würden, aber das wollten wir nicht wissen, das

haben wir abgebrochen“, sagt der Vater. Hiltrud

Wittbrock erzählt, sie könne Berichte über kranke

Menschen, die ein Spenderorgan benötigten, nicht

mehr unbefangen lesen. „Sie machen mich wütend.

Alles fokussiert sich auf den Kranken und seine

Erwartung, aber der Spender und seine Familie

werden komplett ausgeblendet.“ Sie hätten erfahren

müssen, dass der Tod ihres Sohnes „auf eine

unmenschliche Art“ auf seine Organe reduziert

worden sei. „Wir Angehörigen waren nur die, die

zustimmen sollten. Ansonsten interessierten wir

nicht. Uns hat übrigens auch niemand aus dem

Krankenhaus jemals sein Beileid ausgesprochen.“

Die Unfallklinik habe sich bis heute nicht zu der Kritik

geäußert. Sie als Eltern, sagt Hiltrud Wittbrock,

hätten ihre eigene Bereitschaft zur Organspende

nach diesen Erfahrungen aufgegeben. „Wir können

unseren Töchtern einfach nicht zumuten, im Ernstfall

noch einmal so etwas durchzumachen.“ Emphatie

hätten sie schließlich von Menschen erfahren, von

denen sie es überhaupt nicht hätten erwarten

können, sagt die Mutter und lächelt zum ersten Mal.

„Zur Trauerfeier erschien die türkische Familie, deren

Auto unser Sohn mit seinem Motorrad gerammt

hatte. Sie sprach uns ihr Beileid aus.“


 

 

Westfalen Blatt 18.1.2020

 

Zentrum für Lungentransplantierte 

 

Klinik in Bad Lippspringe übernimmt 

Nachsorge für ganz Norddeutschland

 

Bad Lippspringe (WB). Etwa 350 Patienten

bekommen jedes Jahr in Deutschland eine neue

Lunge, etwa 400 Menschen stehen regelmäßig

auf der Warteliste. Die Klinik Martinusquelle in

Bad Lippspringe übernimmt von sofort an die

Rehabilitation von Patienten, die eine Spender-

Lunge erhalten haben. Damit ist Bad

Lippspringe neben der Schön-Klinik

Berchtesgadener Land einer von zwei

Standorten in ganz Deutschland, die im Bereich

der Transplantationsnachsorge für

Lungenkranke mit großen Patientenzahlen aktiv

sind. Im Anschluss an eine Transplantation

kommen die Patienten für mehrere Wochen

nach Bad Lippspringe, um unter anderem mit

gezieltem Training von Ausdauer und Kraft eine

möglichstgroße Verbesserung ihres

Gesundheitszustandes zu erlangen. „Nach der

Rehabilitation sollen die Patienten ohne

zusätzlichen Sauerstoff und andere Hilfsmittel

auskommen können. Im Idealfall erreicht man

sogar nach etwa einem halben Jahr die

Wiedererlangung der Berufsfähigkeit“, sagt

Chefarzt Dr. Ralf Schipmann. Erste Patienten

seien bereits in den ersten Wochen des Jahres

aufgenommen worden. Für das Medizinische

Zentrum für Gesundheit (MZG), zu dem die

Klinik gehört, stelle die Weiterentwicklung zu

einem Zentrum für die Rehabilitation von

Menschen mit einer neuen Lunge eine

konsequente Weiterentwicklung dar, sagte ein

Sprecher. In der jüngeren Vergangenheit habe

sich die Klinik Martinusquelle bereits als

Spezialeinrichtung etabliert, in der Patienten mit

schweren Lungenerkrankungen behandelt

würden. Im Jahr 2019 litten mehr als 50

Prozent der 2459 Lungenpatienten an

erheblichen Einschränkungen der Atemwege,

beispielsweise einer schweren oder sehr

schweren Erkrankung mit Husten, vermehrten

Auswurf und Atemnot. Durch den Rückzug der

bisherigen Klinik für die

Transplantationsnachsorge in Norddeutschland

konnte Bad Lippspringe deren Position

übernehmen. Als neuer Kooperationspartner

wird die Klinik Martinusquelle insbesondere mit

der Medizinischen Hochschule Hannover und

dem Westdeutschen Zentrum für

Lungentransplantationen in Essen

zusammenarbeiten, die oberhalb der

Mainlinie die meisten Lungentransplantationen

durchführen und nach eigenen Angaben einen

qualifizierten Partner für die Nachsorge von

etwa 150 Patienten pro Jahr benötigen. „Für

den Gesundheitsstandort Bad Lippspringe ist die

neue Aufgabe eine großartige Auszeichnung.

Wir werden damit unsere Position als Top

Standort im Bereich der Lungen Rehabilitation

weiter ausbauen können“, sagt MZG-

Geschäftsführer Achim Schäfer. Sein Dank gelte

Chefarzt Schipmann, der die Herausforderung

mit seinem Team angehe: „Wir sind optimal

vorbereitet für die Transplantationsnachsorge.“

Neben der Einrichtung einer speziellen Station

stocke man auch das Personal auf, um eine

individuelle Betreuung zu ermöglichen.

 

 

 

Mindener Tageblatt 17. Januar 2020

 

Carolin Nieder-Entgelmeier

 

Berlin/Bad Oeynhausen.

 

Organspender wird in Deutschland auch künftig

nur, wer dem zu Lebzeiten zugestimmt hat. Ein

vom Bundestag beschlossenes Gesetz sieht vor,

die Bürger bei Behördengängen und

Hausarztbesuchen zu einer Entscheidung zu

ermuntern. Die geplante Einführung der

Widerspruchslösung als Reform der

Organspende hat der Bundestag abgelehnt. In

Deutschlands größtem

Herztransplantationszentrum,dem Herz und

Diabeteszentrum (HDZ) NRW in Bad

Oeynhausen, löst die Entscheidung Bestürzung

aus. „Mit dem Beschluss wird sich nur wenig

verändern. Unregelmäßige Beratungen in

Hausarztpraxen oder Kommunalverwaltungen

reichen nicht aus, um das Problem niedriger

Organspender Zahlen zu lösen“,erklärt der

ärztliche Direktor des HDZ,Jan Gummert. „Mit

der Entscheidung gegen die Widerspruchslösung

hat der Bundestag die historische Chance eines

dringend notwendigen Paradigmenwechsels

verpasst und damit auch gegen den Willen der

Bevölkerung gestimmt, da sich die Mehrheit für

Organspenden ausspricht.“ Die

Widerspruchslösung ist laut Gummert eine

einfache Möglichkeit, um den Willen der

Bevölkerung zu dokumentieren und die

Solidargemeinschaft im Organspendesystem in

ein Gesetz zupacken. DieErfahrungender 23 EU-

Staaten, in denen die Widerspruchslösung gilt,

zeigen laut Gummert zudem,dass so die

Organspender-Zahl steigt. „Es ist nur ein

Baustein, aber der entscheidende. Ohne diesen

werden auch die Verbesserungen in

Krankenhäusern kaum Wirkung entfalten.“ Die

Abgeordneten, die gegen die

Widerspruchslösung gestimmt haben, sind laut

Gummert jetzt in der Pflicht, alles zu tun, um

die Zahl der Organspender zu erhöhen, damit

sich die Situation der 10.000 Schwerkranken

auf der Warteliste verbessert. „Daran müssen

wir die Abgeordneten messen. Sie akzeptieren,

dass Deutschland Organe aus Ländern mit

Widerspruchslösung akzeptiert, tun aber selbst

nichts dafür, um die Zahlen in Deutschland zu

erhöhen.“ Auch Bundesärztekammer-Präsident

Klaus Reinhardt aus Bielefeld hat sich für die

Widerspruchslösung stark gemacht. „Trotzdem

ist das Gesetz zur Stärkung der

Entscheidungsbereitschaft ein Fortschritt

gegenüber der bisherigen Regelung“, sagt

Reinhardt auf Anfrage dieser Zeitung. Sinnvoll

sei vor allem das Onlineregister zur schnellen

Feststellung der Spendebereitschaft. „Auch

wenn wir uns eine andere Entscheidung

gewünscht hätten,werden wir alles daransetzen,

dieses Gesetz zu einem Erfolg zu machen.“

 

 

■ So haben die Bundestagsabgeordneten   

 aus Ostwestfalen-Lippe abgestimmt:

 

■ Entscheidungslösung: 

 Achim Post (SPD)

 Frank  Schäffler (FDP),

 Wiebke Esdar(SPD),

 Britta Haßelmann (Grüne),

 Christian Haase(CDU),

 Elvan Korkmaz-Emre (SPD),

 Carsten Linnemann(CDU),

 Christian Sauter(FDP)und

 Friedrich Straetmanns (Linke).

 

 

Widerspruchslösung: 

 Ralph Brinkhaus (CDU),

 Stefan Schwartze (SPD) und

 Kerstin Vieregge (CDU).

 

 

■ Vertrauenslösung:

 Udo Hemmelgarn (AfD).

 

 

 

Kommentar 

 

Gegen den Willen der Bevölkerung Thema: 

Bundestag lehnt Organspende-Reform ab

 

Carolin Nieder-Entgelmeier

 

Der Status quo bleibt bestehen. Der Bundestag

hat entschieden, die Situation für Menschen,die

auf ein lebensrettendes Organ warten, nicht zu

verbessern. 379 Bundestagsabgeordnete haben

mit ihrem Nein zur Einführung der

Widerspruchslösung in kauf genommen, dass

auch weiterhin jedes Jahr Tausende Menschen

sterben werden. Eine Entscheidung gegen den

Willen der Mehrheit der Bevölkerung.

 

Die Ursache der niedrigen Zahl an

Organspendern sind nicht die Menschen, die

eine Organspende ablehnen, sondern die, die

sich vor einer Entscheidung drücken. Dieses

Problem hätte die Widerspruchslösung beseitigt,

doch der Bundestag hat sich dagegen

entschieden. Deutschland geht in der von den

Abgeordneten vielbeschworenen Einheit

europäischer Länder weiter einen Sonderweg.

Und wird weiter Organe aus Ländern

importieren, in denen die Zahl der

Organspender aufgrund der Widerspruchslösung

höher ist, tut aber selbst nichts, um die Zahl

deutscher Organspender zu erhöhen.

 

Der Entscheidungslösung fehlt hingegen das

Abverlangen einer Entscheidung. In einer

Solidargemeinschaft kann eine Entscheidung

abverlangt werden, die über Leben und Tod von

Tausenden Menschen entscheidet.Die Umkehr

der bisherigen gesellschaftlichen

Vertragsgrundlage, in jedem zunächst einen

potenziellen Organspender zusehen, es sei

denn, er widerspricht, ist keine Zumutung,

sondern Ausdruck von Zutrauen. Dem

Zutrauen, dass wir verantwortungsvoll über das

Leben anderer Menschen entscheiden.

 

Es ist zutiefst bedauerlich, dass so viele

Abgeordnete, die gewählt wurden, um sich für

das Gemeinwohl einzusetzen, ihre persönlichen

Beweggründe über ihre eigentliche Aufgabe als

Mandatsträger stellen. Es ist zutiefst

bedauerlich, dass die Gegner der

Widerspruchslösung die Debatte für sich genutzt

haben, um Ängste zu schüren, Halbwissen zu

verbreiten und zu verschweigen,dass der

Grundsatz der Freiwilligkeit auch mit der

Widerspruchslösung unangetastet bleibt. Die

Reformgegner müssen jetzt alles dafür tun, um

die Zahl der Organspender anders zu erhöhen.

Das sind sie nicht nur den 10.000 Menschen auf

der Warteliste schuldig, sondern der gesamten

Bevölkerung.

 

carolin.nieder-entgelmeier@ihr-kommentar.de

 

 

 

 

 

 

16. Januar 2020

 

Organspende-Reform kommt: Was bringen die neuen Impulse?

Direkt aus dem dpa-Newskanal

Berlin (dpa) - Das Ziel ist klar: Angesichts Tausender todkranker Menschen auf den Wartelisten sollen in Deutschland dauerhaft mehr Organe gespendet werden. Doch wie soll das gelingen?

Der Bundestag beschloss am Donnerstag eine Reform, die auf mehr Impulse setzt, damit sich mehr mögliche Spender auch konkret entscheiden.

Was soll sich konkret ändern?

Umgesetzt werden soll ein Vorstoß, den eine Abgeordnetengruppe um Grünen-Chefin Annalena Baerbock und Linke-Chefin Katja Kipping erarbeitet hat. Der etwas komplizierte Name ist Programm: Ziel ist die "Stärkung der Entscheidungsbereitschaft bei der Organspende". Dafür sollen mehr regelmäßige Denkanstöße organisiert werden - und leichtere Möglichkeiten, eine Entscheidung zu dokumentieren. Wer ab 16 Jahren einen Personalausweis beantragt, ihn nach zehn Jahren verlängert oder sich einen Pass besorgt, soll im Amt Info-Material bekommen. Beim Abholen soll man sich dann schon direkt vor Ort, aber auch jederzeit später zu Hause in ein neues Online-Register eintragen können - mit Ja oder Nein, Änderungen bleiben immer möglich. Auch in Ausländerbehörden soll es ein solches Angebot geben.

Was ist ergänzend geplant?

Selbst beraten sollen die Mitarbeiter der Ämter nicht. Dafür sollen Hausärzte eine größere Rolle spielen, zu denen viele besonderes Vertrauen haben. Sie sollen Patienten bei Bedarf alle zwei Jahre über Organspenden informieren und zum Eintragen ins Register ermuntern - aber ergebnisoffen und mit dem Hinweis, dass es weiter keine Pflicht zu einer Erklärung gibt. Grundwissen über Organspenden soll auch Teil der Erste-Hilfe-Kurse vor einer Führerscheinprüfung werden, um vor allem junge Leute zu erreichen. Auch bei der Ärzteausbildung soll die Thematik größeres Gewicht bekommen und Prüfungsstoff werden.

Wie rasch greifen die Neuregelungen?

Die Umsetzung braucht noch Zeit. Vor allem, um das zentrale Register beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte aufzubauen. In Kraft treten sollen die Neuregelungen daher zwei Jahre nach Verkündung des Gesetzes - bei Veröffentlichung in diesem Jahr also 2022. Im Register soll dann jeder ab 16 Jahren Erklärungen zur persönlichen Entscheidung zu Organspenden abgeben, ändern oder widerrufen können. Ein Widerspruch ist schon ab 14 möglich. Abrufen können die Angaben dann nur der Betroffene selbst sowie rund um die Uhr benannte Ärzte, die aber nicht an der Organspende beteiligt sind. Wer die Angaben nicht per Internet machen kann oder möchte, kann auch weiter einen Organspendeausweis oder eine Patientenverfügung nutzen.

Was ist überhaupt das Problem mit der Spendebereitschaft?

Mehr als 9000 Menschen in Deutschland warten auf Organe. Für sie geht es um Leben und Tod. Und jeder kann ja in diese Situation kommen. Doch nur 40 Prozent haben laut einer Umfrage im Auftrag der Techniker Krankenkasse einen Spendeausweis, auf dem man Ja oder Nein ankreuzen kann. Dabei haben 84 Prozent generell eine positive Einstellung dazu. Obwohl die Kassen regelmäßig Vordrucke durch die Republik schicken, schieben viele eine Festlegung immer wieder vor sich her. Und ohne ausdrücklich erklärtes Ja dürfen keine Organe entnommen werden. 

Was können Vorbehalte sein?

Für Organspenden muss der Tod zweifelsfrei sein: Dafür müssen zwei Fachärzte unabhängig voneinander den vollständigen und unumkehrbaren Ausfall des Großhirns, des Kleinhirns und des Hirnstamms bestätigen. Manche machen sich Sorgen, dass der Tod zu früh festgestellt werden könnte. Auch Organspendeskandale 2012 verunsicherten viele Leute. Es ging um Manipulationen bei Wartezeiten für Transplantationen. Und generell verhindert eine Spende, dass Angehörige im letzten Moment dabei sein können. Hirntote sind noch warm, das Herz schlägt.

Wie haben sich die Zahlen entwickelt?

Alarmiert hat Ärzte und Politik der Tiefstand von 797 Spendern im Jahr 2017. Womöglich auch angesichts der anziehenden Debatte gingen die Zahlen dann aber herauf - im vergangenen Jahr überließen 955 Menschen nach dem Tod Organe für andere Patienten, etwas weniger als 2018. Jedoch waren es 2012 noch 1200 gewesen. Jeder Spender schenkte zuletzt im Schnitt mehr als drei Schwerkranken neue Lebenschancen.

Was wird noch für mehr Organspenden getan?

Die bundesweit rund 1300 Kliniken, die Organe entnehmen, sollen mehr Geld und Zeit dafür bekommen. Eine Gesetzesänderung dafür ist aber erst im vergangenen Jahr in Kraft getreten. Eigens für Transplantationen beauftragte Mitarbeiter sollen nun mehr Freiräume haben. Kliniken werden für den Prozess von Organspenden besser vergütet. Ein neuer Bereitschaftsdienst mit mobilen Ärzteteams soll gewährleisten, dass die Voraussetzungen des Hirntods überall festgestellt werden können.

Wie ist die Organspende in anderen Ländern geregelt?

Befürworter der im Bundestag gescheiterten Widerspruchslösung verweisen etwa auf Spanien, das auf viel höhere Spenderzahlen kommt. Dort werden aber auch Spenden nach Herztod einbezogen, wie die Deutsche Stiftung Patientenschutz erklärt. In Frankreich, Belgien, Österreich, Tschechien und Polen gilt ebenfalls die Widerspruchslösung. In Norwegen werden in der Praxis Angehörige vor einer Entnahme gefragt, ob sich der Verstorbene dagegen ausgesprochen hat. In Schweden muss der Verstorbene in der Regel vor dem Tod zugestimmt haben. Sonst werden Angehörige gefragt.

 

 

 

NW 16.01.2020

Herzstiftung für doppelte 

Widerspruchslösung

 

An diesem Donnerstag Beratung im Bundestag zum Thema Organspende –

Gummert: „Wichtiger Baustein“

 

An diesem Donnerstag will der Bundestag über

mögliche Gesetzesänderungen bei der

Entscheidung über die Organspende

abstimmen. Potenzial für eine positive

Entwicklung der Organspende sieht die

Deutsche Herzstiftung vor allem in der

Einführung einer doppelten Widerspruchslösung.

Eines der Ziele dieser Lösung ist, dass mehr

Patienten eine Organ- oder Gewebespende

erhalten. „Die Kluft zwischen schwerkranken

Herzpatienten, die auf ein Spenderherz warten,

und den verfügbaren Spenderorganen ist weiter

alarmierend“, warnt der Herzchirurg und

Transplantationsmediziner Prof. Dr. Jan

Gummert. Er ist Vorstandsmitglied der

Deutschen Herzstiftung und Direktor der Klinik

für Thorax- und Kardiovaskularchirurgie am

Herzund Diabeteszentrum (HDZ) NRW

in Bad Oeynhausen. Nur leicht ist die Zahl der

transplantierten Herzen von 318 (2018) auf 344

(2019) angestiegen. „Dem stehen auf der

Warteliste mehr als 1000 Herzpatienten

gegenüber, die auf ein Spenderorgan warten.

Die doppelte Widerspruchslösung wäre ein

wichtiger Baustein, um Menschen zu helfen, die

dringlich auf ein Spenderorgan warten“, meint

Gummert. „Zudem“, erklärt er, „ist es schwer

verständlich, dass in Deutschland

Spenderorgane aus Ländern mit einer

Widerspruchslösung wie Belgien, Slowenien,

Frankreich und Österreich akzeptiert werden,

während bei uns aber eine solche Lösung bisher

nicht eingeführt wurde.“ Die häufigsten

Ursachen und Indikationen für eine

Herztransplantation seien schwerwiegende

Herzmuskelerkrankungen, die koronare

Herzkrankheit, die Grund

 

liert Prof. Gummert seine Position. Er ist auch

Präsident der Deutschen Gesellschaft für

Thorax-, Herz- und Gefäßchirurgie. Die

Einführung einer doppelten Widerspruchslösung

dürfte die Auseinandersetzung mit der

Organspende und damit die Dokumentation des

Patientenwillens stärken, heißt es in einer

Pressemitteilung der Deutschen Herzstiftung.

Zudem würden bei dieser Lösung gezielt die

Angehörigen zur sicheren Feststellung des

Patientenwillens des Verstorbenen mit

eingebunden. Anders als bei der bisherigen

Entscheidungslösung führe eine nicht

abgegebene Erklärung dazu, dass eine Organ-

oder Gewebeentnahme zulässig sei, wenn die

sonstigen Voraussetzungen für eine Entnahme

erfüllt seien. Als weitere Punkte zur doppelten

Widerspruchslösung nennt

 

die Deutsche Herzstiftung diese: l Alle

Bürgerinnen und Bürger, die das 16. Lebensjahr

vollendet haben, sollen sich entscheiden. Vor

der Entscheidung erfolgt dreimal eine

umfangreiche schriftliche Information durch die

Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung

(BZgA). Wer nach dreimaliger Information

keinen Widerspruch einlegt, gilt als potenzielle

Spenderin oder potenzieller Spender. l Ein

nachträglicher Widerspruch ist jederzeit

möglich. l Es wird ein Register eingerichtet, in

dem die Erklärung zur Organ- und

Gewebespende registriert werden kann. l Vor

einer Organ- und Gewebespende wird der

nächste Angehörige der verstorbenen Person

gefragt, ob ein der Entnahme

entgegenstehender Wille der verstorbenen

Person bekannt ist.


 

 

 

Politik

Änderungsanträge zur Organspende eingebracht

Mittwoch, 18. Dezember 2019

 

Berlin – Der Bundestag will sich im Januar des kommenden Jahres mit einer Novelle der Organspende befassen. Im Gesundheitsausschuss wurden heute noch Änderungsanträge zur Widerspruchslösung eingebracht, die dem Deutschen Ärzteblatt vorliegen. Es geht unter anderem um Klarstellungen und Korrekturen beim geplanten Register und eine Werbekampagne für die Organspende.

Eine Gruppe von Abgeordneten um Bun­des­ge­sund­heits­mi­nis­ter Jens Spahn (CDU) und den SPD-Gesundheitsexperten Karl Lauterbach strebt mit ihrem Entwurf eine sogenannte doppelte Widerspruchslösung an. Demnach gilt jeder Bürger als möglicher Organspender, der zu Lebzeiten keinen Widerspruch erklärt hat.

Wenn zugleich auch den nächsten Ange­hörigen kein entgegenstehender Wille bekannt ist, gilt die Organentnahme als zulässig. Die Bürger sollen die Möglichkeit erhalten, ihre Erklärung zur Organspende in ein Online-Register einzutragen.

Dieses sollte bislang beim Deutsche Institut für Medizinische Dokumentation und Infor­mation (DIMDI) angesiedelt werden. Einem Änderungsantrag zufolge soll dies nun das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) übernehmen.

Klarstellungen für Ärzte

Mit den Ände­rungen werde auch klargestellt, dass die Auskunft aus dem Register an den vom Kranken­haus benannten Arzt weitergegeben werden darf, der mit dem nächsten Angehörigen zu klären hat, ob ein Widerspruch oder ein der Organ- oder Gewebeent­nahme entgegenstehender Wille bekannt ist, heißt es in der Begründung zum Antrag.

Eine Klarstellung haben die Abgeordneten um Spahn und Lauterbach in Bezug auf kon­kre­te Abläufe bei der Organspende in einem weiteren Antrag eingebracht. Geregelt wird darin, dass der Arzt, der im Falle eines fehlenden Registereintrags zu klären hat, ob eine Erklärung des möglichen Organ- oder Gewebespenders für eine Spende vorliegt, weder an der Entnahme noch an der Übertragung der Organe beteiligt sein darf.

Informationskampagne geplant

„Mit der Regelung werden Interessenkonflikte vermieden, die insbesondere dann entste­hen können, wenn der Entnahmearzt oder der transplantatierende Arzt diese Klärung her­beiführen“, heißt es in der Begründung. Die Regelung diene damit der Transparenz des Spendeverfahrens.

Ein dritter Antrag sieht eine umfassende Informationskampagne vor. Wenn es eine Ent­scheidung für die Widerspruchslösung im Bundestag gibt, soll dadurch die Bevölkerung in einer Übergangsphase über die geänderte Rechtslage angemessen informiert werden, heißt es. Mit einer „umfassenden, geeigneten und multimedialen Kampagne durch die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung“ solle sichergestellt werden, dass alle Bürger erreicht werden.

 

 

Premiere in Österreich Erstmals "reanimiertes" Spenderherz transplantiert

Üblicherweise werden Organe von hirntoten Organspendern, bei denen das Herz noch schlägt, entnommen und den Patienten transplantiert. 

09. Dezember 2019

Zum ersten Mal in Österreich ist in der vergangenen Woche ein Herz nach Tod durch Kreislaufstillstand transplantiert worden. Die sehr seltene Operation wurde am AKH Wien im Herztransplantationsprogramm an der Abteilung für Herzchirurgie (Leitung Günther Laufer) durchgeführt, teilte die MedUni am Montag mit.

Neue Methode

Üblicherweise werden Organe von hirntoten Organspendern, bei denen das Herz noch schlägt, entnommen und den Patienten transplantiert. Die neue Methode mit der Bezeichnung "Donation after Circulatory Death" (DCD) wird bei Lungen-, Leber und Nierentransplantation bereits erfolgreich angewendet. Für das Herz wurde diese Methode aber lange als unmöglich angesehen, da das Herz durch einen längeren Kreislaufstillstand massiv geschädigt werde.

Auch die erste erfolgreiche Herztransplantation, die 1967 von Christian Barnard in Kapstadt durchgeführt wurde, war eine DCD-Transplantation, da damals noch keine Kriterien für die Hirntoddiagnostik existierten, erklärte Günther Laufer. Spender und Empfänger lagen damals in benachbarten Operationssälen. 2014 wurde in Sydney die erste erfolgreiche DCD-Herztransplantation, bei der Spender und Empfänger in unterschiedlichen Spitälern lagen, durchgeführt. Weitere Zentren folgten, vor allem in Großbritannien.

Das DCD-Herz-Programm an der MedUni wird von Arezu Aliabadi geleitet, die sich in Sydney in der neuen Technik schulen ließ und vier Jahre lang die Operation in Wien vorbereitete. Die Transplantation wurde durch den Einsatz des "Organ Care Systems" (Transmedics) ermöglicht, einer transportablen Maschine, in der das Spenderherz wieder zum Schlagen gebracht, laufend analysiert und therapiert werden kann. Wie die "Kronen Zeitung" am Montag berichtete, hat die OP insgesamt neun Stunden gedauert, dem 61-jährigen Empfänger geht es laut MedUni bereits sehr gut. Die DCD-Herztransplantation könne in Zukunft dazu beitragen, Transplantationszahlen zu steigern, die Wartezeit für Patienten zu verkürzen und damit die Sterblichkeit auf der Warteliste zu verringern, hieß es von der MedUni.

 

 

 

Entscheidung über Organspendereform erst im kommenden Jahr

Donnerstag, 7. November 2019

Berlin – Der Bundestag wird nicht mehr in diesem Jahr über eine Reform in der Organ­spende entscheiden. Darauf haben sich die beiden Abgeordnetengruppen im Bundestag verständigt, wie die SPD heute auf Nachfrage des Deutschen Ärzteblattes bestätigte.

Demnach soll eine Entschei­dung des Parlaments in der ersten Sitzungswoche Mitte Janu­ar angestrebt werden. Einen genauen Termin gebe es aber noch nicht, hieß es weiter. Ei­gent­lich waren Abschlussdebatte und Beschluss des Bundestages noch für dieses Jahr vorge­sehen.

Die Gruppe um Bun­des­ge­sund­heits­mi­nis­ter Jens Spahn (CDU) und den SPD-Experten Karl Lauterbach (SPD), die eine Widerspruchslösung vorschlägt, habe jedoch wegen Ände­rungs­­anträgen noch einmal um Terminverschiebung gebeten, berichtet der Tagesspiegel.

Dem habe die andere Gruppe um Grünen-Chefin Annalena Baerbock und Linken-Vorsitz­en­de Katja Kipping zugestimmt. Nach deren Antrag soll eine Organentnahme ohne aus­drücklich geäußerten Willen des Spenders auch künftig nicht möglich sein. Allerdings soll die Spen­debereitschaft regelmäßig bei Behörden oder beim Arzt erfragt werden.

Die Abgeordneten um Spahn und Lauterbach dagegen regen an, künftig bei allen Bürgern eine Organentnahme zu erlauben, die dem nicht vorher widersprochen haben. Beide Vor­schläge zielen darauf ab, die Zahl der Organspenden zu erhöhen. Der Ausgang der Ab­stimmung ist bislang völlig offen. © may/kna/aerzteblatt.de

 

 

 

NW 08.11.2019

Frankfurt (dpa). 

In Deutschland warten weiterhin viele Kranke auf ein Spenderorgan. 

In den ersten zehn Monaten 2019 sei die Zahl der Spender und der gespendeten Organe nicht angestiegen, teilte die Deutsche Stiftung Organtransplantation (DSO) mit. Die DSO zählte bundesweit bis Oktober 775 postmortale Organspender, im Vorjahreszeitraum waren es 787 Organspender. Die Anzahl der gespendeten Organe liegt laut DSO aktuell bei 2.507 gegenüber 2.566 im Vergleichszeitraum. „Seit zwei Jahrzehnten basteln wir an den Symptomen des anhaltenden Organmangels,ohne dass sich für die Patienten auf den Wartelisten etwas verbessert hat“,sagte der medizinische Vorstand der DSO, Axel Rahmel.

 

 

Gesundheit

Organspenden: Kärnten mit Vorreiterrolle

Nach Vorwürfen stellt Eurotrasplant und das Wiener Transplantationszentrum klar: Es konnten keine Regelverletzungen bei der Organvergabe festgestellt werden. Im internationalen Vergleich warten Österreicher verhältnismäßig kurz auf ein Spenderorgan, denn es werden mehr gespendet. Bei der Organspenderate ist Kärnten top, hierzulande warten derzeit 60 Personen auf ein Organ. 

1. November 2019

Auf eine neue Niere wartet man im Schnitt drei Jahre, auf eine Bauchspeicheldrüse sechs Monate, vier Monate muss man im Schnitt auf ein neues Herz oder eine neue Lunge warten. Zwei Monate auf eine neue Leber.

Ein Weg zurück zur Lebensqualität

Ulf Scheriau erhielt heuer im März ein neues Herz. Der Wirtschaftsjurist aus Klagenfurt erlitt vor neun Jahren einen massiven Herzinfarkt bei einer Bergtour. Seit damals verschlechterte sich der Zustand seines Herzens kontinuierlich, die letzten Jahre war er auf ein Kunstherz angewiesen. Seit der Transplantation im März geht es gesundheitlich wieder bergauf. „Es ist der Weg zurück zur neuen Lebensqualität. Ich bin ganz positiv überrascht wie gut das Ergebnis dieser Transplantation ist. Ich spüre die Verbesserung von Monat zu Monat“, so Scheriau.

Kärnten hat Vorreiterrolle

Möglich geworden ist das Dank eines Spenders. Und Kärnten nimmt bei den Organspenden eine Vorreiterrolle ein, sagt der Transplantationsreferent für Südösterreich, Michael Zink. „Kärnten ist Top in Österreich. Wir haben mit einer Organspenderate mit etwa 40 pro Million Einwohner fast eine doppelt so hohe Rate, wie in Restösterreich“.

Alter der Organspender steigt

In Österreich gilt die Widerspruchsregel, das heißt, wer sich zu Lebzeiten nicht explizit gegen eine Organspende ausspricht, gilt im Todesfall als potentieller Spender. Im Vorjahr haben in Kärnten 23 Menschen Organe gespendet. Kommt jemand in Frage, werden die Angehörigen gefragt. 90 Prozent der befragten Angehörigen stimmen der Organentnahme zu. Der typische Organspender ist mittlerweile nicht mehr das junge Unfallopfer.

„Vor 25 Jahren war der junge Motorradfahrer der klassische Organspender. Heute ist es der 65-Jährige mit Zuckererkrankung und Bluthochdruck, der eine Hirnblutung bekommt. Diese Änderung führt dazu, dass unsere Organspender auch älter werden. War es früher das mittlere Alter ungefähr bei 30 Jahren ist es heute bei 60 Jahren. Bis 90 Jahren ist es kein Problem, wir haben aber auch schon die Organe eines 93-Jährigen übertragen. Wichtig ist, dass die Organe in einem guten Zustand sind“, so Zink.

Zeitdruck beim Transplantieren

Die Entnahme der Organe erfolgt durch ein eigenes Operationsteam aus Graz. Parallel dazu wird die Empfängerin oder der Empfänger auf die Transplantation vorbereitet. „Zeitdruck ist eines der größten Probleme in der Transplantationsmedizin, weil die Zeit, die das Organ außerhalb des Körpers sein darf, ist sehr limitiert“, so Zink. Bei einem Herz bleiben ab der Entnahme maximal acht Stunden Zeit, bei einer Niere bis zu 24 Stunden. In Österreich werden Transplantationen im AKH Wien und in den Universitätskliniken Innsbruck, Graz und Linz durchgeführt.

 

 

 

5. Oktober 2019

Nieren: Organspende trotz Hepatitis?

Behandlung mit antiviralen Medikamenten ermöglicht Transplantation infizierter Nieren 

Doch verwertbar: Auch Organe von Hepatitis-C-Patienten könnten sich für eine Transplantation eignen. Denn wie das Beispiel von sieben Nierentransplantationen zeigt, gelangen mit den Organen zwar Hepatitis-Viren in den Körper der Empfänger. Diese lassen sich jedoch erfolgreich mit antiviralen Medikamenten bekämpfen. Nach Ansicht der Mediziner ist die Verpflanzung infizierter Nieren daher bedenkenlos möglich.

In Deutschland mangelt es noch immer massiv an Spenderorganen. Neben der geringen Zahl an Organspendern begrenzen auch Qualitätsanforderungen das Angebot. Um transplantiert werden zu können, müssen Leber, Niere und Co in einem ausreichend guten Zustand sein. Und: Sie dürfen die Gesundheit des Empfängers nicht gefährden – etwa, indem sie ihn mit einer ernsthaften Krankheit anstecken.

Aus diesem Grund galten Organe von Patienten mit Hepatitis C lange Zeit als unverwertbar für Transplantationen. Denn mit dem Gewebe betroffener Spender gelangen zwangsläufig auch die Erreger der leberzerstörenden Infektion in den Körper der Transplantierten. Doch wie gravierend ist das? Weil es inzwischen recht gut wirkende antivirale Medikamente gegen Hepatitis C gibt, scheint die Verpflanzung infizierter Organe heute durchaus eine Option zu sein, wie Mediziner um Justa Friebus‐Kardash vom Universitätsklinikum Essen erklären.

Erfolgreich bekämpft

Die Wissenschaftler berichten nun von sieben Fällen, bei denen Patienten ohne Hepatitis-Infektion die Nieren Hepatitiskranker verpflanzt wurden. Für alle an der Untersuchung beteiligten Empfänger gab es kein anderes passendes Spenderorgan und alle wurden im Vorfeld ausführlich über die Besonderheit ihrer neuen Niere aufgeklärt.

Was passierte nach der Transplantation? Wie erwartet, war das Hepatitis-Virus bei allen sieben Patienten innerhalb von drei Tagen nach dem Eingriff nachweisbar. Aus diesem Grund wurden sie sofort mit antiviralen Mitteln behandelt – und zwar acht bis zwölf Wochen lang. Diese Therapie hatte dem Forscherteam zufolge einen durchschlagenden Effekt. So hatte nicht nur die transplantierte Niere ihre Aufgabe im Körper übernommen. Auch die Leber der Patienten funktionierte ganz normal und das Virus war im Blut der Empfänger nicht mehr nachweisbar.

„Machbar und auch sicher“

„Dank der Expertise unserer Kliniken und Chirurgen konnten wir hier in Essen Organe erfolgreich transplantieren, die zuvor als nicht benutzbar galten. Derzeit ist unsere Stichprobe noch klein, aber es zeigt sich, dass eine frühzeitige antivirale Medikamentierung machbar und auch sicher ist“, konstatiert Mitautorin Ute Eisenberger. „Jetzt werden wir versuchen, in weiteren Untersuchungen den therapeutischen Ansatz zu finden, der für die Patienten optimal ist.“

Bestätigen sich die vielversprechenden Ergebnisse, wäre damit ein wichtiger Schritt im Kampf gegen das Organmangel-Problem gelungen. Denn je mehr Organe für eine Transplantation in Frage kommen, desto mehr Patienten kann in Zukunft geholfen werden.

Quelle: Universität Duisburg-Essen

4. Oktober 2019 

- Daniela Albat

 

24.09.2019

 

Interview

„Die Zustimmungsregelung reicht einfach nicht aus“

vonTimot Szent-Ivany

 

Herr Professor Nuscheler, Gesundheitsökonomen schauen sicher nüchterner auf die sehr emotional geführte Debatte über die künftigen Regeln zur Organspende. Unterstützen Sie den Vorschlag einer Widerspruchslösung von Gesundheitsminister Spahn oder den Gegenentwurf?  

Seit Jahrzehnten wird die Bevölkerung darüber informiert, wie wichtig die Organspende ist. Die Krankenversicherung klärt auf, die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, die Stiftung Organtransplantation. Man kann sich diesem Thema doch gar nicht mehr entziehen. Und dennoch sind die Spenderzahlen auf bescheidenem Niveau geblieben. Die bisherige Zustimmungsregelung reicht einfach nicht aus, noch mehr Informationen machen sie nicht besser. Deshalb müssen wir mit der Widerspruchslösung eine neue Variante ausprobieren.

Wie bewerten Sie das Argument der Kritiker, das sei ein unzulässiger Eingriff in das Selbstbestimmungsrecht? 
 Das kann man nicht wegdiskutieren. Aber die Frage ist doch, wie schwer dieser Eingriff wiegt. Man geht davon aus, dass die Widerspruchslösung die Spenderzahlen erhöht. Dann jedoch steigen die Überlebenschancen derer, die auf ein Organ warten. Vor diesem Hintergrund relativiert sich der Eingriff in das Selbstbestimmungsrecht doch ganz erheblich. In einer Situation, in der in Deutschland jährlich gut 1000 Menschen auf der Warteliste sterben, darf man von den Bürgern verlangen, sich mit dem Thema Organspende zu beschäftigen. Dabei muss sich der Einzelne gar nicht mit dem eigenen Tod auseinandersetzen, wie das manche Kritiker ja behaupten. Er kann einfach widersprechen und dann hat sich die Sache erledigt.

Aber führt die Widerspruchslösung auch in der Praxis zu mehr Spenderorganen? 
 Das ist in der Tat nicht ganz so einfach zu sagen, aber es spricht doch sehr viel dafür. So haben Länder mit einer Widerspruchslösung in der Regel zum Teil deutlich höhere Spenderzahlen als Länder mit einer Zustimmungslösung.

Liegt das tatsächlich an der Widerspruchslösung? 
 Einfache Ländervergleiche sind nicht ganz unproblematisch, da sich die Länder nicht nur in den Regelungen zur Organspende unterscheiden. Spanien hat europaweit die höchsten Spenderzahlen und hat seit langem eine Widerspruchslösung sowie exzellente Strukturen zur Organgewinnung in den Krankenhäusern. Es spricht viel dafür, dass es die Kombination dieser beiden Dinge ist, die Spanien weit nach vorne bringt. Im Frühjahr wurden in Deutschland per Gesetz die Bedingungen für die Organgewinnung in den Krankenhäusern verbessert. Wenn nun noch die Widerspruchslösung kommt, bin ich hinsichtlich der Spenderzahlen optimistisch. Sollten die Spenderzahlen dann immer noch unzureichend sein, sollte man über Anreize zur Organspende nachdenken.

Was schlagen Sie vor? 
 Wir plädieren für ein Malus-System. Wer einer Spende widerspricht, wird dann, wenn er selbst einmal ein Organ benötigt, weiter hinten auf die Warteliste gesetzt. Er muss also länger auf ein Organ warten. Wir nennen das Reziprozität. Eine Reihe von Experimenten von Verhaltensforschern hat ergeben, dass die Spendebereitschaft dadurch deutlich steigt. Israel, Singapur und Chile haben übrigens Reziprozitätsregelungen.

Das klingt brutal und unethisch, und in Deutschland gibt es den gleichen Zugang zu Gesundheitsleistungen, unabhängig vom eigenen Verhalten. 
 Die Knappheit an Organen ist brutal und unethisch. Wir sind moralisch dazu verpflichtet alles rechtlich Mögliche zu unternehmen, diese Knappheit zu beseitigen. Reziprozität kann Teil der Lösung sein. So erhöht man durch die Spendebereitschaft seine Überlebenschancen, sollte man selbst ein Organ benötigen. Außerdem wird die Organverteilung dadurch gerechter. Es ist nicht einzusehen, warum Menschen, die nicht zur Organspende bereit sind, dieselben Chancen auf ein Organ haben sollen wie potenzielle Spender. Schließlich sind die Verweigerer die Ursache für die Knappheit.

 

24.09.2019

"Doppelte Widerspruchslösung"

Organspende-Anhörung: Viele Experten fordern große Reform

Wie kann man zu mehr lebensrettenden Organspenden kommen? Und mit welchen ethischen Folgen? Der Bundestag berät über zwei Alternativen, und beide Lager sammeln Argumente - auch von Sachverständigen.

Berlin (dpa) - Im Ringen um mehr Organspenden in Deutschland wird unter Experten viel Unterstützung für eine tiefgreifende Reform deutlich.

Anhörung im Bundestag für eine "doppelte Widerspruchslösung" aus, die eine Abgeordnetengruppe um Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) anstrebt.

Demnach sollen alle Volljährigen als Organspender gelten. Man soll dazu aber später Nein sagen können, ansonsten wäre auch noch bei Angehörigen nachzufragen. Dagegen wenden sich unter anderem die beiden Kirchen. Bisher sind Organentnahmen nur bei ausdrücklich erklärter Zustimmung erlaubt.

Die Bundesärztekammer erklärt in ihrer Stellungnahme für die Anhörung im Gesundheitsausschuss an diesem Mittwoch, es sei "seit zehn Jahren keine durchschlagend positive Entwicklung der Spenderzahlen" zu verzeichnen. Es sei an der Zeit, den Aspekt der Organspende als solidarische und auf Gegenseitigkeit beruhende Gemeinschaftsaufgabe durch die doppelte Widerspruchslösung auch gesetzlich eindeutig abzubilden. Diese zwinge niemanden dazu, Organe zu spenden, sagte Ärztepräsident Klaus Reinhardt am Dienstag. Sie nehme Menschen aber in die Pflicht, sich für oder gegen eine Organspende zu entscheiden.

Die großen Kirchen melden indes "erhebliche rechtliche und ethische Bedenken" gegen eine Widerspruchslösung an und unterstützen einen anderen Vorschlag einer Gruppe um Grünen-Chefin Annalena Baerbock. Dieser sehe "behutsame Modifikationen" im System vor, erklären die evangelische und die katholische Kirche. Sie seien geeignet, "das Vertrauen in die Organspende zu erhöhen und Menschen zu befähigen, eine informierte Entscheidung zu treffen".

Der Entwurf schlägt vor, alle Bürger mindestens alle zehn Jahre beim Ausweisabholen auf das Thema Organspende anzusprechen. Dazu soll ein bundesweites Online-Register gehören, in dem man seine Entscheidung für oder gegen eine Spende eintragen und ändern kann. Zudem sollen Hausärzte bei Bedarf alle zwei Jahre informieren.

Die Deutsche Stiftung Organtransplantation gibt zu bedenken, dass bei dieser Vorgehensweise eine mehrjährige Umsetzungszeit zu erwarten sei. Eine von Gesellschaft und Politik getragene Widerspruchslösung gäbe "ein klares Signal an die Bevölkerung im Hinblick auf die Organspende".

Dafür spricht sich auch die Stiftung Eurotransplant aus, die für die Zuteilung von Spenderorganen in acht europäischen Ländern zuständig ist. Die Einführung der Widerspruchslösung sei nötig "zum Erhalt der Solidarität" im Verbund. Ab kommendem Jahr hätten sie alle Eurotransplant-Länder außer Deutschland. Auch die Deutsche Transplantationsgesellschaft wirbt dafür.

Dagegen argumentiert der Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch, das Selbstbestimmungsrecht des Einzelnen werde eingeschränkt. Menschen könnten sich zur Organspende gedrängt fühlen, was die Vertrauenskrise verschärfe.

Der Erlanger Theologe Peter Dabrock warnt, die Widerspruchslösung sei auch mit Blick auf Sorgen der nächsten Angehörigen und die Auswirkungen auf die Gesellschaft "schädlich und damit insgesamt unverhältnismäßig". Die Bezeichnung "doppelte" Widerspruchslösung sei zudem irreführend. Davon wäre nur zu sprechen, wenn Angehörige eine eigenständige Entscheidungsmöglichkeit hätten - das werde aber eigens verneint.

Über die beiden Gesetzentwürfe soll der Bundestag voraussichtlich noch in diesem Jahr in freier Abstimmung entscheiden. Auch die AfD hat einen Antrag vorgelegt. Ziel ist es, angesichts von fast 10.000 Menschen auf den Wartelisten zu mehr Spenden zu kommen.

Die Zahl der Spender war nach langem Abwärtstrend 2018 wieder spürbar gestiegen - auf 955. In diesem Jahr gab es aber zunächst wieder einen Rückgang. Von Januar bis August waren es 614 Spender - nach 650 im selben Zeitraum des Vorjahres. Unabhängig von der Debatte gelten inzwischen neue Regeln, um die Organspende-Bedingungen in Kliniken zu verbessern - mit mehr Geld und mehr Freiraum für Transplantationsbeauftragte.


 

 

 

Gerichtsurteil: Göttinger Transplantationsarzt erhält Entschädigung

Der Chirurg hatte im Transplantationsskandal ein Jahr in Untersuchungshaft gesessen. Eine Gericht sprach ihm nun eine Entschädigung in Millionenhöhe zu.

13. September 2019, 12:12 Uhr Quelle: ZEIT ONLINE, dpa,

 

Der 2015 im Göttinger Transplantationsskandal freigesprochene Chirurg soll vom Land Niedersachsen mit mehr als einer Million Euro entschädigt werden. Das hat das Landgericht Braunschweig in einem Zivilverfahren entschieden. Nach Angaben des Richters müsse das Land dem Mediziner etwa 1,1 Millionen Euro zahlen. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass der Arzt Verdienstausfall wegen der Untersuchungshaft hatte. Gegen das Urteil ist Berufung möglich.

Der Mediziner, der das Lebertransplantationszentrum in Göttingen von 2008 bis 2011 leitete, war 2014 in einem bundesweit aufsehenerregenden Prozess um illegale Organspenden verurteilt worden. Die Staatsanwaltschaft hatte ihm unter anderem vorgeworfen, medizinische Daten manipuliert zu haben. Durch falsche Angaben gegenüber Eurotransplant, der Vermittlungsstelle für Spenderorgane in Europa, waren so eigene Patienten des Mediziners bevorzugt mit Spenderlebern versorgt worden. Andere Patienten hatten auf dieser Grundlage dagegen keine Spenderorgane erhalten. 

2015 hatte das Landgericht Göttingen den Arzt vom Vorwurf des elffachen versuchten Totschlags und der dreifachen Körperverletzung mit Todesfolge freigesprochen. Die Richter bescheinigten ihm damals zwar, er habe medizinische Daten manipuliert, um schneller Spenderorgane für seine Patienten zu bekommen. Dem Gericht zufolge war das Verhalten des Chirurgen jedoch auf Basis der damaligen Rechtslage nicht strafbar. Der Bundesgerichtshof schloss sich 2017 dieser Auffassung an.

Verdienstausfall wegen Untersuchungshaft

Nach dem Freispruch hatte der Mediziner Schadensersatzansprüche geltend gemacht, unter anderem als Ausgleich für seinen Verdienstausfall während einer einjährigen Untersuchungshaft. Zudem gab er an, dass er in dieser Zeit eine gut dotierte Stelle in Jordanien nicht habe antreten können. Nach eigenen Angaben war diese mit einem Gehalt von 50.000 Dollar pro Monat dotiert. Der ärztliche Leiter der Klinik in Jordanien bestätigte diese Absprache als Zeuge. Der mögliche Verdienstausfall war der mit Abstand größte Posten unter den Forderungen des Arztes. Nach eigenen Angaben arbeitet der Mediziner mittlerweile für das Krankenhaus in der jordanischen Hauptstadt Amman. Was er dabei seit 2017 verdient, ist nicht bekannt.

Der 2012 öffentlich gewordene Skandal gehört zu den größten Transplantationsskandalen um manipulierte Patientendaten in der Bundesrepublik. Seit dem Bekanntwerden war das Vertrauen in die Organspende signifikant gesunken. 2014 sank die Zahl der Organspender mit 864 auf den niedrigsten Stand seit 1997.

 

https://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen

/2019-09/gerichtsurteil-transplantationsarzt-

organspende-freispruch-entschaedigung-goettingen

 

 

 

„Supercooling“ macht Organe länger haltbar

Forscher konservieren menschliche Lebern erstmals für 27 Stunden bei Minustemperaturen 

10. September 2019

 

Extrem heruntergekühlt: Forschern ist es zum ersten Mal gelungen, menschliche Spenderorgane bei Minustemperaturen zu konservieren. Sie kühlten Lebern auf minus vier Grad Celsius herunter, ohne dass das Gewebe gefror. Durch dieses sogenannte Supercooling überlebten die Lebern bis zu 27 Stunden außerhalb des Körpers. Das ist dreimal länger als mit gängigen Verfahren in der Regel möglich ist, wie das Team im Fachmagazin „Nature Biotechnology“ berichtet.

Für Menschen mit akutem Organversagen oder einer schweren chronischen Erkrankung ist eine Organtransplantation oftmals die letzte Hoffnung auf Heilung. Doch Spenderorgane sind knapp: Neben der geringen Zahl an Organspenden begrenzt auch der Faktor Zeit das Angebot. So müssen entnommene Lebern, Nieren und Co im Schnitt innerhalb von neun Stunden beim Empfänger sein. Denn außerhalb des Körpers gehen die sensiblen Zellen und Strukturen sehr schnell kaputt.

Forscher suchen daher schon länger nach Alternativen zum gängigen Transport bei vier Grad Celsius in der Kühlbox, die die Überlebensdauer der Organe verlängern könnten. In den Fokus ist dabei zuletzt das sogenannte Supercooling gerückt. Bei dieser Methode werden die Organe auf Minustemperaturen heruntergekühlt, ohne dass sich dabei für das Gewebe schädliche Eiskristalle bilden. Inspiriert ist das Prinzip von der Natur: Auch einige Tiere können dank eines solchen Tricks die kalte Jahreszeit überstehen.

Frostschutz-Cocktail für Lebern

Wie aber gelingt dies bei Organen? Bereits vor fünf Jahren hatte ein Team von US-Wissenschaftlern gezeigt, dass sich Rattenlebern auf minus sechs Grad herunterkühlen lassen, ohne einzufrieren. Möglich wurde dies unter anderem durch die Zugabe spezieller Frostschutzmittel. Auf die 200-mal größeren menschlichen Organe ist dieses Verfahren allerdings nicht so einfach übertragbar. „Je größer das Volumen, desto schwieriger wird es, die Bildung von Eiskristallen bei Minustemperaturen zu verhindern“, erklärt Reinier de Vries von der Harvard Medical School in Boston.

Ihm und seinen Kollegen ist genau dies nun trotzdem gelungen: Sie haben die Supercooling-Methode zum ersten Mal erfolgreich bei menschlichen Lebern angewandt. Um ihr Ziel zu erreichen, passten die Forscher das zuvor bei Ratten erprobte Verfahren in einigen Punkten an. Zunächst optimierten sie die Zusammensetzung der Antifrost-Lösung: Zusätzlich zu den Frostschutzmitteln 3-O-Methyl-D- Glukose und einem Polyethylenglykol gaben sie dabei Trehalose und Glycerin zu der Mischung. Gemeinsam schützen und stabilisieren diese Stoffe die Zellen und verhindern die Eisbildung.

Langsam heruntergekühlt

Für den entscheidenden Schritt koppelten die Forscher menschliche Lebern an eine Perfusionsmaschine, die die Organe ähnlich einem künstlichen Blutkreislauf mit Sauerstoff und Nährstoffen versorgt. Über diese Maschine speisten sie dann nach und nach die Konservierungsflüssigkeit ein, die sich dadurch besonders gleichmäßig im gesamten Organ verteilte.

Anschließend wurde die Leber langsam auf minus vier Grad Celsius heruntergekühlt. Dabei sorgte das Team dafür, dass kein Kontakt zu Luft bestand. Denn sie hatten herausgefunden, dass Interaktionen mit Luft das Risiko für die spontane Kristallbildung auf der Organoberfläche erhöhen. Nach der Konservierung wurden die Lebern über die Perfusionsmaschine allmählich wieder auf Raumtemperatur gebracht.

Aufgetaut und funktionsfähig

Wie gut hatten die Organe die Prozedur überstanden? Die Ergebnisse zeigten, dass die Lebern dank der Supercooling-Methode bis zu 27 Stunden außerhalb des Körpers überlebten – und damit dreimal länger als beim herkömmlichen Transport in der Kühlbox üblich. Wie die Wissenschaftler berichten, war die Funktionsfähigkeit der Lebern nach der Unterkühlungsprozedur noch genauso gut wie vorher. Transplantiert haben sie die Organe zwar nicht. Simulationen legten jedoch nahe, dass die Lebern die Verpflanzung in einen neuen Körper wahrscheinlich problemlos überstehen würden.

Bestätigen weitere Untersuchungen den Nutzen der neuen Methode, wäre dadurch wertvolle Zeit gewonnen: „Wenn ein Organ verfügbar wird, ist ein geeigneter Empfänger nicht immer in der Nähe“, erklärt de Vries‘ Kollegin Shannon Tessier. „Eine längere Haltbarkeit bedeutet mehr Zeit für die Suche nach einem passenden Patienten und den Transport. Und das bedeutet, dass weniger Spenderorgane entsorgt werden müssen und mehr Patienten gut geeignete Organe erhalten, mit denen sie lange leben können.“

Weitere Alternativen im Test

Das Supercooling-Verfahren ist jedoch nicht die einzige Methode, die derzeit als Alternative zur Kühlbox diskutiert wird. So erproben Mediziner zum Beispiel auch Verfahren, bei dem Organe nicht gekühlt, sondern in einem Zustand wie im Körper gehalten werden. Dabei wird den Organen während des Transports quasi vorgegaukelt, sich noch im Organismus zu befinden. Diese Technik könnte sich vor allem für vorgeschädigte Organe eignen, die Kühlprozesse häufig weniger gut überstehen. 

(Nature Biotechnology, 2019; doi: 10.1038/s41587-019-0223-y)

Quelle: Harvard Medical School/ National Institute of Biomedical Imaging & Bioengineering/ Massachusetts General Hospital

10. September 2019 

- Daniela Albat

 

 

Ärzteschaft

Hausärzteverband und BZgA informieren gemeinsam über Organspenden

 

Dienstag, 27. August 2019

Berlin/Köln – Der Deutsche Hausärzteverband (DHÄV) und die Bundeszentrale für ge­sundheit­li­che Aufklärung (BZgA) informieren Patienten gemeinsam über das Thema Or­ganspende. Sie haben dazu ein Magazin namens „entscheiden. Das Magazin zur Organ- und Gewebespende“ erstellt, das künftig in Wartezimmern von Hausarztpraxen ausliegen soll.

„Organspende ist ein sehr persönliches Thema, das für Patienten mit vielen individuellen Fragen verbunden ist“, sagte der DHÄV-Bundesvorsitzende Ulrich Weigeldt. Hausärzte seien in der Regel mit der Krankheitsgeschichte ihrer Patienten und ihrem sozialen Um­feld über Jahre vertraut und daher die idealen Ansprechpartner. Insbe­sondere der persön­liche Ansatz sei wichtig, um Patienten vertrauensvoll und kompetent über ein so sensib­les Thema zu informieren

Die erste Ausgabe des Magazins beleuchtet auf rund 30 Seiten unterschiedliche Aspekte der Organspende. In mehreren Portraits und Interviews schildern Menschen ihre persön­lichen Geschichten, Erfahrungen und Gedanken rund um die Organspende. Ergänzt wer­den die Erfahrungsberichte durch Daten und Fakten, eine Zusammenstellung der häufigs­ten Fragen und Antworten sowie praktische Tipps – beispielsweise, wie man einen Or­ganspendeausweis ausfüllt.

Heidrun Thaiss, Leiterin der BZgA, verwies auf eine Befragung der BZgA wonach 44 Pro­zent gerne mehr Information zum Thema Organspende hätten. „Diesem großen Bedarf nach Information kommen wir mit dem neuen Wartezimmermagazin zum Thema Organ­spende nach, indem wir Menschen bei ihrer Entscheidung mit seriösen Informationen unterstützen“, sagte sie.

Gleichzeitig wolle man auch diejenigen erreichen, für die das Thema Organspende bisher nicht relevant gewesen sei. Das neue Magazin soll künftig ein- bis zweimal pro Jahr er­scheinen. Hausarztpraxen und interessierte Bürger können es kostenfrei bei der BZgA bestellen.

© hil/aerzteblatt.de

 

 

1,2 Millionen Euro gefordert Nach Freispruch im Organspende-Skandal: Arzt will Schadenersatz

Von dpa

Göttingen/Braunschweig. Gut vier Jahre nach seinem Freispruch im Prozess um den Göttinger Transplantationsskandal verlangt ein Arzt gut 1,2 Millionen Euro Schadenersatz vom Land Niedersachsen. Eine Zivilkammer des Landgerichts Braunschweig werde am Freitag über die Klage des Mediziners verhandeln, teilte das Gericht am Dienstag mit.

Der damals vom Dienst suspendierte Chirurg, der während der Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Braunschweig 2013 gut elf Monate lang in Untersuchungshaft gesessen hatte, fordert unter anderem einen Ausgleich für seinen Verdienstausfall. Seine Begründung: Er habe als Folge der Untersuchungshaft eine gut dotierte Stelle in Jordanien nicht antreten können.

Das Landgericht Göttingen hatte den früheren Leiter der Transplantations-Chirurgie an der Göttinger Universitätsmedizin im Mai 2015 nach 64 Prozesstagen vom Vorwurf des elffachen versuchten Totschlags und der dreifachen Körperverletzung mit Todesfolge freigesprochen.

Entschädigung von 8500 Euro zugesprochen

Die Richter bescheinigten dem Arzt zwar eine verwerfliche Manipulatione medizinischer Daten, die eine schnellere Zuteilung von Organen für seine Patienten bewirkt hätten. Wegen der damaligen Rechtslage sah das Gericht aber keine Strafbarkeit. Der Bundesgerichtshof hatte sich dieser Auffassung angeschlossen und die Revision der Staatsanwaltschaft Braunschweig gegen den Freispruch zurückgewiesen. Für die Untersuchungshaft hatte das Landgericht Göttingen dem Arzt damals eine Entschädigung von 8500 Euro zugesprochen.

Der Mediziner verlangt nach Darstellung des Landgerichts Braunschweig mit seiner Klage jetzt in Vielfaches dieser Summe. Es geht um insgesamt 1,207 Millionen Euro. Der Arzt macht vor allem einen Verdienstausfall während der Untersuchungshaft geltend, weil er in dieser Zeit eine Stelle in einen Krankenhaus in Jordanien nicht habe antreten können, die mit 50 000 Dollar im Monat dotiert gewesen sei.


Land weist Forderungen zurück

Zudem verlangt der Arzt laut Gericht die Erstattung eines sogenannten Zinsschadens, weil er die für die Außerkraftsetzung des Haftbefehls verlangte Kaution von 500.000 Euro habe finanzieren müssen. Schließlich fordere der Mediziner die Erstattung der Kosten für eine Verfassungsbeschwerde, durch die er die Rechtmäßigkeit der Untersuchungshaft hatte überprüfen lassen wollen. Das Bundesverfassungsgericht hatte diese Beschwerde nicht zur Entscheidung angenommen.

Das beklagte Land Niedersachsen weist die Forderungen des Mediziners nach Angaben des Landgerichts Braunschweig zurück. Es bestreite, dass der Mediziner tatsächlich in dem jordanischen Krankenhaus angestellt worden wäre und ein Monatsgehalt in Höhe von 50.000 Dollar bezogen hätte.

Unabhängig von der Schadensersatzklage hat das Oberlandesgericht Braunschweig dem Chirurgen kürzlich Auslagenersatz für zwei Verteidiger in dem 2015 abgeschlossenen Göttinger Prozess zugesprochen und das Land Niedersachsen angewiesen, dem Arzt rund 166.000 Euro plus Zinsen zu erstatten. Das Landgericht Göttingen hatte dem Mediziner nur Auslagenersatz für einen Verteidiger zugebilligt.

 

 

Ralf Nowotny 5. August 2019

 

Immer wieder kursiert in sozialen Medien ein Schriftstück, welches diverse Behauptungen über die Praxis bei einer Organentnahme enthält.


Einige Stellen dieses Schriftstücks, dessen Quelle leider nicht bekannt ist, erwecken den Eindruck, dass eine Organentnahme ein grundsätzlich barbarischer Akt ist, der zu verurteilen sei.
 Es handelt sich um jenes Schriftstück:

 

Folgende Stellen sind explizit mit roter Umrandung, Unterstreichung und Pfeilen hervorgehoben:

  • Der „Spender“ wird an Armen und Beinen festgebunden, um Bewegungen zu verhindern.

  • Er bekommt muskelentspannende Medikamente und oft auch Narkosemittel, die Schmerzmittel enthalten. Doch viele Anästhesisten verzichten auf Anraten von Ärzteorganisationen auf Narkose- und Schmerzmittel. Das Problem der Bundesärztekammer ist, dass mit einer verpflichtenden Erklärung zur Narkose bestätigt würde, es handele sich bei den „Hirntoten“ um noch lebende Menschen. Also nimmt man billigend in Kauf, dass Menschen während der Organentnahme Schmerzen erleiden könnten.

  • Bei „normalen“ Operationen werden diese Zeichen [Blutdruck-, Herzfrequenz- und Adrenalinanstieg] als Schmerzreaktionen gewertet. Nicht jedoch bei „Hirntoten“!

  • Die Organe werden bei schlagendem Herzen freigelegt und für die Entnahme präpariert.

  • Mit der Entnahme der Organe ist der „Hirntote“ gestorben.

  • Den Pflegekräften bleibt es am Ende oft allein überlassen, den Körper auszustopfen und die riesigen Wunden zu verschliessen.

  • Ein friedvolles und behütetes Sterben im Beisein von Angehörigen oder Freunden ist bei einer Organentnahme nicht möglich. Sterbebegleiter sind die Transplantationsmediziner.

Zusammengefasst soll jener Text also belegen, dass eine Organentnahme eine unaussprechliche Qual für den Spender darstellt.
 Ob dies nun auch allerdings den Tatsachen entspricht, möchten wir im Folgenden betrachten!

Wann ist ein Mensch wirklich tot?

Immer wieder wird von verschiedenen Arten des Todes gesprochen: Hirntod, Herztod, Erstickungstod, Organtod. Allerdings weisen all diese Namen zumeist nur auf die Ursache eines Todes hin und erwecken nur einen scheinbaren Eindruck, dass man den endgültigen Tod eines Menschen verschieden definieren könne.
Wie aber Stefanie Förderreuther vom Neurologischen Konsiliardienst der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität in einem Gespräch mit Bayern2 erklärte, gibt es im Prinzip nur einen Tod: Den Hirntod!

Wie wird der Hirntod festgestellt?

Der medizinisch sogenannte „Irreversible Ausfalls der Hirnfunktionen“ besagt, dass die Gesamtfunktion des Gehirns dauerhaft außer Kraft gesetzt ist und sich auch nicht mehr erholen kann. Dabei wird von allen Hirnarealen gesprochen, also Großhirn, Kleinhirn, Zwischenhirn und Hirnstamm. Wenn auch nur eines davon noch funktionsfähig ist, liegt auch kein Hirntod vor.

Bei der neurologischen Untersuchung von Patienten müssen Ärzte immer wieder den Zustand des Gehirns überprüfen, bevor ein Gehirntod diagnostiziert werden kann. Dies geschieht beispielsweise durch Überprüfung des Atemantriebes, Hustenreflex, Reaktion der Pupillen auf Licht und Blinzelreflex bei Berührung der Hornhaut des Auges.

Zusätzlich wird überprüft, ob bestimmte Einflüsse die neurologischen Untersuchungen beeinflussen, beispielsweise ob ein bestimmtes Medikament oder Besonderheiten im Stoffwechsel des Patienten dazu führen, dass nur ein scheinbarer Hirntod vorliegt. Letztendlich werden auch bei manchen Patienten EEG-Messungen vorgenommen, um Gehirnströme nachzuweisen, dazu noch Durchblutungsuntersuchungen, also ob das Gehirn überhaupt noch mit Blut versorgt wird.

Und all diese Tests werden nicht etwa von einem Arzt alleine gemacht, sondern von zwei Ärzten unabhängig voneinander. Beide Ärzte müssen jahrelang Erfahrung in der Intensivstation vorweisen können, eine spezielle Ausbildung bekommen haben und dürfen nichts mit einer eventuellen, späteren Organentnahme bei einem Patienten zu tun haben.

Bevor also ein Patient für hirntod erklärt wird, werden eine Vielzahl von Untersuchungen durchgeführt. Wenn dieser aber dann schließlich von zwei Ärzten unabhängig voneinander festgestellt wurde, steht fest, dass das Gehirn, die Schaltzentrale des Menschen, nicht mehr funktioniert.

Ohne Hirnfunktion kein Schmerz!

Was viele Angehörige von hirntoten Patienten verunsichert (und letztendlich wohl auch zu jenem obigen Schriftstück führte), ist der Anblick des Patienten:
Ein hirntoter Mensch sieht im Krankenhaus keineswegs tot aus! Der Kreislauf funktioniert noch, der Brustkorb hebt und senkt sich, die Haut hat eine relativ gesunde Farbe, sogar Schwitzen und Fieber sind bei einem solchen Patienten möglich.

Dies alles geschieht allerdings nur, weil diese Körperfunktionen durch die Maschinen am Krankenbett aufrecht erhalten werden. Würde man die Maschinen abschalten, stünde der Kreislauf in kürzester Zeit still, das Herz würde aufhören zu schlagen, die Leichenstarre würde einsetzen.

Wenn das Gehirn nicht mehr funktioniert, kann ein Patient auch nichts mehr empfinden, auch keinen Schmerz mehr, da die Signale der Nerven im Körper vom Gehirn nicht mehr verarbeitet werden!

Warum wird der Körper dann festgeschnallt?

Zwar können vom Gehirn aus keine willentlichen Bewegungen mehr ausgeführt werden, ein hirntoter Patient kann aber durchaus noch Reflexe zeigen.
 Als Beispiel sei das Hämmerchen genannt, welches einem der Arzt manchmal auf das Kniegelenk haut, um den Reflex zu testen: Der Unterschenkel schnellt automatisch nach vorne, obwohl er vom Gehirn keinen Befehl dazu bekommen hat.

Teilweise konnten Ärzte bei hirntoten Patienten auch komplexere Bewegungen feststellen, bei der der Patient beispielsweise bei einem Schmerzreiz am Brustbein mit den Armen versucht, die Hand des Arztes wegzuwischen. Dies sorgt bei unerfahrenen Arzthelfern natürlich für große Verunsicherung, doch mittlerwqeile konnte zweifelsfrei festgestellt werden, dass diese Reflexe von Nerven kommen, die sich im Rückenmark befinden.
 Jene Nerven im Rückenmark werden weitgehenst vom Gehirn kontrolliert, doch wenn dieses nicht mehr funktioniert, reagieren die Nerven unkontrolliert und lösen manchmal jene Reflexe aus.

Auch aus diesem Grund müssen bei einer Organentnahme immer erfahrene Ärzte anwesend sein, die genau feststellen können, ob ein Reflex nur vom Rückenmark ausgeht oder ein Indiz für eine Hirntätigkeit ist.

Warum bekommt ein Hirntoter Narkosemittel?

Bei einer lebenden Person soll die Narkose dazu dienen, dass der Patient keine Schmerzen empfindet, in einen schlafähnlichen Zustand versetzt wird und die Muskeln des Patienten entspannt werden. Für jedes dieser Ziele gibt es ein Medikament:

  • Ein Mittel gegen Schmerzen = Analgetikum,

  • ein Schlafmittel = Hypnotikum und

  • ein Mittel zur Muskelerschlaffung = Muskelrelaxans

Bei einer Organentnahme werden Muskelrelaxantien werden verabreicht, um spinale Reflexe, die zu Spontanbewegungen und zum Anstieg von Blutdruck und Herzfrequenz während der Organentnahme führen, zu verhindern. Also keine Narkose, keine Schmerzmittel, aber ein Medikament um spontane Muskelbewegungen zu unterbinden.

Fazit

Das obige Schriftstück wurde anscheinend von einem Laien verfasst, der sich nicht wirklich mit dem medizinischen Hintergrund einer Organentnahme beschäftigt hat.
 Vor einer Organentnahme muss der Hirntod zweifelsfrei von zwei Ärzten unabhängig voneinander durch verschiedene Untersuchungsmethoden festgestellt werden. Mit dem Hirntod hat ein Patient auch keinerlei Schmerzempfinden mehr. Alle Punkte in dem Schriftstück gehen aber davon aus, dass ein Patient noch prinzipiell am Leben ist.

So wird die Medikation eines hirntoten Patienten missgedeutet, ebenso die Reflexreaktionen des Körpers falsch interpretiert. Das schlagende Herz wird nur noch durch Maschinen am Leben erhalten, ist jedoch kein Indiz dafür, dass der Patient eigentlich noch lebt, wenn festgestellt wurde, dass das Hirn nicht mehr arbeitet.

Somit steht zwar auf dem Totenschein tatsächlich erst das Datum der Organentnahme als Todesdatum, allerdings auch nur deswegen, weil zu diesem Zeitpunkt dann auch die Maschinen abgeschaltet werden, welche den Kreislauf und die Organe am Leben erhalten haben, während das Hirn, somit auch der Mensch, im Prinzip schon tot waren.

Der Hirntod selbst wird auch deshalb nicht direkt als Todesdatum verwendet, da es nicht möglich ist, einen exakten Zeitpunkt dafür festzulegen: Ärzte schauen nicht einfach kurz, sagen „Hirntod“ und haken es ab, sondern das EEG des Patienten darf mindestens vier bis acht Wochen lang keinerlei Hirntätigkeiten vorweisen.

Schlussendlich ist das Schriftstück also eine Sammlung von falschen Behauptungen und Missinterpretationen über Organentnahmen

 

Quelle: 

https://www.mimikama.at/allgemein/faktencheck-organspende/

 

 

 

 

 

Donnerstag, 18.07.2019, 10:24

Organspende ist ein schwieriges Thema - nicht nur hinsichtlich der aktuellen Diskussion um die Widerspruchslösung. Für viele Menschen ist immer noch die Frage nur unvollständig geklärt, ob es als Hirntoter wirklich keinen Weg mehr zurück gibt. Ein Kommentar von FOCUS-Online-Gastautor Heiko Burrack.

Die Frage, ob es als Hirntoter wirklich keinen Weg mehr ins Leben gibt, stellt auch Frau Kelle in ihrem Gastbeitrag und beantwortet sie gleich: Aus ihrer Sicht haben Mediziner das Hirntodkonzept geschaffen, damit sie straffrei Menschen Organe entnehmen können. Die offensichtliche Begründung liegt auf der Hand: Wie sonst könnten hirntote Frauen Kinder gebären und wie sonst kommt es bei der Organentnahme zu einem Anstieg des Blutdrucks.

Wären diese Menschen wirklich tot, wäre dies aus Sicht von Frau Kelle nicht möglich. Nun ist hier die Antwort ein wenig komplizierter. Ich beginne mit der Frage, warum überhaupt das Hirntodkonzept eingeführt wurde. Die Gründe finden wir Ende der 50er-Jahre des letzten Jahrhunderts. Seinerzeit gab es in der Intensivmedizin viele Innovationen.

 

Die Intensivmedizin hat heute ganz andere Möglichkeiten als früher

Ärzte können seither Patienten künstlich beamten; vorher sind sie verstorben, wenn sie nicht mehr selbsttätig Luft holen konnten. Der Herztod war die Folge. Nun konnten die Ärzte vielen von ihnen eine Brücke zurück ins Leben bauen. Genau daraus hat sich aber die Frage entwickelt, wie lange die Ärzte diese und andere Maßnahmen durchführen durften. Wann ist dies ethisch nicht mehr zulässig?

Die Antwort ist Ende der 50er-Jahre des letzten Jahrhunderts wie heute die gleiche: Man muss damit aufhören, wenn der Hirntod eingetreten ist. Damals wurde der Begriff Coma depasse eingeführt, der genau diesen Zustand beschreibt. An der Frage und der Antwort darauf hat sich nichts geändert. Der Hirntod hat also mit der Transplantation im ersten Schritt wenig zu tun. Er ist vielmehr auf Fortschritte in der Intensivmedizin zurückzuführen. 

Einen Toten darf man nicht mehr beatmen

Ein zweiter Fehler besteht eben genau im unzulässigen Verknüpfen von Transplantation und Hirntod. Jeder Leser kommt zu der Annahme, dass beide Themen fest miteinander verwoben sind. Natürlich kann man in Deutschland nur dann Organe entnehmen, wenn der Hirntod festgestellt wurde. Aber wird diese Diagnose auch bei einem Patienten durchgeführt, bei dem die Organe definitiv nicht explantiert werden?

Die Antwort ist ein eindeutiges Ja. Im Zweifelsfall müssen die Ärzte diesen Diagnoseschritt gehen, weil man auch hier feststellen muss, ob jemand tot ist. Dabei schließt sich der Kreis, da die Ärzte nach der Feststellung des Hirntodes sofort mit jeder Therapie aufhören. Es gibt dann keinen Weg mehr zurück und genau deswegen ist es ethisch nicht mehr in Ordnung weitere Maßnahmen durchzuführen. Oder kurz: Einen Toten darf man nicht mehr beatmen.

Wie ein Kind in einer Toten heranwachsen kann

Wenn aber zum Beispiel eine Frau tot ist, wie kann sie dann noch ein Kind gebären und warum ist das Sperma eines Mannes noch zeugungsfähig? Beim Sperma ist die Sache einfach: Sterben ist ein Prozess. Auch wenn das Herz für immer aufgehört hat zu schlagen, bricht nicht das gesamte Leben im Körper zusammen. Der Magen verdaut noch einige Stunden weiter und die Hornhaut kann man noch 48 Stunden danach zur Spende für Blinde entnehmen.

Bei der hirntoten Schwangeren ist es etwas komplizierter: Hier geht es nicht mehr darum, das Leben dieser Frau zu retten; sie ist tot. Die Ärzte wollen nur noch ein lebendes Baby zur Welt bringen. Die Plazenta arbeitet dabei weitestgehend autonom, wenn genug Sauerstoff und Nährstoffe im Blut sind. Wie weitestgehend dies heute schon möglich ist, zeigt das Heranwachsen eines Lämmchens in einem Plastikbeutel.

Hirntote haben noch Reflexe

Wie sieht es aber mit dem im Text von Frau Kelle erwähnten Blutdruckanstieg aus? Solche Reaktionen gehören in das weite Feld der spinalen Reflexe und sind sicherlich das größte Problem. Sie sind es nicht, weil sich daraus Zweifel am Hirntod ableiten lassen. Für die Angehörigen, für die Ärzte und auch für das Pflegepersonal stellen sie vielmehr eine psychologische Herausforderung dar. Neben einem Anstieg des Blutdrucks kann es bei Hirntoten noch vor der Operation zu Bewegungen der Finger, aber auch der Hände und der Arme kommen.

Auch wenn ganz ausgeprägte Bewegungen selten sind, können sie gerade von den Angehörigen nur als Schock empfunden werden. Aber was passiert da genau? Reflexe, also eine unwillkürliche und gleichartige Reaktion auf einen bestimmten Reiz, können entweder über das Gehirn oder das Rückenmark geschaltet werden. Ein Reflex des Gehirns ist zum Beispiel das Verengen der Pupillen, wenn wir von einer dunklen in eine helle Umgebung gelangen. Auch die Atmung ist ein solcher Reflex des Stammhirnes.

Alle diese über unser Denkorgan gesteuerten Reaktionen sind bei einem hirntoten Menschen nicht mehr zu finden und kommen nie wieder. Da aber das Rückenmark noch funktionsfähig ist, sind diese darüber gesteuerten Reflexe noch voll sichtbar. Bei einem Hirntoten wird sich der Unterschenkel also bewegen, wenn man die richtige Stelle am Knie trifft. Die Bewegungen sind aber auch deshalb so ausgeprägt, weil das Gehirn nicht mehr regulierend eingreifen kann.

Die involvierten Ärzte profitieren vom Festellen des Hirntods nicht

Um überhaupt Organe spenden zu können, müssen außerdem Voraussetzungen gegeben sein. Ich nenne hier nur einige: Der Patient muss im tiefsten Koma liegen und befindet sich damit immer auf einer Intensivstation. Und er wird künstlich beatmet. Sind diese und weitere Vorrausetzungen erfüllt, werden in einem zweitstufigen Prozess die Hirnstammreflexe überprüft.

Beim zweiten Durchgang sprechen wir vom Unwiederbringlichkeitstest, weil er zeigt, dass das Gehirn nicht wiederherstellbar verloren ist. Aber auch an die Untersucher werden spezielle Anforderungen gestellt. Die Ärzte müssen voneinander unabhängig sein und es muss sich jeweils um Fachärzte handeln, also zum Beispiel um Neurologen oder Neurochirurgen. Beide müssen mehrjährige Intensivmediziner sein.

Auch wenn ich den Prozess hier nur ganz kurz angerissen habe, sieht man schon, dass er mit viel Aufwand verbunden ist. Es sei nochmals festgehalten, dass die involvierten Ärzte davon nicht profitieren. Sie haben nur mehr Arbeit.

 

Info: Organspende

Für eine Organspende müssen zwei Voraussetzungen erfüllt sein:

  • Bei dem Patienten muss durch mehrere Untersuchungen ein irreversibler Ausfall der Hirnfunktion zweifelsfrei festgestellt worden sein – unabhängig voneinander durch zwei verschiedene Ärzte.

  • Es muss eine Einwilligung des Patienten zur Organspende vorliegen, etwa in Form eines Organspendeausweises. Gibt es keine Aussage des Patienten dazu, werden die Angehörigen um eine Entscheidung im Sinne des Verstorbenen gebeten.

Gespendet werden können generell Herz, Lunge, Niere, Leber, Bauchspeicheldrüse und Teile des Darms. Dabei ist es auch möglich, bestimmte Organe von der Spende auszuschließen.

 

Weniger Oberflächlichkeit, mehr Tiefe bitte

Was bleibt: Das Hirntodkonzept ist im Detail schwierig und kann in der Praxis schockierend sein. Das ändert aber nichts daran, dass man gerade bei einem solchen Thema keine Ängste schüren, sondern unter die Oberfläche blicken sollte.

 

 

"Für Hirntote gibt es keine Hoffnung, wieder aufzuwachen"

Viel zu wenige Deutsche spenden Organe. Manche haben Angst, dass etwas schiefläuft, zeigt eine ZEIT-ONLINE-Umfrage. Ein Experte erklärt, warum das nicht nötig ist.

Interview: Victor Karpinski

26. Juni 2019, 10:51 Uhr

Im Bundestag wird an diesem Mittwoch über zwei Gesetzentwürfe zur Reform des Organspenderechts debattiert. Drei Menschen sterben jeden Tag in Deutschland, weil sie kein Spenderorgan bekommen. Und das, obwohl die allermeisten Deutschen der Organspende positiv gegenüberstehen. Wo liegt also das Problem? ZEIT ONLINE hat seine Leserinnen und Leser gefragt, ob sie Angst vor der Organspende haben. Über die Zuschriften, die uns erreicht haben, haben wir mit Christian Hugo gesprochen, Generalsekretär der Deutschen Transplantationsgesellschaft.

ZEIT ONLINE: Einige unserer Leser haben Angst vor der Organspende. Besonders häufig davor, zu früh für hirntot erklärt zu werden.

Christian Hugo: Es kursieren viele Geschichten darüber, dass irgendwann mal irgendjemand fälschlicherweise zu früh für hirntot erklärt worden ist. Nur sind das eben Gerüchte. In Deutschland wurde bis heute kein einziger derartiger Fall nachgewiesen. Ich kann Ihren Lesern versichern: Diese Angst ist vollkommen unberechtigt.

Sobald ein Verdacht auf irreversiblen Hirnfunktionsausfall, also Hirntod, 

besteht, wird eine ganze Palette an Untersuchungen durchgeführt (siehe 

Infobox). Zwei unabhängige Ärzte prüfen und stellen fest, ob der Patient die 

typischen Symptome des Hirntodes aufweist. Dazu müssen beispielsweise 

jegliche Hirnströme auf dem EEG erloschen und alle Hirnstammreflexe 

ausgefallen sein. Bei der Prüfung muss immer ein erfahrener Neurologe dabei 

sein. All das wird mindestens zweimal nach 12 oder 72 Stunden überprüft. 

Das Verfahren ist extrem sicher.

 

 

ZEIT ONLINE: Einige Leser wollten wissen, ob der Spender bei der Entnahme eine Narkose erhält.

Hugo: Grundsätzlich braucht der Spender keine Narkose, denn bei einem festgestellten Hirntod kann er keine Schmerzen mehr empfinden. Sein Gehirn ist nicht mehr durchblutet, alle Zentren, die für die bewusste Wahrnehmung zuständig sind, arbeiten nicht mehr. Wenn manche Krankenhausärzte dennoch eine Narkose durchführen, machen sie das aus einem anderen Grund: Sie wollen unwillkürliche Muskelzuckungen unterbinden. Basale Teile des Nervensystems, die mit dem Bewusstsein rein gar nichts zu tun haben, wie zum Beispiel die Reflexbögen im Rückenmark, können auch bei Hirntoten noch funktionieren. Ich verstehe, dass das für Laien manchmal schwer zu verarbeiten ist, weil sie unwillkürliche Bewegungen für ein Lebenszeichen halten. Deshalb muss ich noch einmal betonen: Für Hirntote gibt es keine Hoffnung, wieder aufzuwachen.

ZEIT ONLINE: Eine andere Angst unserer Leser: Weil Ärzte oder Angehörige schnell an die Organe eines schwerkranken Menschen heranwollen, wird auf Maßnahmen verzichtet, um ihn zu heilen oder am Leben zu halten.

Hugo: Das genaue Gegenteil ist der Fall. Ärzten an deutschen Kliniken geht es immer darum, Leben zu retten. Oft sind Ärzte ja mit dem gegenteiligen Vorwurf konfrontiert: zu viel zu machen, Menschen auf der Intensivstation zu lange am Leben zu halten. Wenn manche Patienten trotz aller Maßnahmen nicht zu retten sind und der Krankheitsverlauf eine offensichtliche reine Leidensverlängerung ohne Chancen auf Erholung zeigt, werden die therapeutischen Maßnahmen eingefroren oder beendet, und der Patient stirbt. Leider denken die Ärzte in diesen Fällen und Situationen nicht immer daran, dass dieser Patient möglicherweise seine Organe hätte spenden wollen.

ZEIT ONLINE: Viele unserer Leserinnen und Leser sagen: Wenn ich schon bereit bin zu spenden, möchte ich auch, dass die Transplantation erfolgreich verläuft. Wie häufig kommt es vor, dass Transplantationen schiefgehen?

Hugo: Transplantationen sind an deutschen Kliniken Routine. In den allermeisten Fällen gehen sie gut. Aber natürlich kann es auch zu Komplikationen kommen. Wie erfolgreich eine Transplantation ist, hängt von ganz verschiedenen Dingen ab: vom Transplantationsteam, dem Krankheitszustand des Organempfängers, davon, unter welchen Umständen der Spender gestorben ist und natürlich von der Qualität der Organe. Wir haben in Deutschland im Schnitt alles andere als optimale Spenderorgane, aber auch überproportional kranke Organempfänger, da sich während der langen Wartezeit auf ein Organ der Gesundheitszustand der Empfänger kontinuierlich verschlechtert. Dennoch funktionieren zum Beispiel von 100 gespendeten Nieren nach einem Jahr noch weit über 90 Prozent.

ZEIT ONLINE: Woran liegt es, dass wir keine optimalen Organe haben?

Hugo: Je jünger der Spender, desto besser funktionieren die Organe und desto besser ist die Reservefunktion der Organe. Das Spendenalter aber liegt in Deutschland bei durchschnittlich 55 Jahren. Weil wir in Deutschland europaweit die geringste Spenderquote haben, können wir es uns nicht erlauben, auf ältere Organe zu verzichten. Für die Nierentransplantation gibt es deshalb das European Senior Program, in dem Spender, die älter als 65 Jahre sind, Organe von über 65-Jährigen bekommen.

ZEIT ONLINE: Hätten wir mehr Spender in Deutschland, hätten wir also auch höhere Erfolgsraten?

Hugo: Ja. In Deutschland sind die Ergebnisse in der Nieren-Lebendspende im Europäischen Vergleich besonders gut, aber bei der Spende nach dem Tod, wo die Spendersituation in Deutschland katastrophal ist, unterdurchschnittlich. In Ländern, in denen postmortal mehr Organe gespendet werden, warten die Patienten kürzer und überstehen die Operation im Schnitt besser, die Erfolgsrate steigt. Spanien ist mit 46,9 Spenderinnen und Spendern je eine Millionen Einwohner und Jahr das führende Land in Europa. In Deutschland kommen wir nur auf circa 10 Spender pro Million Einwohner.

ZEIT ONLINE: Noch etwas hat unsere Leserinnen und Leser bewegt. Passiert es manchmal, dass ein qualitativ hochwertiges Organ, das bereits entnommen wurde, nicht transplantiert wird, weil die Organisation versagt, es beispielsweise logistische Probleme gibt?

Hugo: Das kann man grundsätzlich nie ausschließen. Aber mir ist kein einziger Fall bekannt, in dem das passiert ist. Die Organspende ist ein komplett durchorganisierter komplexer Prozess, der von der Deutschen Stiftung Organtransplantation sehr kompetent ausgeführt wird.

 

ZEIT ONLINE: Wie sieht es mit Missbrauch und Organhandel aus? Der deutschlandweite Organspendeskandal vor sieben Jahren hat Vertrauen gekostet. Was wird getan, damit sich so etwas nicht wiederholt?

Hugo: Vor sieben Jahren haben einige Ärzte an bestimmten Krankenhäusern und Transplantationszentren einzelne Patienten auf dem Papier kränker gemacht haben, als sie waren. Das ist Missbrauch, den man nicht entschuldigen kann. Es handelte sich aber nie um Organhandel, sondern darum, dass Ärzte ihre eigenen Patienten bevorzugt haben. Inzwischen ist das strafbar und an Krankenhäusern wurden zahlreiche Änderungen eingeführt. Es gibt jetzt Mehraugen-Transplantationskommissionen und regelmäßige strenge Kontrollen durch eine zentrale Prüfungs- und Überwachungskommission, außerdem wurde eine Vertrauensstelle für Transplantationsmedizin gegründet.

ZEIT ONLINE: In unserer Umfrage stellte sich auch heraus: Manche misstrauen der Deutschen Stiftung Organtransplantation (DSO). Können Sie das nachvollziehen?

Hugo: Nein, überhaupt nicht. Die DSO war gar nicht in den Skandal involviert. Sie kümmert sich erst, wenn der irreversible Hirnfunktionsausfall bereits festgestellt ist und organisiert dann den Ablauf der Organspende. Sie hat keinen Einfluss darauf, wer die Organe erhält und auch keinen Interessenkonflikt. Die DSO erfüllt kompetent eine wichtige, klar umschriebene, vor allem organisatorische Aufgabe, es gibt keinen Grund, ihr zu misstrauen.

 

 

Ärztepräsident: Empfang von Spenderorgan von Spendebereitschaft abhängig machen

In der Debatte um Organspenden hat Ärztepräsident Klaus Reinhardt dafür geworben, den Empfang eines Spenderorgans teilweise von der eigenen Spendebereitschaft abhängig zu machen.

20. Juni 2019

In der Debatte um Organspenden hat Ärztepräsident Klaus Reinhardt dafür geworben, den Empfang eines Spenderorgans teilweise von der eigenen Spendebereitschaft abhängig zu machen. Das sei "diskussionswürdig", sagte der neue Präsident der Bundesärztekammer den Zeitungen der Funke-Mediengruppe (Donnerstagsausgaben). "Wer bereit ist zu geben, kann bevorzugt empfangen."

Reinhardt verwies auf eine Regelung in Israel. Dort hänge der Platz auf der Empfängerliste bei Organtransplantationen auch davon ab, ob und wann sich jemand zum Spender erklärt habe. "Wer zu einer Spende bereit ist, wird bei der Transplantation eines Organs bevorzugt", sagte der Ärztekammerpräsident. "Das intensiviert den Gedanken, sich mit dem Thema zu befassen." Es wundere ihn, dass dies in der politischen Debatte in Deutschland bisher keine Rolle gespielt habe.

In der Diskussion um Organspenden wirbt Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) für die sogenannte Widerspruchslösung. Demnach soll künftig jeder Bürger als Organspender gelten, solange er dem nicht ausdrücklich widerspricht. Einen entsprechenden Gesetzentwurf hat Spahn zusammen mit dem SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach vorgelegt.

Kritiker, vor allem Grünen-Chefin Annalena Baerbock und Linken-Chefin Katja Kipping, setzen stattdessen auf mehr Information und Beratung. Sie haben einen eigenen Gesetzentwurf vorgestellt.

 

Bundes­ärzte­kammer­präsident schlägt neue Regeln bei Organspende vor

Donnerstag, 20. Juni 2019

Berlin – Der Präsident der Bundes­ärzte­kammer, Klaus Reinhardt, hat neue Re­geln bei der Organspende vorgeschlagen. Wer selbst zur Organspende bereit sei, könne auch bei der Vergabe von Spenderorganen bessergestellt werden, sagte Rein­hardt heute den Zeitungen der Funke Mediengruppe.

„Den Empfang eines Spenderorgans von der eigenen Bereitschaft zur Spende abhän­gig zu machen, finde ich diskussionswürdig“, sagte er. „Wer bereit ist zu geben, kann bevorzugt empfangen.“ Reinhardt bezog sich bei seinem Vorschlag auf eine Regelung in Israel. Dort hänge der Platz auf der Empfängerliste bei Organtransplantationen auch davon ab, ob und wann sich jemand zu Lebzeiten zum Spender erklärt habe.

„Wer zu einer Spende bereit ist, wird bei der Transplantation eines Organs bevorzugt. Das intensiviert den Gedanken, sich mit dem Thema zu befassen“, sagte Reinhardt. Es wundere ihn, dass dies in der politischen Debatte in Deutschland bisher keine Rolle gespielt habe.

In der kommenden Woche wird der Bundestag das erste Mal über eine Neuregelung der Organspende debattieren. Zur Diskussion steht dabei unter anderem die von Bun­des­ge­sund­heits­mi­nis­ter Jens Spahn (CDU) vorgeschlagene Widerspruchslösung.

Danach wird automatisch jeder zum Organspender, der nicht zu Lebzeiten widerspro­chen hat. Reinhardt nennt das eine gute Lösung. „Länder wie Spanien, in denen es die Widerspruchslösung gibt, haben eine deutlich höhere Zahl von Transplantationen. Das erhoffe ich mir auch für Deutschland“, erklärte er.

Wenn die Menschen durch die Widerspruchslösung „wohlmeinend angestupst“ wür­den, um sich mit Organspende zu befassen, sei das gut. Auch der konkurrierende Ge­setzentwurf zu Spahns Vorschlag, der eine regelmäßige Befragung der Bürger und die Einrichtung eines Spenderregisters vorsieht, sei „ein Fortschritt“, sagte Reinhardt. © kna/aerzteblatt.de

 

 

Stiftung Patientenschutz zum deutschen Organspendesystem: Der Staat 

sollte mehr Macht bekommen

Epoch Times1. Juni 2019 

Bisher sind die Schlüsselfunktionen wie Organisation und Durchführung von Organspenden von privatrechtlichen Akteuren besetzt, erklärt Eugen Brysch, Vorstand der Stiftung Patientenschutz. Selbst bei den Verteilungsregeln und der Kontrolle sei der Staat weitestgehend außen vor. Er fordert eine Änderung.

Eugen Brysch, Vorstand der Stiftung Patientenschutz verlangt mehr Verantwortung für staatliche Institutionen beim Thema Organspende.

Er forderte, die Verantwortung für das Transplantationssystem auf eine staatliche Institution zu übertragen. Bisher seien die Schlüsselfunktionen wie Organisation und Durchführung von privatrechtlichen Akteuren besetzt.

Selbst bei den Verteilungsregeln und der Kontrolle sei der Staat weitestgehend außen vor. Daher sei es nicht verwunderlich, dass letztlich nur 36 Prozent einen Organspendeausweis besäßen, kritisierte Brysch.

Die Stiftung Patientenschutz kritisierte weiterhin, das alle bisherigen Bemühungen und Gesetzentwürfe zum Thema Organspende die Gerechtigkeitsfrage außer Acht lassen. Das Vertrauen in die Gerechtigkeit sei aber „eine Voraussetzung für eine positive Stimmung bei der Organspende“.

Ältere Bürger zweifeln an der Gerechtigkeit im Organspendersystem

Vor allem ältere Bundesbürger haben Zweifel an der Gerechtigkeit des Organspendesystems. Mehr als ein Drittel (36 Prozent) halten das Transplantationssystem in Deutschland nicht für gerecht, wie aus einer Umfrage der Deutschen Stiftung Patientenschutz hervorgeht, die der Nachrichtenagentur AFP am Samstag vorlag. Die Hälfte der Befragten (50 Prozent) hält das System hingegen für gerecht.

Erhebliche Unterschiede zeigen sich in den Altersgruppen. Während bei den 14- bis 29-Jährigen fast zwei Drittel (65 Prozent) meinen, dass das Organspendesystem gerecht sei, sinkt die Zustimmung mit dem Alter.

Bei den 30- bis 59-Jährigen denkt weniger als die Hälfte so (47 Prozent), bei den über 60-Jährigen halten nur 44 Prozent das System für gerecht. Das Marktforschungsunternehmen Kantar hatte für die Erhebung Mitte Mai 1025 Menschen ab 14 Jahren befragt.

Tag der Organspende in Kiel

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) warb zum Tag der Organspende am Samstag erneut für die sogenannte Widerspruchslösung. „Ich finde, jeder Mensch sollte sich zumindest ein Mal im Leben mit dem Thema Organspende auseinandersetzen“ erklärte Spahn auf Twitter. Angesichts des großen Mangels an passenden Organen in Deutschland dankte Spahn den Spendern: Leben zu schenken bedeute „größtmögliche Solidarität“.

In einem Gastbeitrag für die „Passauer Neue Presse“ vom Samstag hatte Spahn zuvor betont, dass es bei der Widerspruchslösung keinen Automatismus gebe. Volljährige Bürger als potenzielle Organspender sollten künftig „dreimal angeschrieben und auf diese Rechtsänderung hingewiesen“ werden – „und sie können jederzeit widersprechen“, schrieb der Minister. Falls dies nicht zu Lebzeiten passiere, würden die Angehörigen nach dem Willen der Verstorbenen gefragt.

„Die einzige Pflicht wäre, sich Gedanken zu machen“, erklärte der Minister. „Ich finde, ein ‚Nein‘ auszusprechen, ist angesichts der bedrückenden Lage auch in unserer freien Gesellschaft zumutbar.“

AfD: Widerspruchslösung und Zwangsmaßnahmen

Bei der Organspende gilt bislang die sogenannte Entscheidungsregelung, derzeit stehen bundesweit etwa 10.000 Menschen auf der Warteliste für ein Spenderorgan.

Spahn setzt sich mit dem SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach für die Widerspruchslösung ein; Kritiker, vor allem Grünen-Chefin Annalena Baerbock und Linken-Chefin Katja Kipping, setzen stattdessen auf mehr Information und Beratung und stellten einen eigenen Gesetzentwurf vor.

Der gesundheitspolitische Sprecher der AfD-Bundestagsfraktion, Axel Gehrke, bekräftigte am Samstag die Forderung der AfD nach einer „Vertrauenslösung“. Eine Widerspruchslösung werde „allein schon durch die damit verbundene Zwangsmaßnahme eher das Gegenteil erreichen“, kritisierte er. (afp/dpa)

 

TUM VORTRAG

Freisinger Forscherin: Das Schwein als künftiger Organspender

Schwein gehabt“ könnte es bald schon heißen, wenn Menschen ein Spenderorgan brauchen. In Freising referierte Forscherin Prof. Angelika Schnieke.

Freising– Sicher erinnern sich viele noch an Dolly, das erste Schaf aus der Retorte. In den 1990er-Jahren schaffte es ein Team aus Wissenschaftlern, das Tier aus einer einzigen Zelle zu reproduzieren. Eine von ihnen war Professor Angelika Schnieke. Seitdem hat sich viel getan in der Forschung und Schnieke arbeitet heute an ihrem Lehrstuhl für Biotechnologie an der TUM daran, das Schwein zum Organspender des Menschen zu machen. In der beliebten Reihe „Wissensschaft für alle erklärt“ gab die Professorin jetzt Einblick in ihr Fach.

Dabei musste man als Zuhörer konzentriert dabei sein. Biotechnologie, Genforschung – ein komplexes Thema, das für Normalsterbliche schwer zu greifen ist. Noch schwieriger wird es, wenn die Folien in der Präsentation vor allem auf Englisch sind. Doch die Zuhörer lauschten gespannt, zu faszinierend fanden sie wohl die Vorstellung, dass ein Schweineherz einmal ihr Leben retten könnte.

Nur drei von 1000 Organen sind tauglich

Dass die Forschung nach alternativen Organspendemöglichkeiten enorm wichtig ist, zeigte Angelika Schnieke gleich zu Beginn auf. Deutschland sei im europaweiten Vergleich am unteren Ende der Liste, wenn es um die Spenderwilligkeit geht. Aber selbst wenn mehr Menschen spenden würden: „Es sind ohnehin nur drei von 1000 Organen tauglich“, sagte sie und folgerte: „Ein Mangel wird bleiben.“ Und hier kommt das Schwein ins Spiel, das Säugetier, dessen Organe denen des Menschen physiologisch sehr ähnlich sind. Langfristiges Ziel ist es, die Organe des Tieres genetisch so zu verändern, dass sie der menschliche Körper nicht mehr abstößt. Xenotransplantation nennt man das dann, die Transplantation zwischen zwei Spezies.

Algen sind die Lösung

Klingt verrückt? Ist aber mehr als reine Zukunftsmusik. Schweineherzklappen werden bereits transplantiert. Auch sogenannte Inselzellen, eine Zellgruppe in der Bauchspeicheldrüse, die Insulin produziert, können bereits verpflanzt werden. Damit sie vom Körper nicht abgestoßen werden, müssen sie derzeit in einem kleinen Container in die Bauchdecke eingesetzt werden. Und weil die Zellen so nicht mit Sauerstoff versorgt werden, muss der von außen zugeführt werden. „Da hängen Schläuche aus dem Bauch, das ist noch nicht so optimal“, zog Schnieke Bilanz. Allerdings könnten Algen im Container die Lösung sein. Die würden durch Lichtbestrahlung Sauerstoff produzieren. Daran arbeitet man gerade. Ganze Organe hat man auch schon in Tierversuchen transplantiert. So hat zum Beispiel ein Affe mit einem zusätzlichen Schweineherz drei Jahre überlebt.

Die Sache mit den Inselzellen

Problem bei allen Transplantationen: ein Zuckermolekül, das sogenannte Alpha-Gal, aufgrund dessen der Mensch das Organ sofort abstößt.

Um das zu verhindern, wollen die Forscher die Schweinegenetik verändern. Das könnte auch andere menschliche Probleme lösen, etwa Fleischallergien. In etwa fünf Jahren soll die Methode mit den Inselzellen klinikreif sein, die Sache mit dem Herz allerdings frühestens erst in zehn Jahren.

Aber die Forschung schreitet weiter voran. Dann könnte man bald sagen „Schwein gehabt“.

 

 

 

 

 

 

Stand: 27.05.2019

Organspende: Ziel ist, den Empfängern Gutes zu tun

von Andreas Schmidt

Bundesweit warten fast 10.000 Menschen auf ein Spenderorgan. Viele sterben, bevor sie eine rettende Spende erhalten können. Am 1. Juni ist Tag der Organspende. Im Schleswig-Holstein Magazin widmen wir dem Thema eine ganze Wochenserie: Wie ist es, jahrelang auf ein Organ zu warten, wie lebt es sich mit Organen eines anderen Menschen im eigenen Körper, wie läuft eine Spende ab?

Das Leben sucht sich seinen Weg, genau wie der Tod. Diesmal war es an einem Sonntagmorgen im Mai, als der Anruf kam. Im Bundeswehrkrankenhaus in Hamburg ist eine Patientin verstorben. Der Kieler Chirurg Dr. Jan Beckmann fährt hin, um ihre Organe zu entnehmen. "Das ist für uns ein professionelles Herangehen und das Ziel dabei ist, am Ende auch den Empfängern mit den Organen Gutes zu tun", erklärt Beckmann. "Das ist sicherlich manchmal nicht ganz einfach. Jetzt bei älteren Personen ist es für uns vielleicht auch einfacher. Aber es gibt natürlich auch Situationen, wo Kinder zur Organentnahme anstehen. Da ist es für alle Beteiligten nochmal deutlich belastender", so Beckmann.

Die Vorbereitungen laufen den ganzenTag

Die Körperfunktionen der Patientin werden bis zur Organentnahme künstlich aufrecht erhalten. Ein irritierender Anblick: Der Brustkorb hebt und senkt sich, aber nur durch die Beatmungsmaschine. Schon den ganzen Tag über laufen die Vorbereitungen. Die Frage ist, ob die Organe gesund genug für eine Transplantation sind. Jan Beckmann wird es erst nach der Operation wissen.

Auch juristisch sind die Hürden für die Organentnahme genommen. Nach dem Organspendenskandal vor sieben Jahren sind die Regeln noch einmal verschärft worden. Richtig findet Beckmann. Er braucht Sicherheit. Denn er arbeitet in einem Grenzbereich. In diesem Fall ist die Zustimmung der Patientin eindeutig durch ihren Spenderausweis nachvollziehbar. Die ältere Frau ist nach einem erfüllten Leben gestorben. Schon vor der Operation waren Leber und Nieren der Verstorbenen an Kranke vergeben. Wer die Organe erhält und wo sie eingesetzt werden, das bleibt geheim.

Jeder sollte sich entscheiden - und darüber sprechen

Für niemanden im OP-Saal ist das hier leicht. "Man steht auch so ein bisschen vor der Frage, wie würde ich reagieren, wie würde ich für meine Angehörigen entscheiden", sagt Dr. Ingo Meisenburg von der Deutschen Stiftung Organspende. "Deswegen finde ich es auch so wichtig, dass jeder seine Entscheidung selber trifft und auch darüber spricht. Denn es ist oft eine große Last für Angehörige, eine solche Frage entscheiden zu müssen, so Meisenburg.

In diesem Fall war die Organspende eindeutig von der Patientin bestimmt. Das ist Beckmann am liebsten. Eine Leber kann etwa zwölf Stunden außerhalb eines Körpers überleben, eine Niere sogar 24 Stunden. Einpflanzen werden sie andere Chirurgen in den Empfängerkliniken. Vorher untersuchen Spezialisten noch Gewebeproben, damit nicht doch eine bislang unentdeckte Krankheit mit verpflanzt wird.

Eine Tote - und drei Menschen können wieder hoffen

Jan Beckmann ist fertig: "Gerade am Anfang handelt es sich eigentlich um eine normale Operation, wir machen einen Hautschnitt, der Patient ist anästhesiologisch betreut. Insofern ist das zu Beginn eine gewohnte Situation. Aber das Ende ist sicherlich abweichend", erklärt Beckmann sichtlich erschöpft. Zwei Nieren, eine Leber. Drei Menschen, die dem Tod nahe sind, können jetzt auf das Leben hoffen. Und die Chirurgen haben am nächsten Tag um sieben wieder Dienst.

 

 

Wissen Organspenden 19.05.2019

Forscher regenerieren Schweineherzen: Hilfe bei geschädigten 

Spenderlungen?

Der Mangel an Organspenden ist ein großes Problem. Einen möglichen medizinischen Ausweg haben US-Forscher geprüft. Der Wert für die klinische Praxis sei allerdings begrenzt, gibt ein Experte zu bedenken.

New York 

Mit dem Ziel, die Zahl verfügbarer Spenderlungen zu erhöhen, haben Wissenschaftler ein Verfahren zur schnellen Lungenregeneration entwickelt. Dabei wird das Organ außerhalb des Körpers therapiert, um es in einen Zustand zu bringen, in dem es für die Transplantation geeignet ist. „Bemerkenswerterweise werden bis zu 80 Prozent der gespendeten Lungen nicht verwendet, häufig als Folge einer Verletzung zum Zeitpunkt des Todes“, erläutern die Forscher um Matthew Bacchetta von der Vanderbilt University in Nashville (Tennessee/USA) in der Fachzeitschrift „Nature Communications“.

Eine Ursache für Verletzungen ist das Verschlucken von Erbrochenem, das durch den hohen Säuregehalt die Luftwege der Lunge verätzt. Bacchetta und Kollegen entwickelten und testeten eine Methode, um solche Verletzungen schnell zu kurieren und die Lunge in einen transplantationsfähigen Zustand zu versetzen.

Schon nach 18 Stunden hatte sich die Lunge erholt

Die Forscher verwendeten Schweine als Modellorganismen. Sie platzierten Mageninhalt mit einem pH-Wert von 2 (sehr sauer) in einen Lungenflügel. Nach sechs Stunden entnahmen sie die komplette Lunge und schlossen den Blutkreislauf über Kanülen außerhalb des Körpers an ein zweites Schwein an („Cross Circulation“). Dann wurde die Lunge künstlich beatmet und die Wissenschaftler führten therapeutische Maßnahmen durch: Sie spülten innerhalb von 15 Minuten dreimal die Luftwege der Lunge. Dann ersetzten sie den oberflächenaktiven Stoff (Surfactant). Schließlich ergriffen sie Maßnahmen, um möglichst viele Lungenbläschen zu reaktivieren.

Während der Prozedur und des Heilungsprozesses maßen die Forscher zahlreiche biologische Funktionen, zum Teil über Biomarker. Schon nach 18 Stunden hatte sich die Lunge gut erholt. Nach 36 Stunden war der verletzte Lungenflügel zwar noch nicht wieder komplett regeneriert, doch waren die Werte so gut, dass die Lunge hätte transplantiert werden können. Die Forscher testeten ihr Verfahren an insgesamt acht Schweinen. Außerdem zeigten sie, dass der Heilungsprozess mit einer weiterentwickelten Thermografietechnik gut überwacht werden kann.

Methode in der Praxis ungeeignet?

Als Einschränkung ihrer Studie geben die Forscher an, dass nur eine von vielen Verletzungsarten getestet wurde und auch nur an einem Lungenflügel. Auch müssten in weiteren Studien die Auswirkungen der Immunsuppression – der Unterdrückung des Immunsystems zur Verringerung der Abstoßungsreaktion – untersucht werden. Jedes Jahr stürben Tausende Patienten, während sie auf geeignete Organe für die Transplantation warteten, schreiben die Forscher. „Die Wiederherstellung eines ungeeigneten Organs kann ihre einzige Chance für eine Transplantation und ein Überleben darstellen.“

Für grundsätzlich gut gemacht hält Gregor Warnecke von der Medizinischen Hochschule Hannover die Studie, an der er nicht beteiligt war. Ihm gefällt der Ansatz, dass im Tiermodell genau definierte Schäden zugefügt wurden, um exakte Messungen des Therapie- und Heilungsprozesses vornehmen zu können. Allerdings hält er die Behandlung der Lunge außerhalb des Körpers in der „Cross Circulation“ für veraltet: „Seit es Herz-Lungen-Maschinen und auch spezielle Organperfusionsmaschinen gibt, ist diese Methode eigentlich obsolet und beim Menschen auch im Grunde undurchführbar.“ 

Warnecke, der auch stellvertretender Vorsitzender der Kommission Herz/Lunge bei der Deutschen Transplantationsgesellschaft ist, sieht den Wert der Studie für die klinische Praxis als recht begrenzt an.

Von RND/dpa

 

 

Politik

Bundestag will Anfang Juni über Organspende beraten

Donnerstag, 16. Mai 2019

Berlin – Über eine Reform der Organspende will das Parlament in der ersten Juni­woche beraten. Das kündigte SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauter­bach heute vor der Presse an. Zur Debatte stehen zwei Vorschläge, mit denen die derzeitige Situation des Mangels an Spenderorganen verbessert werden soll.

Der am 1. April von Bun­des­ge­sund­heits­mi­nis­ter Jens Spahn (CDU) und Lauterbach sowie weiteren Abgeordneten vorgelegte Entwurf eines „Gesetzes zur Regelung der doppelten Widerspruchslösung im Transplantationsgesetz“ sieht im Kern vor, dass jeder volljährige Mensch in Deutschland automatisch als Organspender gilt – es sei denn, er hat dem widersprochen.

Seit dem 6. Mai liegt zudem ein Alternativvorschlag einer Gruppe von Bundestagsab­geordneten aus Union, SPD, FDP, Linken und Grünen um die Grünen-Vorsitzende Annalena Baerbock vor. Ihr Entwurf eines „Gesetzes zur Stärkung der Entschei­dungsfreiheit bei der Organspende“ setzt explizit auf eine bewusste und freiwillige Entscheidung der Menschen und deren ausdrückliche Zustimmung zur Organspende.

Für Lauterbach ist es zwar „großartig“, dass es diesen Alternativvorschlag gibt. Er sei ein guter Anstoß für die Debatte. „Inhaltlich geht er aber nicht weit genug“, sagte er. Allein durch die Einführung eines Onlineregisters sei kein Effekt auf die Zahl der ge­spendeten Organe zu erwarten.

„Wir drehen mit dem Vorschlag nur eine weitere Zeitschleife“, kritisierte er. Auch die bisherigen Bemühungen bei der Entscheidungslösung hätten schließlich nicht aus­reichend gefruchtet. „Die einzige Möglichkeit zur Steigerung der Spenderzahlen ist die Widerspruchslösung“, betonte er.

Ob man tatsächlich eine doppelte Widerspruchslösung braucht, wie von Spahn und Lauterbach gefordert, war indes bei den Ärzten und Juristen der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) bei ihrem Treffen Mitte April umstritten.

Befürworter wie Bernhard Banas, Präsident der Deutschen Transplantationsge­sell­schaft, und Henning Rosenau, Direktor des Interdisziplinären Wissenschaftlichen Zentrums Medizin – Ethik – Recht der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, sind sich sicher, dass durch eine Einführung der Widerspruchslösung die Zahl der Organ­spenden um 20 bis 30 Prozent ansteigen würde. Sie plädierten für einen „Kulturwan­del“ pro Organ­spende: „Wir brauchen eine gesellschaftliche Übereinkunft, dass man mit Organspende Leben retten kann.“

Kritiker der Widerspruchslösung hielten dagegen, dass in den vergangenen Jahren die Zahl der Organspender um 16 Prozent zugenommen, die Zahl der Organ-Transplan­tationen aber um 30 Prozent abgenommen habe. „Auch in den Ländern mit einer Wi­derspruchslösung sind die Organspenden nicht automatisch hoch gegangen“, betonte der Theologe Eberhard Schockenhoff von der Universität Freiburg.

Er halte es zudem für problematisch, so schwerwiegende Eingriffe in das Selbstbe­stimmungsrecht von Menschen vorzunehmen. „Es gibt keine moralische Verpflichtung zur Organspende“, sagte er. „Wir brauchen eine rechtliche Regelung, die die Inter­essen der Organempfänger berücksichtigt, aber auch die Freiwilligkeit des Spenders sicherstellt.“ © ER/aerzteblatt.de

 

 

Vermischtes

Mehr als 60 Prozent der Deutschen wären bei Widerspruchslösung Organspender

Mittwoch, 15. Mai 2019

Berlin – Fast zwei Drittel der Deutschen wären Organspender, wenn sie diesen Status automatisch von Geburt an hätten. Aktuell besitzen gerade einmal 36 Prozent der Bundesbürger einen Organspenderausweis. Diese große Lücke ist der bestehenden Zustimmungs­lösung geschuldet. Das stößt bei vielen Menschen in Ländern mit Wider­spruchslösung auf Kritik, wie der Stada-Gesundheitsreport 2019 zeigt.

63 Prozent der deutschen Teilnehmer gaben demnach an, dass sie ihren Status als Donor beibehalten würden, wenn auch hierzulande ein passives System bestünde.
 Unter den rund 18.000 Befragten waren jeweils rund 2.000 Befragte aus Deutschland, Belgien, Frankreich, Italien, Polen, Russland, Serbien, Spanien und dem Vereinigten Königreich. Die Befragung wurde vom Marktforschungsinstitut Kantar Health im Auftrag der Stada Arzneimittel AG durchgeführt.

Bei einer Pressekonferenz in Berlin wurde deutlich, dass in Deutschland – wie auch in Großbritannien, das ebenfalls auf eine Zustimmungslösung setzt – ein großes unge­nutz­tes Potenzial an Organspendern existiert.

Die anderen sieben untersuchten Nationen haben eine Widerspruchslösung. Dort ist nicht nur die Zahl der Organspender höher als in der Bundesrepublik, die Bevölkerung der Länder kritisiert teilweise auch das Zustimmungssystem: Knapp die Hälfte der Befragten hält das Vorgehen von Deutschland und Großbritannien für wenig sinnvoll. 22 Prozent sind sich sicher, dass dadurch viele Organspender verloren gehen, weitere 24 Prozent halten die Organspende ohnehin für ihre Pflicht.

Gene sind Privatsache

Eine weitere Frage war, wie offen die verschie­denen Nationen gegenüber neuen Trends in der Medizin sind und wie sehr sie noch auf die klassische Medizin ver­trauen. Die Deutschen schnitten in beiden Punkten unterdurchschnittlich ab. Der Gesundheitsreport zeigt, dass die Deutschen offenbar am ehesten auf die eigenen Erfahrungen vertrauen und sowohl technischem als auch medizinischem Fortschritt skeptischer gegenüberstehen als der Rest Europas.

Würde der Arzt zum Beispiel einen Gentest empfehlen, um Gesundheitsrisiken besser abschätzen zu können und eine bessere Behandlung anzubieten, würden nur 42 Prozent vorbehaltlos zustimmen. In allen anderen befragten Ländern liegt der Wert bei über 60 Prozent.

Besonders skeptisch sind deutsche Frauen und die Befragten zwischen 35 und 49 Jahren, von ihnen würden nur 39 bzw. 37 Prozent vorbehaltlos zustimmen. Weitere 24 Prozent der Deutschen würden zwar zustimmen, sich dabei aber sehr unwohl fühlen. Jeder Dritte lehnt kategorisch ab. Warum? Fehlendes Vertrauen in die Richtigkeit des Tests (8 Prozent) oder Angst, dass die eigenen Ergebnisse in die „falschen Hände“ geraten (4 Prozent). Und jeder Fünfte sagt, er möchte gar nicht wissen, welche Risiken ihn erwarten.

In anderen Nationen steht man Gentests offener gegenüber, in Spanien etwa würden 90 Prozent der Befragten einen Test durchführen lassen, wenn der Hausarzt es em­pfehlen würde. Ein durchaus überraschendes Ergebnis, wenn man bedenkt, dass nur im Schnitt 24 Prozent der Befragungsteilnehmer in Europa überhaupt wissen, was bei einem Gentest untersucht wird und was damit entdeckt werden kann.

„Dieses Ergebnis zeigt zum einen den Einfluss, denn der Hausarzt auf seine Patienten hat, andererseits aber auch große Wissenslücken“, sagte Tim Irfan von Kantar Health, der die Ergebnisse der Befragung vorstellte.

Grundsätzlich zeigt der Report auf, dass es beim Gesundheitswissen der Europäer noch Nachholbedarf gibt. Von den rund 18.000 Teilnehmern beantworteten nur 51 alle sechs ge­stellt­en Wissensfragen – wie „Was ist ein Generikum?“, „Was ist ein Bio­si­milar?“ „Was sind Probiotika?“) korrekt. Spitzenreiter war Spanien (15 Teilnehmer, die alle Fragen beantworten konnten), Deutschland bewegte sich mit fünf „Alleswissern“ im unteren Mittelfeld.

OP vom Roboter stößt auf Ablehnung 

Ein ähnlich kritisches Bild wie bei den Gentests zeigt sich in Deutschland auch bei anderen zukunftsrelevanten Fragen: 49 Prozent der Bundesbürger können sich vor­stellen, vom Arzt eine Diagnose via Webcam zu bekommen. Nur in Belgien sind noch weniger Menschen offen für die zeitsparende Art der Kommunikation mit dem Arzt. Biosensoren zur Überwachung von Gesundheitsdaten würden 29 Prozent der Deut­schen nutzen, im europäischen Durchschnitt sind es 38 Prozent, Spitzenreiter ist Spanien mit 49 Prozent.

Beim Blick in die fernere Zukunft lehnt jeder zweite Deutsche eine Operation von einem Roboter kategorisch ab. Nur in Serbien sind es noch mehr. In Italien beispiels­weise würden sich zwei Drittel der Bevölkerung vom Roboter operieren lassen. Beson­ders skeptisch in Deutschland sind in diesem Punkt wieder Frauen – von ihnen wür­den sich nur 42 Prozent von einem Roboter operieren lassen.

Angesichts dessen, dass roboterassistierte Operationen bereits gang und gäbe seien, bestehe hier offenbar dringen Aufklärungs- und Informationsbedarf, sagte Tim Irfan von Kantar Health.

Misstrauen gegenüber Schulmedizin 

Aber auch der klassischen Schulmedizin stehen die Deutschen offenbar mit Skepsis gegenüber. Nur 23 Prozent der Bundesbürger vertrauen dieser völlig, 39 Prozent immer­hin im Großen und Ganzen. Besonders misstrauisch sind erneut Frauen und die Altersgruppe der 35- bis 49-Jährigen, also diejenigen, die auch den Gentest am häufigsten kategorisch ablehnen. Im Ländervergleich haben nur Russland, Polen und Serbien noch weniger Vertrauen in die Schulmedizin.

Worauf vertrauen die Deutschen dann? Auf sich selbst. Bei Anzeichen einer leichten Erkrankung, etwa Magen- oder Erkältungsbeschwerden, greifen 49 Prozent auf Hausmittel wie Hühnerbrühe oder Wärmflasche zurück, der mit Abstand höchste Wert in allen neun befragten Ländern. Im europäischen Durchschnitt setzen nur 27 Prozent zuerst auf Hausmittel, in Italien sogar nur 14 Prozent.

Zuerst zum Arzt gehen in Deutschland elf Prozent, noch ein Prozent mehr geht für eine Beratung zuerst in die Apotheke. Damit schlagen Arzt und Apotheke das Internet, hier suchen nur acht Prozent als Erstes nach einer Lösung. Das größte Vertrauen in Arzt und Apotheke haben die Spanier: 38 Prozent von ihnen gehen bei ersten Krankheitssymptomen zuerst zum Arzt, 20 Prozent zur Beratung in die Apotheke. © nec/aerzteblatt.de

 

Der Tagesspiegel: Ärztepräsident: Widerspruchslösung bei Organspenden könnte sich als kontraproduktiv erweisen

Der Tagesspiegel

Mittwoch der 8. Mai 2019 - 1:00 Uhr

Berlin (ots) - Ärztepräsident Frank Ulrich Montgomery hat sich

skeptisch zur Widerspruchslösung bei der Organspende geäußert.

Er befürchte, dass eine solche Reform kontraproduktiv sei und das

Misstrauen in die Transplantationsmedizin befördere, sagte

Montgomery dem Berliner "Tagesspiegel" (Mittwochausgabe).

 

Gleichzeitig warf er Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) vor,

mit dieser Idee zu früh vorgeprescht zu sein.

Er halte die Widerspruchslösung zwar für richtig, habe aber

"immer auch dazu geraten, diese Debatte nicht jetzt zu führen,

sondern erst mal abzuwarten, wie die beschlossenen

Verbesserungen in den Kliniken wirken", sagte Montgomery. Diese

gerade erst beschlossene Reform und nicht eine

Widerspruchregelung sei der zentrale Baustein für mehr

Organspenden.

"Wir merken ja, dass diese wichtige Debatte nun aufgrund des

zusätzlichen Vorstoßes von Spahn schon wieder in Parteienstreit

zerfällt", meinte der Ärztepräsident. Er sei "entsetzt darüber, dass

es bestimmte Politiker nicht schaffen, die großen ethischen Fragen

auf anderer Ebene zu diskutieren."

http://www.tagesspiegel.de/politik/aerztepraesident-zu-sterbehilfe -und-organspenden-wir-muessen-haltung-zeigen-auch-gegen-den-zeitgeist /24311698.html

Rückfragen richten Sie bitte an: Der Tagesspiegel, Newsroom, Telefon 030-29021-14909

 

 

 

30.04.2019

 

Bad Oeynhausen (WB). Israelische Forscher haben jüngst

mit einem 3D-Drucker ein Mini-Herz aus menschlichem

Gewebe erzeugt. Der Prototyp, dessen Zellen sich noch

nicht synchron zusammenziehen können, hat die Größe

eines Hasenherzens. Es besteht aus Gewebe und

Blutgefäßen und verfügt über Kammern. Über die

Forschungsarbeit der Universität Tel Aviv hat diese Zeitung

mit Prof. Dr. Jan Gummert, Ärztlicher Direktor am Herz-

und Diabeteszentrums (HDZ), gesprochen. Die Fragen

stellte Claus Brand.

?Was ging Ihnen spontan durch den Kopf, als Sie 

vom Mini-Herz aus dem 3D-Drucker gehört haben?

Prof. Jan Gummert: Ein spannendes Forschungsergebnis,

über das aber viel zu früh und so prominent berichtet wird.

Vielen Patienten wird dann wieder Hoffnung gemacht, die

so nicht gerechtfertigt ist. Anfragen, ob wir unseren

Patienten, die auf ein Herz warten, nun ein Herz drucken

würden, gab es zum Glück nicht.

?Wie würden Sie dem medizinischen Laien das 

Druckverfahren erklären?

Gummert: Im Gegensatz zu leblosen Materialien, die beim

3DDruck genutzt werden, wurden hier lebendige Zellen

verwendet. Der Computer, der den 3DDrucker steuert,

wählt dann statt verschiedenen Farben oder Materialien

unterschiedliche Zellen aus, die mit Hilfe von

Stabilisierungsmaterialien Schicht für Schicht zu einem

großen Zellklumpen angehäuft werden.

?Bis Patienten profitieren können, wird es wohl noch 

viele Jahre dauern. Was ist Ihre Einschätzung zum 

Zeitfenster?

Gummert: Solange es kein funktionstüchtiges Tiermodell

gibt, ist es unverantwortlich, ein Zeitfenster für die

klinische Einführung zu nennen.

?Wo sehen Sie die Probleme auf dem Weg der 

Weiterentwicklung der Forschungsergebnisse aus 

Tel Aviv?

Gummert: Entscheidende Hindernisse auf dem Weg zu

ersten Tierversuchen müssen noch überwunden werden.

Die mit dem 3DDrucker aufgeschichteten Zellen arbeiten

nicht miteinander, was aber für ein funktionierendes

Herz eine zwingende Voraussetzung ist. Auch muss das

Verfahren für größere Herzen funktionieren, was noch

nicht gezeigt wurde. Die Durchblutung eins

funktionstüchtigen Herzens ist außerdem viel komplexer

als ein nicht arbeitendes Herz.

?Ist der Begriff »Medizinischer Meilenstein« in 

diesem Zusammenhang zutreffend? Gummert: Den

Begriff »Medizinischer Meilenstein« schätze ich überhaupt

nicht. Dadurch werden unberechtigte Hoffnungen bei

Patienten geweckt, die nur selten erfüllt werden können.

Bei einem solchen Forschungsprojekt sollte von einem

»Meilenstein in der Grundlagenforschung« gesprochen

werden.

?Gibt es einen Bezug dieser Forschungsarbeit zum 

Herz und Diabeteszentrum?

Gummert: Die im HDZ durchgeführte

Transplantationsforschung ist patientennah und beschäftigt

sich vor allem mit der Entwicklung schonenderer

Therapieformen zur Vermeidung von Abstoßungen.

?Sie treffen einen der Forscher aus Israel. Welche 

Frage/Fragen stellen Sie ihm? Gummert: Welche

konkreten Schritte sind als nächstes geplant, um die dann

angekündigten Tierversuche durchführen zu können

? Welche Techniken kommen in Frage, damit die Zellen

koordiniert arbeiten und das ausgedruckte Herz wirklich

Blut pumpen kann?

?Sehen Sie ein ethisches Problem im 

Zusammenhang mit dieser Forschungsarbeit?

Gummert: Ethische Probleme sehe ich bei dieser

Forschungsarbeit überhaupt nicht, ganz im Gegenteil. Bei

diesem Projekt werden – anders als bei der Diskussion um

die Forschung mit embryonalen Stammzellen – die

körpereigenen Zellen verwendet, die letztlich der eigenen

Genesung dienen. Das wäre bei einer möglichen klinischen

Anwendung ein sehr großer Vorteil.

?Angenommen, eine Weiterentwicklung gelingt: Wo 

liegt der Vorteil eines solchen Herzens bei 

derBehandlung eines Patienten? Gummert: Der große

Vorteil wäre, dass solche Herzen vom Immunsystem des

Patienten nichtabgestoßen würden. Daher könnte man

dann nach einer Transplantation auf abwehrschwächende

Medikamenteverzichten. Die abwehrschwächenden

Medikamente führen bei einigen Patienten zu

Nebenwirkungen wie Infektionskrankheiten oder

Tumorerkrankungen.

?Laut der israelischen Forscher soll versucht 

werden, in absehbarer Zeit solche Herzen oder deren 

Weiterentwicklung an Hasen oder Ratten in 

Tierversuchen zu testen. Realistisch? Gummert: Das

kann ich auf Grund der mir zur Verfügung stehenden

Informationen nicht seriös beurteilen. Auf jeden Fall

müssen noch viele grundlegende Probleme gelöst werden,

bevor Tierversuche möglich sind. Und das kann dauern.

?Was wünschen Sie den Forschern aus Israel?

Gummert: Vor allem gratuliere ich ihnen zu diesem

innovativen Ansatz und drücke die Daumen, dass dieses

wirklich schwierige Projekt in absehbarer Zeit weitere

Fortschritte macht.

 

 

 

 

Justiz

Urteil: Keine Kosten-Erstattung für illegale Organspenden

Von dpa 

17.04.2019, 14:00 

Berlin. Ein Deutscher, der sich in den Niederlanden die Niere eines Mannes aus Sierra Leone implantieren ließ, muss dafür nach einem Berliner Urteil selbst zahlen. Die Krankenkasse müsse die Kosten nicht übernehmen, da die Transplantation nach deutschem Gesetz nicht zulässig gewesen sei, teilte das Sozialgericht in der Hauptstadt am Mittwoch zu dem Urteil mit. Ein Versicherter dürfe sich in einem anderen EU-Staat nur die von den deutschen Krankenversicherungen vorgesehenen Leistungen beschaffen. (Aktenzeichen: S 76 KR 1425/17).

Das deutsche Transplantationsgesetz sehe eine besondere persönliche Verbundenheit zwischen Spender und Empfänger vor, hieß es. In dem Fall des 57-jährigen Mannes, der die Niere bekam, sei diese Verbundenheit nicht zu erkennen gewesen. Der Mann aus dem westafrikanischen Land habe sich zu der Spende bereit erklärt, als er den Mann in Deutschland noch nicht persönlich kannte, hieß es im Urteil.

Zwei deutsche Krankenhäuser hatten deshalb die Operation abgelehnt. Der 57-Jährige stand bei der Stiftung Eurotransplant auf der Warteliste für ein Organ, war aber bis zu seiner eigenen Entscheidung nicht berücksichtigt worden. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, eine Berufung ist möglich.

( dpa ) 

 

 

 

 

Organspende: "Entscheiden Sie sich!" 

Professor Matthias Anthuber von der Universitätsklinik Augsburg sieht es als Bürgerpflicht, sich für oder gegen die Organspende zu entscheiden

von Dr. Achim G. Schneider, 11.04.2019 

Herr Professor Anthuber, ab April soll ein Gesetz Kliniken darin stärken, mögliche Organspenden auch zu realisieren. Eine gute Neuerung?

Das Gesetz ist sicher sehr hilfreich. Doch es genügt nicht. So sprechen sich 84 Prozent der Menschen in Deutschland für die Organspende aus, doch nur 36 Prozent dokumentieren das mit einem Spenderausweis. Diese Kluft macht deutlich, dass wir mehr als dieses Gesetz brauchen. Zum Beispiel die Widerspruchslösung, über die aktuell debattiert wird.

 

Wer nicht schriftlich widerspricht, wäre damit künftig automatisch ein Organspender. Was halten Sie von dem Einwand, dass fehlender Widerspruch nicht einfach als Zustimmung gewertet werden könne?

Manche Kritiker sagen sogar, die Widerspruchslösung entspreche einer Organ-Abgabepflicht und habe mit einer Spende nichts mehr zu tun. Ich halte das für eine falsche Interpretation. Es bestünde lediglich die Pflicht, eine Entscheidung zu treffen und sie bekannt zu geben. Mit einem "Nein" kommt man als Organspender nicht mehr infrage.

Manche halten es für unangemessen, ein "Ja" oder "Nein" zu erzwingen.

Ich meine, man darf das. Wir müssen uns gegenüber dem Staat ständig erklären: Wo wir wohnen, wie viel wir verdienen und so weiter. Wenn wir den Solidargedanken zu Ende denken, können wir auch erwarten, dass Menschen in einer so wichtigen Frage wie der Organspende eine Entscheidung fällen. Und wenn man sich damit gar nicht befassen möchte, stimmt man mit "Nein". Im Übrigen kann man sich jederzeit umentscheiden.

Viele Menschen sehen die Organspende generell positiv, scheuen aber davor zurück, das mit einem "Ja" zu dokumentieren. Woran liegt das?

An diffusen Ängsten und Vorbehalten. So höre ich häufig die Frage: Werden Ärzte mich bei einer schweren Hirnschädigung noch voll behandeln oder eben nicht, weil sie in mir schon den Organspender sehen? Für mich ist das eine abstruse Vorstellung. Denn das käme einer bewussten Tötung gleich.

Besteht nicht eher bei manchen die Sorge, quasi noch am Leben zu sein, wenn Organe entnommen werden?

Viele Menschen, darunter auch Ärzte und Pfleger, haben das Konzept des Hirntods intellektuell noch nicht wirklich durchdrungen. Hier ist noch viel Aufklärungsarbeit zu leisten. Ich vergleiche den Hirntod mit einer inneren Enthauptung. Groß-, Mittel- und Stammhirn sind zerstört und damit auch alle grundlegenden Lebensfunktionen erloschen.

Im Mai 2018 ging ein Fall aus den USA durch die Presse. Ein 13-Jähriger wachte auf, nachdem Ärzte ihn für hirntot erklärt hatten.

In keinem Bericht darüber wird erwähnt, ob nach den bei uns üblichen Standardkriterien eine Hirntod-Dia­gnostik erfolgt ist. In Deutschland stellen zwei damit erfahrene Ärzte unabhängig voneinander und bei Kindern im zeitlichen Verlauf mehrmals den irre­versiblen Hirnausfall fest. Bestätigt werden die klinischen Befunde durch Ergebnisse von technischen Untersuchungen wie Ableitung der Hirnstromkurve, Ultraschall und Angiografie. Ein Irrtum ist unter den hiesigen Bedingungen also ausgeschlossen.

 

Eine Entnahme findet auch nur statt, wenn die Angehörigen zustimmen.

Diese Situation ist für alle Seiten ex­trem belastend. Es handelt sich sicher um eines der schwierigsten Gespräche, die man als Arzt führen muss. Die Angehörigen empfinden eine so unglaubliche Trauer, dass sie sich mit dem Gedanken an die Organspende nicht beschäftigen wollen. Auch ihnen würde es sehr helfen, wenn die Entscheidung dafür oder dagegen zu Lebzeiten klar dokumentiert würde.

Sie werben für die Organspende. Was ist Ihr stärkstes Argument?

Man eröffnet damit Todkranken die Chance auf ein längeres, qualitätvolles Leben. Derzeit sterben in Deutschland täglich rund drei Menschen auf der Warteliste. Wenn wir mehr Organspender hätten, könnten wir die Not etwas lindern.

 

 

 

Pro und Contra: Schützt oder entmündigt? SPD-Mann 

und FDP-Politiker streiten über Organspende-Reform

Focus Online 

Montag, 08.04.2019, 22:54

Eine Gruppe von Bundestagsabgeordneten verschiedener Parteien will durchsetzen, dass künftig in Deutschland jeder als potenzieller Organspender behandelt wird, wenn er nicht zuvor widersprochen hat. 

Karl Lauterbach (SPD) ist einer von ihnen. Der FDP-Bundestagsabgeordnete Otto Fricke (FDP) hält dagegen. In einem "Pro und Contra" für FOCUS Online erklären die beiden Politiker ihre Position.

Pro: Wer nicht widerspricht, ist Organspender

Das Transplantationsgesetz in Deutschland muss dringend geändert werden. Die seit 2012 geltende Entscheidungslösung, nach der nur die Personen als mögliche Spender gelten, die einer Entnahme ausdrücklich zustimmen, ist offensichtlich wirkungslos. Weit über 10.000 Menschen sind auf der Warteliste, und sie warten häufig im Angesicht des Todes. Darunter sind viele Kinder. 2000 Todesfälle pro Jahr sind während der Wartezeiten zu beklagen. Das ist unnötiges Leid. Als Arzt und Politiker kämpfe ich für die Einführung einer Widerspruchslösung. 

Pro: Karl Lauterbach (SPD)

Lauterbach, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der SPD im 

Bundestag, ist habilitierter Mediziner. Er kämpft – unter anderem mit 

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) – für die so genannte 

Widerspruchslösung. Kernpunkt: Wer nicht widerspricht, ist automatisch 

Organspender. Er selbst erklärt sich zur Organspende bereit.

Jeder, der einer Organspende nicht ausdrücklich widerspräche und diesen Widerspruch dokumentieren ließe, käme grundsätzlich als Spender in Frage. Damit würde der größte Teil der Bevölkerung zu Spendern. Mit der Widerspruchslösung wäre die deutliche Verbesserung möglich, die wir bei den Spenderzahlen brauchen. 

Wir könnten damit viele Menschen vor dem Tod retten oder ihnen ein besseres Leben ermöglichen. Politisch sollten wir uns in diese Richtung bewegen, gesellschaftlich müssen wir diese Diskussion führen. Ein großer Teil der Bevölkerung wäre zur Organspende bereit. Trotzdem wird nur eine Minderheit im Todesfall auch Spender. Die Organisation und die Vergütung der Organentnahme haben wir per Gesetz verbessert, aber das reicht noch nicht. Die Länder mit hoher Transplantationsquote haben fast alle Widerspruchslösungen.

"Kein massiver Eingriff in Persönlichkeitsrechte"

Organspende soll keine Bürgerpflicht werden, sondern nur der Widerspruch, wenn man keine Organe spenden möchte. Und jeder, der sich dagegen entscheidet, entscheidet auch moralisch und bleibt trotzdem weiter Empfänger. Es gibt keine Nachteile. Durch die Widerspruchslösung bringt man Menschen dazu, sich überhaupt erst die Frage zu stellen, ob sie spenden wollen oder nicht. Das schuldet man Schwerstkranken, die auf ein Organ warten.

Einen massiven Eingriff in Persönlichkeitsrechte kann ich dabei nicht erkennen. Die Gesellschaft darf verlangen, dass sich jeder sehr bewusst mit der Frage auseinandersetzt, wie er zur Organspende steht. Die allermeisten Bürger, die sich bisher noch nie mit dem Thema beschäftigt haben, erwarten schließlich, im Fall der Fälle selbst ein Organ zu bekommen. Die Widerspruchslösung wird dieser Anspruchshaltung gerecht. Auch die Angehörigen erhielten ein zusätzliches Widerspruchsrecht, aber nur dann, wenn die Familie nach dem Tod ihres Angehörigen glaubhaft versichert, dass dieser sich gegen die Organspende entschieden hat. Dann werden die Organe nicht gespendet.

Ich bin mir bewusst, dass eine Widerspruchsregelung das Misstrauen gegenüber der Transplantationsmedizin für wenige noch erhöhen könnte. Daher muss alles getan werden, um ein Nein zur Organspende verlässlich zu dokumentieren. Kommt die Widerspruchslösung nicht, stellen wir unsere abstrakten und zum großen Teil unberechtigten Bedenken über das konkrete Leid der Betroffenen. Die Widerspruchslösung ist eine Regelung, die Leid und unnötigen Tod verhindert, aber gleichzeitig auch vor Fehlern und Missbrauch schützt. Das ist aus meiner Sicht eine Regelung, die gut in unsere Zeit passt.

Contra: Der Bürger ist mündig, sich für oder gegen Organspenden zu entscheiden

Die Befürworter der Widerspruchslösung und ich haben etwas gemeinsam: Wir alle wollen mit mehr Organspenden Leben retten. Dabei ist es mir jedoch wichtig, dass die Problemlösung mit den Bürgerinnen und Bürgern gemeinsam erfolgt – und nicht ohne sie. Unsere interfraktionelle Entscheidungslösung erfüllt diese Anforderung.

In der Debatte über Organspenden werden regelmäßig die tatsächlich erfolgten Organspenden und die Organspendebereitschaft – teilweise bewusst – vermischt. Zwischen ihnen besteht jedoch ein eklatanter Unterschied. 

Contra: Otto Fricke (FDP)

Fricke, Haushaltspolitiker und praktizierender Christ, ist dagegen, dass in 

Deutschland künftig der Automatismus gilt „Wer nicht widerspricht, ist 

Organspender“. Er plädiert – unter anderem mit Annalena Baerbock 

(Grüne) und Katja Kipping (Linke) dafür, alle Bürger regelmäßig und 

verbindlich zu ihrer Haltung zur Organspende zu befragen. Fricke selbst 

erklärt sich zur Organspende bereit.

Rund 28 Millionen Deutsche haben sich laut Umfragen entschieden, Organe zu spenden. Sie sind also potenzielle Spender. Auf der anderen Seite wurden 2018 nur 3.113 Organe gespendet. Gleichzeitig warteten 9.697 Menschen auf ein Spenderorgan. Diese Zahlen machen deutlich: Die Anzahl der Spender muss erhöht werden. Das ist Ziel unseres Vorschlags einer verbindlichen Entscheidungslösung und auch Ziel des Gegenvorschlags, der Widerspruchslösung.

Wenn der Bürger aber kein Untertan ist, dürfen wir ihn "nur" bitten

Zwischen den beiden Ansätzen gibt es jedoch einen grundsätzlichen Unterschied: das Menschenbild. Ich sehe den Menschen als mündigen Bürger, der sich von sich aus für oder auch gegen eine Organspende entscheidet. Hierbei fehlt es immer wieder an Informationen und der Bereitschaft zur Auseinandersetzung mit der Organspendefrage.

Wenn der Bürger aber kein Untertan ist, dürfen wir ihn "nur" bitten, sich damit auseinanderzusetzen. Konkret wollen wir, dass Bürger Informationen und Hinweise auf Ansprechpartner rund um die Organspende erhalten. Insbesondere, wenn sie einen Personalausweis beantragen.

Bewusst aber ist eine Entscheidung bei der Beantragung nicht vorgesehen. Erst bei der Abholung wird nach einer Entscheidung gefragt. Hier gibt es jedoch auch die Möglichkeit anzugeben, dass man sich noch nicht entscheiden kann oder möchte. Geändert werden kann die Entscheidung zudem von jedem selbst, zukünftig zum Beispiel im Rahmen eines elektronischen Registers.

Hier sagt der Staat dem Bürger: Ich als Staat weiß besser, was richtig ist

Die Entscheidung, zu spenden oder nicht zu spenden, trifft der Bürger bei unserer Lösung stets selbst. Das ist mir wichtig, denn meine Überlegungen gehen insbesondere bei diesen Fragen stets vom Grundgesetz aus, welches auf der Idee beruht, dass staatliche Eingriffsrechte immer vom Bürger her gedacht und von seinen individuellen Rechten her abgeleitet werden müssen.

Mit der Widerspruchslösung würde dieser Prozess am Anfang umgekehrt: Der Staat macht den Bürger zum Organspender, der Bürger muss nun agieren und widersprechen, wenn er nicht dem Staat folgen will. Auch eine Absicherung durch den möglichen Widerspruch der Angehörigen gibt es bei der Widerspruchslösung nur, wenn der Verstorbene sich zu Lebzeiten in irgendeiner Form hinreichend zur Organspende geäußert hat.

Hier sagt der Staat dem Bürger: Ich als Staat weiß besser, was richtig ist, statt an die Freiheit des Einzelnen zur Verantwortung zu appellieren. Das ist der falsche Weg: Es geht bei einer Organspende immer um einen Eingriff in den Körper. Automatisch, ohne seinen Willen geäußert zu haben, darf deshalb niemand potenzieller Spender sein, so sehr ich mir möglichst viele potentielle Spender wünsche.

 

 

 

Ärzte Zeitung online, 01.04.2019

Bundestag

Organspende-Debatte startet mit Streit

Widerspruchs- oder Zustimmungsregelung? Bundestagsabgeordnete ringen ohne Fraktionsgrenzen um den Weg zu mehr Organspendern.

Von Anno Fricke

BERLIN. Der Entwurf für eine Reform der Organspende hin zur Einführung einer Widerspruchsregelung hat ein breites Echo ausgelöst. 

Professor Frank Ulrich Montgomery, Präsident der Bundesärztekammer, nannte den Vorstoß einer Gruppe von Parlamentariern am Montag „ethisch unproblematisch“ und „medizinisch wünschenswert“, meldete aber rechtliche Bedenken an. Es gebe in Deutschland keinen Rechtsakt, bei dem Schweigen implizit als Zustimmung gewertet werde, sagte Montgomery.

Der Gesetzentwurf sieht tatsächlich vor, dass jede Person als Organ- und Gewebespender gilt, es sei denn, sie hat zu Lebzeiten widersprochen. Liegt kein Widerspruch vor, sollen die für die Organentnahme verantwortlichen Ärzte bei den nächsten Angehörigen den mutmaßlichen Willen des potenziellen Spenders ermitteln.

Die Autoren bezeichneten ihren Entwurf am Montag als unbürokratisch, ethisch sauber, weil niemand gezwungen werde, Spender zu sein, sowie effizient und sicher, weil es eine doppelte Absicherung gebe.

Register bei der BZgA geplant

Der Vorstoß von Jens Spahn (CDU, Gesundheitsminister), Professor Karl Lauterbach (SPD), Dr. Georg Nüßlein (CSU) und Petra Sitte (Linke) enthält Vorgaben zum Aufbau eines Registers voraussichtlich bei der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA). Dort sollen Widersprüche, aber auch Zustimmungen dokumentiert werden.

Das Register solle von jeder Arztpraxis angesteuert werden können, so Spahn. Die Ära des Organspendeausweis würde damit auslaufen. Spahn sagte, er könne sich vorstellen, dass die Haltung zur Organspende auch in die elektronischen Patientenakte aufgenommen werden könne.

Die Idee eines solchen Registers reklamiert eine weitere interfraktionelle Parlamentariergruppe für sich, die in den kommenden Wochen einen Alternativvorschlag für eine ausdrückliche „Zustimmungsregelung“ wollen. Dazu soll auch eine Beratung durch den Hausarzt gehören.

Die Haltung zur Spende soll mehrmals im Leben zum Beispiel bei der Erneuerung des Personalausweises abgefragt werden. Aus dieser Gruppe kamen am Montag massive Vorwürfe.

Spahn als unfair dargestellt

Die Widerspruchsregelung sei grundgesetzwidrig, merkte Kathrin Vogler (Linke) an. Zu der konkurrierenden Gruppe gehören unter anderen der CSU-Abgeordnete Stephan Pilsinger, die Grünen Annalena Baerbock und Kirsten Kappert-Gonther sowie Karin Maag (CDU).

Ebenfalls dazu gehört die FDP-Abgeordnete Christine Aschenberg-Dugnus. Sie warf Jens Spahn vor, Absprachen gebrochen zu haben. Die konkurrierenden Gesetzentwürfe hätten ursprünglich zeitgleich vorgestellt werden sollen. Dass Spahn nun unfair und übereilt vorgeprescht sei, zeige seine Nervosität, keine Mehrheit zu erhalten.

Spahn verwies hingegen darauf, dass die Debatte im Bundestag parallel verlaufen werde. Der Konkurrenzentwurf, für den sein Ministerium Formulierungshilfe leiste, sei komplizierter und bedürfe daher mehr Zeit für die Ressortabstimmung.

Auf die Fernwirkung des am Montag in Kraft getretenen Gesetzes für bessere Strukturen bei der Organspende (GZSO) verwies die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG). Damit seien wichtige Schritte bereits eingeleitet. Gleichgültig, für welche Regelung der Bundestag entscheide, seien Aufklärung und Information die richtigen Mittel.

 

Westfalen Blatt 2. April 2019

 

Widerstand gegen die Widerspruchslösung 

 

Organspende: Ethiker und Patientenschützer gegen Spahns Vorschlag

 

Berlin (dpa/epd). Eine Politikergruppe um Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) stößt mit ihrem Gesetzentwurf zur Organspenderegelung auf Widerstand.

Der Ethikrat-Vorsitzende Peter Dabrock spricht sich gegen den Vorschlag aus, eine höhere Bereitschaft zur Organspende durch eine Widerspruchslösung zu erreichen. »Damit wird für mich der Körper nach dem Hirntod zu einem Objekt der Sozialpflichtigkeit«, sagte der Theologieprofessor gestern im Deutschlandfunk. Der Vorstoß der Widerspruchslösung sei unnötig und schädlich, weil er Vertrauen beschädige und zu kaum mehr Effizienz bei der Organspende führe. In dem Entwurf ist vorgesehen, dass alle Personen ab 16 Jahren ausführlich informiert und als Spender registriert wer

den – außer sie widersprechen. Dabrock sieht zwar einen Unterschied zwischen Hirntod und Tod, hält Organspenden grundsätzlich aber für wichtig und gut, weil sie ein »Akt der Solidarität mit schwerstkranken Menschen« seien. »Wir brauchen eine viel breitere Debatte zu den Schwierigkeiten, die das ganze Transplantationswesen vielen Menschen bereitet, aber nicht, damit wir die Bereitschaft senken, sondern damit wir sie erhöhen.« Auch der Medizinethiker Giovanni Maio lehnt die Einführung einer Widerspruchsregelung ab. »Die Widerspruchslösung führt nicht automatisch zu einer Zunahme an Spenden«, sagte der Freiburger Wissenschaftler im WDR5-»Morgenecho«. Studien in Dänemark und Schweden könnten nicht belegen, dass die Regelung zu mehr Organspenden führe. Vielmehr sei die Organisation

der Spenden maßgeblich. Zugleich beharrte er auf Freiwilligkeit. Die Unverfügbarkeit des menschlichen Körpers werde sonst außer Kraft gesetzt. »Jeder Mensch hat das Recht darauf, dass sein Körper unversehrt bleibt.« Das gelte auch nach dem Tod. »Wir haben ein Empfinden, dass der Körper auch nach dem Tod natürlich etwas mit uns zu tun hat.«

Die Deutsche Stiftung Patientenschutz warnt ebenfalls. Bei der Widerspruchsregelung könne von Spende keine Rede mehr sein, sagte Stiftungsvorstand Eugen Brysch. »Jede Organspende ist eine freiwillige Entscheidung.« Die Widerspruchslösung setze aber darauf, dass die meisten sich nicht mit der Frage beschäftigen und schweigen. »Schweigen heißt aber nicht Zustimmung«, sagte Brysch. Es sei ethisch besonders wertvoll, einem anderen Menschen sein Organ zu schenken. »Doch dieses Geschenk ist nicht mit der Brechstange zu erzwingen.« An Spenderorganen herrscht Mangel. In Deutschland standen zuletzt 9400 Patienten auf den Wartelisten für eine Transplantation. Erstmals seit 2010 war die Zahl der Spender im Vorjahr wieder gestiegen: auf 955.

LEITARTIKEL

Organspende Mein Körper gehört mir – auch im Tod

Von Andreas Schnadwinkel

Vor elf Jahren hat der deutsche Dokumentarfilmer Markus Vetter eine ebenso wahre wie anrührende Geschichte erzählt. Im Westjordanland wird 2005 ein elfjähriger palästinensischer Junge von israelischen Soldaten erschossen, weil er eine echt aussehende Spielzeugwaffe in der Hand hält. Die Ärzte in Haifa stellen den Hirntod fest, die Eltern stimmen der Organspende zu – und retten damit drei israelischen Kindern das Leben. Wer den Film »Das Herz von Jenin« gesehen hat oder sich in Erinnerung ruft, dass der heutige Bundespräsident FrankWalter Steinmeier seiner Frau Elke Büdenbender eine Niere gespendet hat, kann in Organspenden natürlich nur Gutes sehen. Und das stimmt auch, weil in beiden Fällen freiwillige Entscheidungen bewusst getroffen worden sind. Das ist bei dem, was Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) und anderen Politikern vorschwebt, nicht so. Die Widerspruchslösung schränkt Freiheitsrechte ein, weil sie im Kern darauf setzt, dass Menschen zu ihren Lebzeiten der Organspende eben nicht explizit widersprechen. Dass die Angehörigen noch gefragt werden sollen, ob sich der Verstorbene irgendwann einmal gegen Organspenden ausgesprochen hat, klingt nicht nur wie eine ProForma-Maßnahme am Sterbebett – in der Praxis wäre es auch genau so. Unser Grundgesetz beginnt mit den Grundrechten. Artikel 1 garantiert die Menschenwürde, Artikel 2 die körperliche Unversehrtheit. Beides reicht über den Hirn- oder Organtod hinaus. Eine Widerspruchslösung widerspricht dem generell. Niemand sollte etwas ablehnen müssen, dem er nie zugestimmt hat. Das Argument, jeder könnte einmal in die Situation kommen, auf ein Organ angewiesen zu sein, und müsse deshalb ganz automatisch auch Spender sein, zieht nicht. Jeder Mensch muss davon ausgehen können, dass sein Körper nach dem Tod unversehrt bestattet wird – und nicht als ausgeschlachtetes Ersatzteillager. Die Hauptursache für Organmangel liegt woanders. Laut einer Studie der Zeitschrift »Deutsches Ärzteblatt« hätte es 2015 insgesamt 2780 Organspenden geben können; es waren aber nur 877, weil in Krankenhäusern potenzielle Organspender zu selten erkannt und gemeldet werden. Hier, und erst einmal nur hier, gilt es anzusetzen. Die Politik wäre gut beraten, wenn sie vorerst die Wirkung des neuen Transplantationsgesetzes abwarten würde. Darin ist vieles enthalten, das Kliniken bei Organspenden hilft.

 

WESTFALEN-BLATT Nr. 78 Dienstag, 2. April 2019

Zwei Wege zu mehr Organspenden Was die beiden Vorschläge unterscheidet

Berlin (epd/dpa). Zwei Gruppen von Bundestagsabgeordneten setzen sich fraktionsübergreifend für unterschiedliche Wege bei der Neuregelung der Organspende ein. Eine Gruppe um Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) und SPD-Fraktionsvize Karl Lauterbach hat einen Gesetzentwurf für eine Widerspruchsregelung ausgearbeitet (siehe links). Eine zweite Gruppe um den CDU-Politiker Heribert Hirte und die GrünenVorsitzende Annalena Baerbock lehnt eine Widerspruchsregelung ab und schlägt ein bundesweites Online-Register für Erklärungen zur Organspende vor (siehe rechts). Der Bundestag soll ohne Fraktionszwang über eine Reform entscheiden. Wann, ist noch unklar.

 

 

 

28.03.2019

Umstrittene Widerspruchslösung Spahn und Lauterbach legen 

Gesetzentwurf zur Organspende vor

 

In Deutschland gibt es zu wenige Organe für schwerkranke Menschen. Wer nach 

seinem Tod nicht automatisch als möglicher Spender gelten will, soll sich nach 

SPIEGEL-Informationen künftig in ein Register eintragen.

Von Cornelia Schmergal

Noch in diesem Jahr will der Bundestag eine Neuregelung auf den Weg 

bringen, um die Zahl potenzieller Organspender zu erhöhen. 

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) und SPD-Fraktionsvize 

Karl Lauterbach haben dazu jetzt einen gemeinsamen Gesetzentwurf 

ausgearbeitet, den sie im Parlament zur Abstimmung stellen wollen.

Der Gruppenantrag, der von Abgeordneten verschiedener Fraktionen unterstützt wird, sieht nach SPIEGEL-Informationen vor, dass jeder Bürger nach seinem Tod als potenzieller Organspender gelten soll - wenn er zu Lebzeiten nicht widersprochen hat. Bürger, die keine Organe spenden wollen, müssten dies in einem Register dokumentieren. Sie könnten dieses Veto jederzeit selbst eintragen oder auch löschen, falls sie ihre Meinung ändern. Auch der Fall, dass eine Organspende ausdrücklich gewünscht wird, soll im Register vermerkt werden können.

"Extrem unbürokratisch" 

Ist kein Widerspruch hinterlegt, gilt dies als Zustimmung. Allerdings sollen Angehörige die Organentnahme ablehnen können, wenn sie glaubhaft machen, dass der Verstorbene kein Spender sein wollte, dies aber nicht dokumentiert habe. Um den Schutz der Daten zu gewährleisten, könnte das Register bei einer Bundesbehörde angesiedelt werden.

Lauterbach hielt den Vorschlag auf Anfrage für "extrem unbürokratisch". Das Modell der Widerspruchslösung sei sehr sicher, "weil man ohne große Mühe eine Meinungsänderung dokumentieren kann".

Über die Neuregelung der Organspende will der Bundestag fraktionsoffen abstimmen. Der Ausgang ist noch ungewiss. Mindestens eine Parlamentariergruppe will einen aussichtsreichen Gegenvorschlag für ein Gesetz einbringen. Zu den Initiatoren dieses zweiten Gruppenantrags gehören Grünenchefin Annalena Baerbock und der CSU-Politiker Stephan Pilsinger.

 

 

 

Kommentar

Darum brauchen wir die Widerspruchslösung

Jutta Falke-Ischinger, Vorsitzende des Vereins „Leben Spenden! e.V.“ über Spahns
Vorschlag zur Organspende

von: Jutta Falke-Ischinger, Vorsitzende des Vereins „Leben Spenden!“  

veröffentlicht am

25.03.2019 - 15:42 Uhr

Alle politischen Kräfte berufen sich immer wieder auf das Prinzip der Solidarität als Grundbaustein einer demokratischen Gesellschaft. Dies funktioniert auch in vielen Bereichen gut. 

Wo es nicht funktioniert, ist bei der Organspende: Nirgendwo in Europa müssen Kranke länger auf ein rettendes Organ warten als bei uns. Deutschland muss hier 30 Jahre aufholen, so moniert es die spanische Transplantationsbehörde. 

30 Jahre! 

Nun hat Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) ein Gesetz auf den Weg gebracht, das Abläufe und Strukturen in Kliniken verbessern soll. Das ist gut und wichtig. Doch Strukturverbesserungen allein schaffen nicht die Trendwende, wie unsere niederländischen Nachbarn nach zehn Jahren Reformen erleben mussten. Sie führen jetzt zusätzlich die Widerspruchslösung ein. 


Auch in Deutschland stehen wir nach über 40 Jahren Diskussion vor 

dieser Entscheidung. Bisher gibt der Gesetzgeber einen Negativtrend 

normativ vor: Niemand
 

ist Organspender – es sei denn, er meldet sich ausdrücklich.

Im Klartext heißt das: Wir sind ein Land, in dem beim Thema 

Organspende zwar jeder prinzipiell Empfänger ist, aber nicht Spender. 

Das ist weder logisch, noch solidarisch. Und funktioniert auch nicht.

Deshalb brauchen wir die Widerspruchslösung

Da ist es umgekehrt: Spenden ist Normalfall, Nicht-Spenden die Ausnahme. Auf diesem solidarischen Konsens fußt der spanische Erfolg, darauf konnten die Reformen gedeihen und immer ehrgeiziger werden. In Spanien geht man vom Gedanken der Gegenseitigkeit aus: Wir nehmen nicht nur, wir geben auch. Nichts anderes meint die Widerspruchslösung.

 

 

 

Westfalen Blatt 20.03.2019

 


UniklinikEssen hilft bei Organspende- Fällen

 

Essen (epd).

Fünf Mediziner des Universitätsklinikums Essen beraten

andere Krankenhäuser, um Organspende Fälle besser

feststellen zu können. Im Bereitschaftsdienst rückten die

Mediziner aus,um einen möglichen Hirntod zu

diagnostizieren, erklärte die Uniklinik in Essen. Ein

unumkehrbarer Hirnfunktionsausfall ist Voraussetzung für

die Organspende.Die Kooperation mit der Deutschen

Stiftung Organtransplantation erreicht den Angaben

zufolge Krankenhäuser im Ruhrgebiet, in Westfalen und in

Teilen des Rheinlands.

Ulrike Wirges, Geschäftsführende Ärztin der Deutschen

Stiftung Organtransplantation in der Region Nordrhein-

Westfalen, betonte den Modell- und Vorbildcharakter der

Kooperation. Sie hoffe, dass der neurologische Konsildienst

von den Krankenhäusern vor Ort genutzt werde,um

dadurch mehr Menschen zu helfen, die ein Organ

benötigen. Christoph Kleinschnitz, Direktor der Klinik für

Neurologie am Universitätsklinikum Essen, erklärte, die

Mediziner wüssten um die besondere Bedeutung ihres

Angebots für die kleineren Krankenhäuser.

 

Mindener Tageblatt; 12.03.2019

 

Warten, bangen, hoffen 

 

Die Zahl der Organspender in Deutschland ist 

nach jahrelangem Abwärtstrend wieder 

gestiegen. Minden liegt über dem 

Bundesschnitt. Doch auch am Klinikum werden 

die Ärzte immer wieder mit Ablehnung 

konfrontiert.

Von Sebastian Radermacher

Minden (mt).

Es ist ein Satz, der verdeutlicht, wie wichtig

Organspender sind. Und wie wichtig es ist, dass es in

Zukunft mehr von ihnen geben wird. „Viele

schwerkranke Menschen,die dringend ein

Spenderorgan benötigen,müssen damit rechnen,

dass sie auf der Warteliste sterben werden“, sagt

Prof. Dr. Jörg Radermacher. Im Hörsaal 1des

Campus-Geländes am Johannes Wesling Klinikum

(JWK) ist es mucksmäuschenstill. Der Chefarzt, von

2003 bis Ende 2018 Transplantationsbeauftragter am

JWK und ein geschätzter Fachmann auf diesem

Gebiet,steht am Rednerpult und hält einen

Vortrag.Vor ihm sitzen aber keine Studenten,

sondern Politiker Radermacher informiert sie über

die Zahl der Organspender in Minden, über den Weg

vom Erfassen eines Spenders über die Suche nach

einem passenden Empfänger bis hin zur

Transplantation.es Kreis Gesundheitsausschusses. Es

geht auch um die komplexen Aufgaben des

Ärzteteams im JWK, das die Transplantationen

koordiniert,um den Umgang mit Familienangehörigen

und natürlich um die wichtigste Frage bei dem

Thema: Organspende –ja oder nein? Radermacher

persönlich hat sein Einverständnis zur Entnahme von

Organen und Gewebe nach seinem Tod durch die

Unterschrift auf dem Organspendeausweis gegeben.

Er respektiert aber jeden Menschen,der sich nicht

dazu bereiterklärt,das macht der Mediziner in seinem

Vortrag immer wieder deutlich. Mit der Zustimmung

auf dem Papier sei es aber längst noch nicht getan.

Letztlich würden vor jeder Spende immer die

Familien befragt. „Eine Klinik wird gegen den Willen

der Angehörigen keine Organe entnehmen“, stellt

der Chefarzt klar. „Selbst dann nicht, wenn der

Verstorbene dafür seine Unterschrift gegeben hat.“

Warum ist das so?Sollte eine Organspende gegen

den Willen einer Familie in der Öffentlichkeit die

Runde machen, drohten laut Radermacher

verheerende Folgen:„Einmal miese Presse–und das

Thema ist für die nächsten Jahre verbrannt.“

Radermacher berichtet von einer insgesamt guten

Entwicklung: Aktuell stünden laut Umfragen rund 80

Prozent der Bevölkerung dem äußerst sensiblen

Thema positiv gegenüber.Und auch die Zahl der

Spender ist nach langem,teils drastischem

Abwärtstrend wieder gestiegen. 955 Menschen in

Deutschland überließen 2018 nach ihrem Tod Organe

für andere Patienten –im Vergleich zu 2017 bedeutet

dies ein Plus von knapp 20Prozent. „Das ist

erfreulich, die Hysterie ist verflogen“, sagt

Radermacher. Er spielt damit auf den

Transplantationsskandal über manipulierte

Wartelisten mit gefälschten Krankenakten vor

einigen Jahren an.Rückblick:2010 gab es in

Deutschland 1.296 Organspen der.Nachdem der

Skandal an die Öffentlichkeit gelangt war, stürzte die

Zahl in den Keller. Tiefpunkt

war das Jahr2017, als die Deutsche Stiftung

Organtransplantation(DSO) nur noch 797 Spender

registrierte. Auch wenn sich der Trend insgesamt

umgekehrt hat, so bleibt Nordrhein-Westfalen

weiterhin Schlusslicht bei den Organspendern. In

Minden sei die Entwicklung allerdings

zufriedenstellend,wieder Chefarzt ins einem Vortrag

verdeutlicht.Pro Jahr entnehmen externe

Transplantationsteams im JWK durchschnittlich fünf

Spendern Organe. Seit 2009 liege Minden, bezogen

auf die Einwohnerzahl, immer über dem Landes-und

Bundesdurchschnitt. Aber auch im JWK werden die

Ärzte immer wieder mit Ablehnung konfrontiert. Im

vergangenen Jahr seien vier Transplantationen

abgelehnt worden–in zwei Fällen habe es keine

Einwilligungen der Angehörigen gegeben,einmal

habe keine Freigabe durch die Staatsanwaltschaft

vorgelegen und in einem Fall habe ein Patient einen

Herz-Kreislauf-Stillstand erlitten, erläutert der

Mediziner. Eine Organspende ist nur bei der Diagnose

Hirntod möglich (siehe Info-Kasten).„In der Regel

erhalten wir aber inmer mehr als der Hälfte der Fälle

eine Einwilligung“,betont Radermacher. Eine

Diskrepanz besteht immer noch bei der Zahl der

potenziellen Organspender und derer, denen

tatsächlich Organe entnommen werden. 2018gab es

laut Radermacher in Deutschland 653

„organspendebezogene Kontakte“, aber lediglich163

Spender. Die mittlere Wartezeit zum Beispiel auf eine

Spenderniere betrage aktuell acht Jahre. 96 Monate

warten,bangen,hoffen–dass man am Ende ein Organ

bekommt,das einen am Lebenhält. Der Chefarzt legt

in seinem Vortrag viel Wert auf die Tatsache,dass

Organspenden theoretisch in jedem Alter möglich

sind. „Die gesunde Niere eines 90-Jährigen kann

noch 20 Jahre halten“, betont er. Und auch für

Organe eines zweijährigen Kindes gebe es

Abnehmer,die darauf warten würden. Und wie lässt

sich die Zahl der Organspenderin Deutschland

langfristig erhöhen?Der Chefarzt vom JWK spricht

sich für die im Bundestag diskutierte

Widerspruchslösung aus: Demnach wird im Falle

eines Hirntods automatisch jeder zum potenziellen

Spender, der solch einem Eingriff zuvor nicht

ausdrücklich widersprochen hat. Eine Alternative

könne eine verpflichtende Erklärung zur

Organspende mit Beginn der Volljährigkeit sein, etwa

im Zusammenhang mit dem Führerschein, sagt

Radermacher. Fast alle Länder in Europa haben eine

Widerspruchsregelung eingeführt, in den

Niederlanden tritt das Gesetz zum Beispiel 2020

inKraft.„Die niedrige Zustimmungsrate durch die

Familienangehörigen ist der eindeutig limitierende

Faktor bei der Organspende– da muss man

ansetzen“, fordert der Chefarzt.

 

Der Autor ist erreichbar unter Telefon (0571) 882

201 oder Sebastian.Radermacher@MT.de

 

Voraussetzungen für eine Organspende

 

■ Eine Organspende nach dem Tod (postmortale

Organspende) ist nur möglich, wenn bei der

verstorbenen Person der unumkehrbare Ausfall der

gesamten Hirnfunktionen (Hirntod) festgestellt

wurde. Die Bezeichnung „Hirntod“ beschreibt einen

besonderen Zustand, bei dem die Gesamtfunktion

des Großhirns, Kleinhirns und Hirnstammes

unwiederbringlich und unumkehrbar ausgefallen ist.

 

■ Mit der Diagnose Hirntod ist der Tod des Menschen

nach neurologischen Kriterien sicher festgestellt

–eine Rückkehr ins Leben ist ausgeschlossen. Das

Herz-Kreislauf-Systemeiner hirntoten Person kann

durch intensivmedizinische Maßnahmen für eine

begrenzte Zeit künstlich aufrechterhalten werden.

Auf diese Weise werden Organe weiter durchblutet

und können so für eine Transplantation

entnommen werden.

 

■ Ist hingegen das Herz

Kreislauf-Systemzusammen gebrochen, werden die

Organe aufgrund der fehlenden Durchblutung und

Sauerstoffversorgung zunehmend geschädigt, sodass

sie nicht mehr übertragen werden können. Sollen

keine Organe gespendet werden, werden nach der

Diagnose Hirntodalle intensivmedizinischen

Maßnahmen zeitnah eingestellt.

 

■ Wer die eigene Entscheidung in einem

Organspendeausweis festhält, schafftKlarheit und

erspart seinen Angehörigen unter Umständen eine

große Belastung: Denn wurde die Entscheidung für

oder gegen eine Organ- und Gewebespende zu

Lebzeiten nicht getroffen oder nicht dokumentiert,

bleibt sie den Angehörigen überlassen. Kennen

diese den Willen der verstorbenen Person nicht, ist

es schwer, in ihrem Sinne zu entscheiden.

(Quelle: www.organspendeinfo.de)

 

■ Prof. Dr. Jörg Radermacherwar 15 Jahre lang

Transplantationsbeauftragter am Klinikum Minden.

Anfang dieses Jahres haben Oberärztin Dr. Tina

Meister (Operative Intensivstation) und Oberarzt Dr.

Sebastian Heidemeyer (Kardiologie/Intensiv) diese

Aufgabe übernommen. (rad)

 

Kommentar

 

Zumutbare Entscheidung Thema: Organspende 

–ja oder nein?

 

Von Sebastian Radermacher

 

10.000 Menschen in Deutschland warten auf ein

Spenderorgan –teilweise bis zu acht (!) Jahre. Sie

benötigen Hilfe ihrer Mitmenschen, um überleben zu

können.Sollte also jeder bereit sein, nach dem Tod

seine Organe zur Verfügung zu stellen?Wer sich

diese Zahl vor Augen hält, sollte keine Sekunde

zögern –und ein „Ja“ im Organspendeausweis

ankreuzen.

Keine Frage, es ist ein sensibles Thema. Zum einen

musssich jeder, der sich über Organspenden

Gedanken macht,automatisch auch mit dem eigenen

Tod auseinandersetzen.Zum anderen ist das

Misstrauen immer noch groß,seitdem bekannt

wurde, dass Ärzte mit manipulierten Akten ihre

Patienten auf den Wartelisten nach oben bugsieren

wollten.

Jedem mündigen Bürger ist es aber zuzumuten, sich

zu entscheiden. Und egal, ob er für oder gegen

Organspenden ist: Wichtig ist, dass er sich

überhaupt festlegt. Denn sonst überlässt er dies

allein den Angehörigen –und die haben im Todesfall

andere Gedanken im Kopf, als eine solche

Entscheidung zu treffen. Das ist einer der

Hauptgründe, weshalb die Ablehnungsquote

weiterhin hoch ist.

Die von Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU)

angestoßene Widerspruchsregelung wäre ein

gewaltiger Eingriff in das Selbstbestimmungsrecht

des Menschen. Jeder wäre nach dem Tod ein

potenzieller Spender, sofern er zuvor nicht explizit

widersprochen hat. Trotzdem ist der Ansatz richtig

und sinnvoll, denn er schließt die Menschen ein, die

Organe spenden würden, dies aber nicht

dokumentiert haben –aus welchen Gründen auch

immer. Und der freie Wille bliebe ja vorhanden: Ein

„Nein“ bliebe ein „Nein“. In den meisten Ländern

Europas hat sich diese Regelung bewährt,

Deutschland hinkt hinterher. Hoffentlich nicht mehr

lange.

 

 

 

 

Mehr Zeit und Geld für Organspenden 

 

Oft scheitern mögliche Entnahmen an Hindernissen

in den Krankenhäusern –das soll sich bald ändern

Berlin/Minden (dpa/rad) Mehr Zeit,mehr Geld,

mobile Expertenteams für kleine Krankenhäuser: Um

zu mehr lebensrettenden Organspenden in

Deutschland zukommen, sollen in Kliniken bessere

Bedingungen geschaffen werden. Darauf zielt ein

Gesetz von Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU),

das der Bundestag mit breiter Mehrheit beschlossen

hat und das voraussichtlich im April in Kraft treten

soll. Konkret geht es darum,mehr geeignete

Spenderfinden zu können.„Das gibt den 10.000

Patienten Hoffnung,die auf ein Spenderorgan

warten“, sagte

Spahn. Unabhängig davon läuft im Bundestag eine

Diskussion über neue Regeln,wie sich mehr

Menschen überhaupt über eine Bereitschaft zum

Organspenden klar werden können. Die

Voraussetzungen in den bundesweit rund 1.300

Krankenhäusernf ür Organ-Entnahmen sind aber ein

entscheidender Schlüssel,wie auch Ärzte sagen. Hier

setzt das Gesetz an. Ein Überblick:

Mehr Zeit Seit 2012müssen alle Kliniken

Transplantationsbeauftragte haben, die sich um

Organspenden kümmern–also dass mögliche

Spender identifiziert und gemeldet

werden,Angehörige eine Begleitung bekommen und

auch Ärzte und Pfleger bei dem Thema auf dem

Laufenden bleiben. Künftig sollen die Beauftragten

verbindlich von anderen Aufgaben befreit werden

–durch einheitliche Vorgaben, die sich nach der

Bettenzahl in Intensivstationen richten. In Minden ist

dies bereits der Fall, wie Prof. Dr. Jörg Radermacher

im Kreis-Gesundheitsausschuss berichtete. Die

beiden Transplantationsbeauftragten teilen sich eine

halbe Stelle für diese Aufgaben.

Mehr Geld Kliniken soll der ganze Prozess von

Organspenden besser vergütet werden.Jetzige

Pauschalen seien nicht kostendeckend, und

Engagement führe systematisch zu Verlusten,sagte

SPD-Fraktionsvize Karl Lauterbach. Das solle sich

ändern,ohne damit Gewinne zu machen. „Wir geben

etwas mehr Geld aus,aber wir sparen

auch“,erläuterte er. So seien Folgekosten

ausbleibender Transplantationen teils höher, etwa bei

dauerhafter Blutreinigung wegen schwerer

Nierenerkrankungen. Laut Entwurf dürften auf die

gesetzlichen Krankenkassen geschätzte Ausgaben

von jährlich mehr als 30Millionen Euro zukommen.

Mobile Expertenteams Geplant ist ein neuer

Bereitschaftsdienst mit mobilen Ärzteteams. Das soll

gewährleisten, dass die medizinischen

Voraussetzungen für Entnahmen überall festgestellt

werden können. Damit will man vermeiden, dass

Spenden in kleinen Kliniken ohne eigene Experten

sonst scheitern. Bis Ende2020sollend ie Akteure des

Gesundheitswesens „eine geeignete Einrichtung“ mit

der Organisation beauftragen.

Weitere Punkte Erleichtert werden soll auch ein

Austausch zwischen Betroffenen –mit Regeln für

anonymisierte Schreiben, mit denen sich

Organempfänger bei den Angehörigen von

Organspendern bedanken können. Kommen soll

auch ein bundesweites Dokumentationssystem der

Kliniken. Erfasst und ausgewertet werden sollen

damit zum Beispiel Gründe, warum ein Ausfall von

Hirnfunktionen nicht festgestellt wurde.

 

 

 

Organspende: Widerspruchslösung in England eingeführt

Mittwoch, 27. Februar 2019

London – Englische Parlamentarier haben laut Medienberichten vom Dienstagabend ein Gesetz zur Neuregelung von Organspenden verabschiedet. Demnach soll künftig von der Zustimmung des möglichen Spenders ausgegangen werden, wenn nicht explizit dessen Widerspruch vorliegt. Bislang gilt in England die Zustimmungsregelung, laut der das explizite Einverständnis des Organspenders nötig ist.

England folgt damit dem Beispiel von Wales, wo die Widerspruchsregelung im Jahr 2015 eingeführt wurde. Seitdem sind dort die Zustimmungsraten für Organspenden auf 75 Prozent gestiegen. Auch das schottische Parlament wird eine Überarbeitung der Regelung in dieser Woche diskutieren.

Regierungsminister argumentieren, dass die Änderung der Gesetzgebung, die 

mit Jahresbeginn 2020 in Kraft treten soll, allein in England bis zu 700 Leben 

pro Jahr retten könnte. In Großbritannien stehen derzeit rund 6.000 Menschen 

auf der Transplantationsliste. Im vergangenen Jahr starben mehr als 400 

Patienten, während sie auf ein geeignetes Organ warteten.

Das Gesetz wird laut Medienberichten als „Max und Keiras Gesetz“ bezeichnet 

werden – nach dem Mädchen, dessen transplantiertes Herz den Jungen Max 

gerettet hat. Die Eltern beider Kinder und der gerettete Junge hatten sich für 

eine Änderung der Gesetzgebung engagiert. © kna/aerzteblatt.de

 

 

Ärzteschaft

Pulmologen treten für Widerspruchslösung bei Organspenden ein

Dienstag, 26. Februar 2019

Berlin – Die Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP) hat die Pläne der Politik begrüßt, das Transplantationsgesetz zu verändern und damit unter anderem die Transplantationsbeauftragen an deutschen Kliniken zu stärken. „Das neue Transplantationsgesetz ist ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung“, sagte Jürgen Behr, Kongresspräsident des 60. DGP-Kongresses, der Anfang März in Berlin stattfindet. „Ob es ausreicht, um die Versorgung schwerstkranker Lungenpatienten zu verbessern, ist fraglich“, schränkte er jedoch ein.

Jedes Jahr erhalten laut der Fachgesellschaft über 300 Menschen in Deutschland eine oder zwei Spenderlungen. Gleichzeitig würden pro Jahr mehr als 400 Patienten neu für eine Transplantation angemeldet. Für viele Menschen mit Lungenversagen sei diese Transplantation die letzte Hoffnung auf Überleben.

„Die Lungen­trans­plan­ta­tion ist ein komplexes Therapieverfahren mit erheblichen Risiken, weshalb nur Patienten mit fortgeschrittenen Lungenerkrankungen für diese Behandlung in Betracht kommen, wenn alle anderen Therapieoptionen ausgeschöpft sind“, sagt Behr, der die Medizinische Klinik und Poliklinik V am Klinikum der Universität München und die Asklepios-Lungenfachklinik München-Gauting leitet.

Wartezeit variiert zwischen Tagen und Jahren

Wie lange es dauert, bis einem Patienten eine Spenderlunge angeboten wird, hängt von verschiedenen Faktoren ab: Größe und Blutgruppe gehören laut der DGP zu den Basiskriterien. Zusätzlich berechnet der sogenannte Lungen-Allokations-Score, wie dringend jemand eine Transplantation braucht und wie hoch die Erfolgsaussichten sind. Für manche wird nach wenigen Tagen schon ein passender Spender gefunden, andere warten bis zu drei Jahren. „Wenn man bedenkt, dass viele dieser Patienten nicht mehr selbstständig atmen können, sind die Wartezeiten immer noch sehr, sehr lang“, betonte der Kongresspräsident.

Die Fachgesellschaft unterstützt daher die sogenannte Widerspruchslösung bei den Organspenden: „Überall dort, wo Organspende auf der gesetzlichen Grundlage der sogenannten Widerspruchslösung geregelt ist, sind die Organspenderzahlen deutlich höher als in Ländern mit Zustimmungs- oder Entscheidungslösung“, sagte Behr.

Die Zahl der Organspender in Deutschland ist erstmals seit 2010 wieder merklich gestiegen. Bundesweit haben im vergangenen Jahr 955 Menschen nach ihrem Tod ihre Organe gespendet, teilte die Deutsche Stiftung Organtransplantation (DSO) mit. Das entspricht 11,5 Spendern pro einer Million Einwohner. Im Vergleich zum Vorjahr (797 Spender) bedeutet das eine Steigerung von knapp 20 Prozent. © hil/aerzteblatt.de

 

 

         NOZ: Neue Patientenbeauftragte fordert       

          Widerspruchslösung bei Organspenden

Neue Osnabrücker Zeitung

Dienstag der 19. Februar 2019 - 1:00 Uhr

Osnabrück (ots) - Neue Patientenbeauftragte fordert Widerspruchslösung bei Organspenden

Schmidtke: Klar dafür - Unterstützung für Spahn im Streit über mehr Arzt-Sprechstunden - Ruf nach Ärzte-Bussen auf dem Land

Osnabrück. Zur Überwindung des Organspende-Notstandes fordert die neue Patientenbeauftragte der Bundesregierung, Claudia Schmidtke (CDU), eine Widerspruchslösung, bei der Spender oder deren Angehörige eine Entnahme ablehnen müssen. "Angesichts der vielen tausend Menschen, die in Deutschland verzweifelt auf ein Spenderorgan warten, halte ich diese Pflicht für zumutbar", sagte Schmidtke im Interview mit der "Neuen Osnabrücker Zeitung". "Wir dürfen dabei nicht vergessen, dass jeder von uns schon morgen in diese Situation kommen und auf ein Organ angewiesen sein könnte."

Auch bei einer Widerspruchslösung "bleibt die Spende wie bisher freiwillig", betonte die Herzchirurgin und Bundestagsabgeordnete. "Jede Person hat die Möglichkeit, einer Organspende einfach und unbürokratisch zu widersprechen." Auch wenn sie "klar für die Widerspruchsregelung" sei, respektiere sie die Gegenpositionen und hoffe auf eine "Auseinandersetzung mit Fairness" im Bundestag und eine "Grundsatzentscheidung". Schmidtke sagte: "Das sind wir den vielen Menschen, die auf ein Spenderorgan warten, einfach schuldig."

Im Streit von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn mit der Ärzteschaft über eine Ausweitung der Sprechstunden stellte sich Schmidtke hinter den CDU-Politiker: Lange Wartezeiten auf Facharzttermine seien "ein häufiges Thema" für Patienten, berichtete sie. Eine Umfrage des Krankenkassenverbandes GKV habe gezeigt, dass "ein Teil der Ärzte" weniger als 20 Stunden in der Woche anbiete. "Hier kann die Ausweitung der Sprechstunden einen Beitrag zu einer Verbesserung der Patientenversorgung leisten", sagte Schmidtke der "NOZ". Zugleich verwies sie darauf, dass etwa Hausärzte schon heute mehr als 30 Wochenstunden Sprechzeiten anböten.

Um eine gute Versorgung von Kranken auf dem Lande zu garantieren, forderte die Patientenbeauftragte "eine bessere Verzahnung von ambulanten und stationären Strukturen, aber auch mobile Angebote der Ärzte, wie der Ärztebus". Notwendig sei auch eine Reform des Medizinstudiums. "Es muss das Ziel sein, junge Menschen schon während des Studiums für eine ärztliche Tätigkeit auf dem Land zu begeistern", appellierte die Schleswig-Holsteinerin. Alarmiert zeigte sich Schmidtke über Klagen von Pflegefachkräften, die neuen Personaluntergrenzen würden zum Abbau von Stellen genutzt, wenn Kliniken das gesetzliche Minimum überträfen. "Die Personaluntergrenzen sind keine staatliche Legitimation zum Abbau von Pflegekräften, sondern das Gegenteil", sagte sie. Um mehr Menschen für den Pflegeberuf zu begeistern, gelte es auch, "die Entlohnung zu verbessern und die Ausbildung sowie den Beruf insgesamt noch attraktiver zu machen."

Pressekontakt: Neue Osnabrücker Zeitung Redaktion Telefon: +49(0)541/310 207

15. Februar 2019

Große Wissenslücken beim Thema Organspende

Köln – Rund um das Thema Organspende gibt es nach einer Umfrage große Wissens­lücken. Jeder dritte Bundesbürger (32 Prozent) weiß nicht, dass in Deutschland der Hirntod zwingende Voraussetzung für eine Organspende ist, wie aus der heute vom WDR in Köln veröffentlichten Befragung hervorgeht. Sie seien der Ansicht, Organe könnten entnommen werden, wenn das Hirn noch arbeitet, während das Herz stillstehe.

Organspenden finden aber statt, wenn das Hirn irreversibel ausfällt und das Herz noch schlägt. Doch 40 Prozent von gut 1.000 Befragten waren nach den Angaben der Meinung, unter diesen Umständen dürften keine Organe entnommen werden. Selbst Besitzer eines Organspendeausweises wüssten nicht besser Bescheid über das Hirntodkriterium als die Befragten ohne Ausweis. Am Dienstag berichtet die Sendung „Quarks“ im WDR-Fernsehen ab 21.00 Uhr über die von ihr in Auftrag gegebene Befragung von infratest dimap.

 „Die Ergebnisse zeigen, dass selbst die Gruppe, die sich mit der Thematik befasst haben sollte, ehe sie den Organspendeausweis ausgefüllt hat, nicht nachhaltig genug aufgeklärt ist“, sagte die Direktorin des Nationalen Instituts für Wissenschafts­kommunikation, Beatrice Lugger. Fast die Hälfte der Menschen ab 65 Jahren (46 Prozent), die keinen Ausweis haben, begründeten dies nach den Angaben mit ihrem Alter, obwohl es für eine Organspende gar keine Altersgrenze mehr gebe.

21 Prozent der Befragten ohne Ausweis haben sich den Angaben zufolge mit dem Thema Organspende noch nicht beschäftigt. „Angesichts der derzeitig geringen Informiertheit der Bevölkerung“ ist nach Ansicht Luggers die in der Diskussion stehende Widerspruchslösung kritisch zu betrachten. Bislang ist nur Organspender, wer dies ausdrücklich dokumentiert. Eine Widerspruchslösung würde dies umkehren: Bis zum Widerspruch wäre jeder ein potenzieller Spender. Bun­des­ge­sund­heits­mi­nis­ter Jens Spahn (CDU) favorisiert eine solche Regelung.

Auch die Deutsche Stiftung Patientenschutz wertete die Zahlen als Argument gegen die Widerspruchslösung. Sie setze darauf, dass „der Bürger sich mit der Organspende nicht beschäftigt und schweigt“, sagte Vorstand Eugen Brysch in Dortmund. Die bewusste Entscheidung für die Organspende würde damit faktisch abgeschafft.

Brysch betonte, eine Organspende müsse eine bewusste und freiwillige Entscheidung bleiben. „Es kann sehr persönliche Gründe geben, sich gegen die Organspende zu entscheiden. Diese Menschen dürfen sich für ihre Haltung nicht rechtfertigen müssen.“ Wolle der Staat wirklich etwas für die Schwerstkranken auf der Warteliste tun, müsse er selbst Verantwortung übernehmen. „Deshalb muss der Bundestag sowohl für die Verteilungsgerechtigkeit als auch für die staatliche Organisation und Kontrolle sorgen.“

Gestern hatte der Bundestag Das „Zweite Gesetz zur Änderung des Transplantations­gesetzes – Verbesserung der Zusammenarbeit und der Strukturen bei der Organspende (GZSO)“ mehrheitlich beschlossen. Mit dem  Gesetz sollen zunächst einmal die strukturellen und finanziellen Voraussetzungen in den Entnahmekrankenhäusern für eine optimale Organspende geschaffen werden. Konkret sollen die Transplantationsbeauftragten mehr Befugnisse erhalten und von ihren sonstigen Aufgaben im Entnahmekrankenhaus freigestellt werden – und zwar anteilig in Abhängigkeit von der Anzahl der in einem Entnahmekrankenhaus vorhandenen Intensivbehandlungsbetten. Diese anteilige Freistellung soll den betroffenen Krankenhäusern künftig vollständig refinanziert werden. © kna/aerzteblatt.de

 

 

15.02.2019

 

Spahn: Die Zahl der Organspenden kann weiter steigen

Zweites Gesetz zur Änderung des Transplantationsgesetzes - Verbesserung der Zusammenarbeit und der Strukturen bei der Organspende

Krankenhäuser sollen mehr Zeit und Geld für Organtransplantationen bekommen. Das ist Ziel einer Gesetzesänderung, die der Bundestag am 14.02.2019 abschließend beraten hat. Damit soll die Zahl der Organspenden erhöht und so mehr Menschenleben gerettet werden. „Die gestiegenen Organspende-Zahlen sind gut, aber nicht gut genug“, betonte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn im Bundestag.

Alle acht Stunden stirbt ein Mensch auf der Warteliste, weil kein passendes Spender-Organ gefunden wird. Das muss sich ändern! Mit dem "Zweiten Gesetz zur Änderung des Transplantationsgesetzes – Verbesserung der Zusammenarbeit und der Strukturen bei der Organspende" sollen künftig mehr Leben durch eine Organspende gerettet werden können. Das nicht zustimmungspflichtige Gesetz kann nach dem zweiten Durchgang im Bundesrat Anfang April 2019 in Kraft treten.

„Gut, dass sich der Deutsche Bundestag so schnell entschieden hat, die Bedingungen für Organspenden zu verbessern. Wir geben den Krankenhäusern mehr Zeit und Geld, geeignete Spender zu finden. Damit kann die Zahl der Organspenden weiter steigen. Das gibt den 10.000 Patienten Hoffnung, die auf ein Spenderorgan warten.“

 

Eine Schlüsselrolle zur Erhöhung der Organspenden in Deutschland spielen die 

Krankenhäuser, in denen Organe entnommen werden. Gut funktionierende 

Abläufe bei der Erkennung möglicher Organspender, mehr Zeit und eine gute 

Finanzierung können dazu beitragen, mehr Menschenleben zu retten. Hier 

setzt unser Gesetzentwurf an, den das Bundeskabinett am 31. Oktober 2018 

verabschiedet hat und der am 14. Februar 2019 in zweiter und dritter Lesung 

vom Deutschen Bundestag abschließend beraten wurde. Nach dem zweiten 

Durchgang im Bundesrat kann das nicht zustimmungspflichtige Gesetz Anfang 

April 2019 in Kraft treten.

Die Regelungen des Gesetzes im Einzelnen

Transplantationsbeauftragte (TxB)

  • Es gibt verbindliche Vorgaben für die Freistellung der Transplantationsbeauftragten.

  • Die Freistellung erfolgt auf der Grundlage der Anzahl der Intensivbehandlungsbetten in den Entnahmekrankenhäusern für einen Stellenanteil von 0,1 Stellen je 10 Intensivbehandlungsbetten.

  • Hat ein Entnahmekrankenhaus mehr als eine Intensivstation, ist für jede Station mindestens ein TxB zu bestellen.

  • Der Aufwand wird vollständig refinanziert. Die Krankenhäuser müssen die Mittelverwendung nachweisen.

  • TxBs erhalten Zugangsrecht zu den Intensivstationen und sind hinzuzuziehen, wenn Patienten nach ärztlicher Beurteilung als Organspender in Betracht kommen.

  • Ihnen sind alle erforderlichen Informationen zur Auswertung des Spenderpotentials zur Verfügung zu stellen.

  • TxBs sind für die fachspezifische Fort- und Weiterbildung freizustellen; die Kosten dafür trägt die Klinik.

Entnahmekrankenhäuser

  • Entnahmekrankenhäuser werden künftig für den gesamten Prozessablauf einer Organspende besser vergütet.

  • Sie erhalten einen Anspruch auf pauschale Abgeltung für die Leistungen, die sie im Rahmen des Organspendeprozesses erbringen.

  • Zusätzlich erhalten sie einen Zuschlag dafür, dass ihre Infrastruktur im Rahmen der Organspende in besonderem Maße in Anspruch genommen wird. Der Zuschlag beträgt das Zweifache der berechnungsfähigen Pauschalen.

Rufbereitschaft 

  • Bundesweit bzw. flächendeckend wird ein neurologischer/neurochirurgischer konsiliarärztlicher Rufbereitschaftsdienst eingerichtet.

  • Dieser soll gewährleisten, dass kleineren Entnahmekrankenhäusern jederzeit qualifizierte Ärzte bei der Feststellung des irreversiblen Hirnfunktionsausfalls zur Verfügung stehen.

  • Die TPG-Auftraggeber (GKV-Spitzenverband, Deutsche Krankenhausgesellschaft und Bundesärztekammer) werden verpflichtet, bis Ende 2020 eine geeignete Einrichtung mit der Organisation dieses Bereitschaftsdienstes zu beauftragen.

Dokumentation

  • Ein neues klinikinternes Qualitätssicherungssystem schafft die Grundlage für ein flächendeckendes Berichtssystem bei der Spendererkennung und Spendermeldung.

  • Dabei sollen die Gründe für eine nicht erfolgte Feststellung des irreversiblen Hirnfunktionsausfalls oder eine nicht erfolgte Meldung an die Koordinierungsstelle (DSO) intern erfasst und bewertet werden.

  • Die Daten sollen von der Koordinierungsstelle ausgewertet werden. Die Ergebnisse sollen den Entnahmekrankenhäusern und den zuständigen Landesbehörden übermittelt und veröffentlicht werden.

  • Die Kliniken müssen zukünftig verbindliche Verfahrensanweisungen erarbeiten, mit der die Zuständigkeiten und Handlungsabläufe für den gesamten Prozess einer Organspende festgelegt werden.

Angehörigenbetreuung

  • Das Gesetz schafft eine klare rechtliche Grundlage für den Austausch von anonymisierten Schreiben zwischen Organempfängern und den nächsten Angehörigen der Organspender. Ein solcher Austausch ist vielen Betroffenen ein besonderes persönliches Anliegen.

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14.02.2019

Neues Gesetz zu Organspenden

Mehr Geld eingeplant

Ein neues Gesetz soll die Chancen auf eine Organspende erhöhen. Auch sind höhere Vergütungen für Kliniken geplant, die Transplantationen durchführen.

BERLIN dpa/epd | Krankenhäuser in Deutschland sollen mehr Geld und bessere Bedingungen bekommen, um sich stärker um Organspenden kümmern zu können. Das sieht ein Gesetz von Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) vor, das der Bundestag am Donnerstag beschlossen hat. Dafür stimmten neben der Koalition auch Linke, Grüne und FDP, die AfD votierte dagegen.

Geplant sind höhere Vergütungen für die Kliniken. Transplantationsbeauftragte sollen mehr Kompetenzen und Freiräume bekommen. Mobile Ärzteteams sollen kleineren Einrichtungen ohne eigene Experten helfen, Voraussetzungen für Entnahmen festzustellen.

Spahn sprach von einem großen und wichtigen Schritt. Diejenigen, die sich in den Krankenhäusern um Organspenden kümmerten, sollten nicht bestraft werden. Es gelte, Kliniken fair so zu stellen, dass bei ihnen keine Kosten hängen blieben. SPD-Fraktionsvize Karl Lauterbach sagte: „Wir wollen, dass dort keine Gewinne gemacht werden, aber wir wollen auch nicht, dass jemand Verluste macht.“ Auch von Rednern der Opposition kam zu den Kernpunkten der Pläne überwiegend Zustimmung.

Das Gesetz soll voraussichtlich Anfang April in Kraft treten. Zustimmungspflichtig im Bundesrat ist es nicht. Unabhängig davon läuft eine Diskussion darüber, ob und wie Entscheidungen der Bürger über Organspenden grundlegend neu geregelt werden sollen. Die Zahl der Organspenden ist nach langem Abwärtstrend 2018 wieder gestiegen.

Eine Studie mit dem Titel „Rückgang der Organspenden in Deutschland – Eine bundesweite Sekundärdatenanalyse aller vollstationären Behandlungsfälle“ zeigt an welchen Stellen es intern im Sependenprozess hackt. Die zehn Forscher kommen zu dem Schluss, dass der zuletzt gestoppte Rückgang der postmortalen Organspenden vor allem mit einem Erkennungs- und Meldedefizit der Entnahmekrankenhäuser zusammenhängt. „Gelingt es, diesen Prozess organisatorisch und politisch zu stärken, könnte die Zahl der gespendeten Organe erheblich gesteigert werden“ – genau das soll das neue Gesetz bewirken.

 

Westfalen Blatt 15.02.2019

Mehr Zeit und Geld für Organspenden Neues 

Gesetz soll bessere Bedingungen in Entnahme-

Kliniken schaffen

 

Berlin (dpa). Um zu mehr lebensrettenden Organspenden in

Deutschland zu kommen, sollen Kliniken dafür künftig bessere

Bedingungen erhalten. Mehr Zeit, mehr Geld, mobile Expertenteams

für kleine Krankenhäuser: Darauf zielt ein Gesetz von

Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU), das der Bundestag gestern

mit breiter Mehrheit beschlossen hat. Es geht darum, mehr geeignete

Spender finden zu können. Die Voraussetzungen in den bundesweit

rund 1300 Krankenhäusern für OrganEntnahmen sind ein

entscheidender Schlüssel. Das Gesetz soll voraussichtlich Anfang April

in Kraft treten. Zentrale Punkte sind:

 

Mehr Zeit: Seit 2012 müssen alle Kliniken Transplantationsbeauftragte

haben, die sich speziell um Organspenden kümmern – also mögliche

Spender identifizieren und melden, Angehörige begleiten sowie Ärzte

und Pfleger regelmäßig bei dem Thema auf dem Laufenden halten. Sie

sollen künftig verbindlich von anderen Aufgaben befreit werden.

 

Mehr Geld: Kliniken soll der ganze Prozess von Organspenden besser

vergütet werden. Jetzige Pauschalen seien nicht kostendeckend,

Engagement führe systematisch zu Verlusten, sagte SPDFraktionsvize

Karl Lauterbach.

 

Das solle sich ändern, ohne damit Gewinne zu machen. Laut Entwurf

dürften auf die gesetzlichen Krankenkassen geschätzte Ausgaben von

mehr als 30 Millionen Euro im Jahr zukommen.

 

Mobile Expertenteams: Geplant ist ein neuer Bereitschaftsdienst mit

mobilen Ärzteteams. Das soll gewährleisten, dass die medizinischen

Voraussetzungen für Entnahmen überall festgestellt werden können:

der endgültige, nicht behebbare Ausfall der Gesamtfunktion des

Großhirns, des Kleinhirns und des Hirnstamms. Das soll vermeiden,

dass Spenden in kleinen Kliniken ohne eigene Ex

 

perten sonst scheitern. Bis Ende 2020 sollen die Akteure des

Gesundheitswesens nun »eine geeignete Einrichtung« mit der

Organisation beauftragen.

 

Weitere Punkte: Erleichtert werden soll auch ein Austausch zwischen

Betroffenen – mit Regeln für anonymisierte Schreiben, mit denen sich

Organempfänger bei den Angehörigen von Spendern bedanken

können. Kommen soll auch ein bundesweites Dokumentationssystem

der Kliniken. Erfasst und ausgewertet werden sollen damit zum

Beispiel Gründe, warum ein Ausfall von Hirnfunktionen nicht

festgestellt wurde.

 

Nierenlebendspende: Geschenk fürs Leben

Die Zahl der Organspenden ist viel zu niedrig, Patienten warten Jahrzehnte auf eine Transplantation - und oft vergebens. Michael W. hatte Glück. Er bekam die Niere seines besten Freundes

von Sonja Gibis, 14.02.2019

 

Geschafft: Die Operation ist gut verlaufen. Günters Niere hat ihre Arbeit im Körper von Michael (links) aufgenommen

© W&B/Sven Döring

Günter W. (41) hebt sein hellgrünes OP-Hemd und klopft sich auf die Flanke. "Die rechte, die wird’s", sagt er und lacht. In ein paar Stunden werden Ärzte des Uniklinikums Halle eine Niere aus seinem Körper schneiden und in den von Michael W. (36) pflanzen. Geht alles gut, wird sie dort sofort die Aufgaben übernehmen, zu denen dessen Organe nicht mehr ­fähig sind. Seit sieben Jahren hängt Michael an der Dialyse. "Ohne die Maschine wäre ich nicht mehr", sagt der junge Mann. Bis irgendwann der Anruf kommt, dass eine Spenderniere verfügbar ist, müsste er wohl noch Jahre warten. Wäre da nicht Günter.

Etwa 8000 Menschen in Deutschland warten auf eine neue Niere. 1364 erhielten im vorigen Jahr das Organ eines ­toten Spenders, 557 das eines lebenden. Als Spender infrage kommen vor allem nahe Angehörige. Doch auch Menschen, die dem Empfänger "in besonderer persönlicher Verbundenheit nahestehen", wie es im Transplantationsgesetz heißt, können spenden.

Ein Kreuz auf jedem Bauch

Während Günter erzählt, betritt ein Arzt den Raum und malt ihm ein Kreuz auf die Seite. Hier wird die Niere rausgeholt. Michael bekommt ein Kreuz auf den Bauch. Dort kommt die Niere rein. "Dann hast du von mir eine Beule am Bauch", scherzt Günter. Lachen, Witze machen, das ist ihre Art, mit schwierigen Dingen klarzukommen.

Gar nicht nach lachen war es Günter allerdings, als er von der Krankheit seines Freundes erfuhr. Als Michael Ende 20 war, stellt ein Arzt zufällig fest, dass die Nieren nur eingeschränkt arbeiten. "Vielleicht durch eine verschleppte Grippe", vermutet er. Der junge, sportliche Mann macht sich erst mal keine Sorgen.

Als erneut die Nierenwerte getestet werden, ist es zu spät. Michael ist auf eine Blutwäsche angewiesen. Dreimal die Woche muss er ins Krankenhaus, für viereinhalb Stunden. "Danach ist man total platt", berichtet er. Nierenversagen, das bedeutet zudem, dauernd Durst zu haben. Einen halben Liter, mehr darf Michael pro Tag nicht trinken. Seine Nieren scheiden keine Flüssigkeit mehr aus. Dazu kommt eine strenge Diät. Zu viel Kalium – und das Herz könnte versagen.

Seine Frau, die er während der Dia­lysezeit kennenlernte, würde eine Niere spenden. Doch sie hat zwei Kinder. "Der Nierenspezialist sagte gleich, das Risiko ist ihm zu groß", erzählt Michael.

Als Günter erfährt, dass auch er spenden kann, steht für ihn schnell fest: Das mach ich. Michael zweifelt. "Reden kann man viel. Ich habe erst nicht daran geglaubt." Nur langsam wird ihm klar, dass sein Freund ihm wirklich ein neues Leben schenken will.

Lange Liste von Untersuchungen

Zumal der Weg nicht leicht war. Bluttests, Herzecho, Bauch-CT, Nieren-Szintigramm: Günter kann sich an die lange Liste von Untersuchungen kaum erinnern. Schließlich muss sich seine Niere nicht nur für Michael eignen. Es muss auch feststehen, dass sein Körper in der Lage ist, auf das Organ zu verzichten.

Damit ein gesunder Mensch ein Or­gan spenden kann, muss überdies eine Ethikkommission zustimmen. Sie besteht aus einem Arzt, einem Psychologe, einem Juristen. Alle stellen Fragen: erst Spender und Patient gemeinsam, dann jedem getrennt. Es muss fest­stehen, dass Günter Entschluss freiwillig ist und er kein Geld dafür bekommt. Außerdem muss klar sein, dass beide das psychisch bewältigen.

Gespräch mit der Kommission

Die Experten wollen wissen, wie lange sie sich schon kennen. Ob sie ernste Gespräche führen über das, was sie vorhaben. Was, wenn die OP kein Erfolg ist? Was, wenn Michael seine Medi­kamente nicht regelmäßig nimmt und das Organ verliert? "Ich sagte: Das ist dann seine Niere – und seine Verantwortung", so Günter. Doch war es das, was die Fachleute hören wollten?

Als Günter den Raum verlässt, hat er Tränen in den Augen. Auch Michael kommt niedergeschlagen aus der Befragung. "Ich dachte, die sagen Nein." Doch es kommt anders. Die Kommission wünscht den beiden viel Glück. Die Tür zum Krankenzimmer öffnet sich, eine Schwester schiebt eine Maschine herein: ein Dialysegerät. Es könnte die letzte Blutwäsche für Michael sein – für viele Jahre, vielleicht sogar für immer. Ob die beiden aufgeregt sind?

Michael winkt ab. "Die wissen, was sie tun." Nur eins, das wäre hart: "Wenn sie Günter die Niere rausnehmen und mein Körper stößt sie ab." Sein Freund hätte für ihn ein Organ geopfert – vergebens. Besser nicht daran denken.

Am nächsten Tag, kurz vor 9 Uhr. Während im Raum nebenan die Arme des OP-Roboters in Position gebracht werden, präparieren die Chirurgen Günters Niere frei. Sie blicken dabei auf einen Monitor, auf den eine Kamera Bilder aus dem Körper­inneren überträgt. Die Eingriffe werden minimal-invasiv durchgeführt. "Darauf sind wir durchaus stolz", sagt Professor Paolo Fornara, Transplantationsexperte und Leiter der Urologischen Klinik des Uniklinikums Halle. Dem Spender bleibt so ein fast 20 Zentimeter langer Schnitt erspart. Beim Empfänger verringert sich das Risiko für Wundinfektionen. Da sein Immunsystem gehemmt wird, ist das besonders wichtig.

Die Niere kommt

Um 10.32 Uhr beginnt die heiße Phase. Die Blutgefäße der Niere werden abgeklemmt. Jetzt muss jeder Griff sitzen. Eine, höchstens eineinhalb Minuten darf es dauern, bis die Ärzte eine kalte Infusion in das Organ geleitet haben, die es konserviert. "Die Niere kommt", ruft Operateur Dr. Nasreldin Mohammed. Durch einen kleinen Schnitt zieht er das Organ behutsam aus dem Körper, hält es in den Händen wie einen verletzten Vogel, der schnell Hilfe braucht. Schon beugt sich das Ärzteteam darüber, spült es, näht es vorsichtig in einen kühlenden Mantel aus einem Bauchtuch und Eis. Wärmen wird es erst wieder das Blut in Michaels Körper.

Bis es so weit ist, vergehen nur wenige Minuten – ein Grund, dass die Erfolgsaussichten einer Lebendspende hervorragend sind. Dennoch ist in den vergangenen Jahren nicht nur die Zahl toter Spender drastisch zurückgegangen. Auch Lebendspenden werden seltener durchgeführt. "Die ganze Transplantationsmedizin steckt in der Krise", beklagt Fornara. Eine Folge: Die Wartezeiten auf ein Organ verlängern sich weiter. "Und das ist nicht wie das Warten auf einen Zug. Es bedeutet Komplikationen, Leid, Sterben."

Die Dialyse ermöglicht zwar das Überleben. Auf lange Sicht aber leidet der Körper. Wenn die Patienten ein Organ erhalten, sind die Schäden oft bereits unumkehrbar.

Hightech-Assistenten im Einsatz

"Das System braucht ein Paket an Korrekturen", fordert Fornara. Der erste große Schritt wäre seiner Ansicht nach  die sogenannte Widerspruchslösung: Wer nach ­seinem Tod keine Organ­entnahme wünscht, sollte sich klar dagegen aussprechen müssen. Dass Bundesgesundheitsminister Jens Spahn jetzt eine Reform angestoßen hat – für Fornara längst überfällig.

Im OP-Saal nebenan ist bereits alles für das Einsetzen des Organs vorbereitet. Operateur Dr. André Schumann sitzt einige Meter von Michael entfernt an einer Konsole. Per Joystick steuert er die OP-Geräte, in denen die Arme des Roboters enden, ohne Zittern und auf Millimeterbruchteile genau. Der Hightech-Assistent macht es möglich, das Organ minimal-invasiv einzusetzen. Nach ersten Studien des Klinikums bringt die neue Methode tatsächlich Vorteile für den Patienten.

Um 12.05 Uhr sind Gefäße und Harnleiter angeschlossen. Die Klemmen werden geöffnet, das Organ füllt sich mit Michaels Blut. Jetzt ist es seine Niere. Im Gang vor dem OP-Saal wischt eine Schwester die Zahl 2050 von einer weißen Tafel und ersetzt sie durch 2151. So viele Nieren sind im Klinikum jetzt verpflanzt worden. "Wir ändern das immer sofort", sagt sie. Wird es vergessen, gilt das unter den Mitarbeitern als schlechtes Omen, gesteht sie lächelnd.

Leben wie vor der Krankheit

Am nächsten Tag ist vor allem Günter geschafft, während sein Freund am liebsten schon aufstehen würde. "Alles gut", versichern beide.

Zwei Monate später sind die Freunde gemeinsam in der Reha, so wie sie sich das vorgestellt haben. Morgens Fitness, dann zum Schwimmen, später ein Spaziergang am See. "Ich wusste gar nicht, dass ich so weit runterkommen kann", sagt Günter. Er hat die Zeit hier genutzt, um mit dem Rauchen aufzuhören. Auf seine verbliebene Niere will er schließlich gut achtgeben. Dass er nur noch eine hat, spürt er nicht. Was allerdings nervt, ist die viele Bürokratie mit den Krankenkassen.

Michael muss seit der Transplantation Medikamente nehmen, die sein Immunsystem hemmen, damit sein Körper das neue Organ nicht abstößt. Ansonsten kann er fast so ­leben wie vor der Krankheit. Als er aus der Klinik kam, wurde erst mal ge­feiert. "Mein Körper hat wieder eine ganz andere Kraft", sagt er. Beruflich will er jetzt neu durchstarten.
 Die Freundschaft der beiden jungen Männer hat sich durch die Organspende nicht geändert. "Wir kabbeln uns wie vorher", erzählt Günter lachend. Sie bleiben einfach, was sie waren: ziemlich beste Kumpel.

 

Die Glocke 13.02.2019

 

Wegweisendes Urteil des Bundesgerichtshofs zu Organspenden erwartet

Epoch Times27. Januar 2019 Aktualisiert: 27. Januar 2019 12:07

Das eine Organspende für den Empfänger lebenslange schwere 

gesundheitliche Folgen hat, ist bekannt. Das auch Lebendspender vor 

Organen, wie Nieren oder Teilen der Leber, unter gesundheitlichen 

Einschränkungen für den Rest ihres Lebens leiden müssen ist dagegen 

weitgehend unbekannt. In Karlsruhe wird verhandelt wie weit die 

Aufklärungspflichten von Ärzten dazu gehen und ob sie zu 

Schmerzensgeldzahlungen, bei unzureichender Aufklärung, verurteilt werden 

können.

Der Bundesgerichtshof (BGH) verkündet am Dienstag ein Urteil über die Klagen von zwei Nierenspendern, die wegen ungenügender Aufklärung durch die Ärzte Schmerzensgeld und Schadenersatz fordern. Der BGH dürfte ein Grundsatzurteil dazu fällen, unter welchen Voraussetzungen Ärzte und Kliniken für Folgeschäden bei solchen Lebendorganspenden haften. Ein Überblick über die rechtlichen Grundlagen für solche Spenden und das Karlsruher Verfahren:

 

Worüber wird in Karlsruhe verhandelt?

In einem Fall spendete eine Tochter ihrem Vater eine Niere, in dem anderen 

geht es um die Nierenspende eines Manns an seine Ehefrau. Beide beklagen, 

dass sie seither unter anderem an chronischer Erschöpfung leiden. Sie werfen 

den Ärzten vor, sie nicht ausreichend aufgeklärt zu haben.

Voraussetzungen für Lebendorganspenden

Zu Lebzeiten können eigentlich nur eine Niere oder Teile der Leber gespendet werden. Eine solche Spende ist zudem nur zwischen Menschen möglich, die sich sehr nahestehen. Das können zum Beispiel Eltern, Geschwister oder Ehepartner sein. Das Gesetz schreibt den Ärzten eine Aufklärung über mögliche Folgen vor. Dabei ist unter anderem vorgesehen, dass bei einem Aufklärungsgespräch ein zweiter Arzt anwesend sein muss.

Welche Rechtsfragen sollen geklärt werden?

Die Klagen der beiden Nierenspender blieben in den Vorinstanzen erfolglos. Das Oberlandesgericht Hamm stellte in den Berufungsverfahren zwar Fehler bei der Aufklärung fest. Es nahm aber an, dass die Kläger auch bei korrekter Aufklärung der Organspende zugestimmt hätten.

Der zuständige BGH-Zivilsenat bezweifelte in der mündlichen Verhandlung im November ebenfalls, dass alle Anforderungen an die Aufklärung der Organspender eingehalten wurden. Entscheidend dürfte deshalb die Frage sein, ob eine sogenannte hypothetische Einwilligung angenommen werden kann. Dabei geht ein Gericht davon aus, dass die Spender auch bei einer ordnungsgemäßen Aufklärung in die Organspende eingewilligt hätten.

Organentnahmen nach dem Tod

Ein Spenderorgan kann nur entnommen werden, wenn Ärzte den Hirntod eines Menschen feststellen. Voraussetzung ist aber, dass ein Verstorbener einer Organspende zu Lebzeiten etwa durch einen Organspendeausweis zustimmte. Ansonsten werden die Angehörigen nach dem mutmaßlichen Willen des Verstorbenen gefragt.

Diskutiert wird derzeit die Einführung einer Widerspruchslösung. Dabei wird eine Zustimmung vorausgesetzt, wenn jemand zu Lebzeiten nicht ausdrücklich widerspricht. Im Gespräch ist auch eine doppelte Widerspruchslösung, bei der die Angehörigen noch nein sagen können.

(afp)

 

 

Engpass Klinik 

Viele Menschen sind zur Organspende bereit, doch trotzdem fehlen Transplantate. Mehr Geld für Krankenhäuser soll das Problem verringern. 

Von Tin Fischer 

DIE ZEIT Nr. 5/2019, 24. Januar 2019 

 

Es war seit Jahren die erste Pressemitteilung der Deutschen Stiftung 

Organtransplantation (DSO), die wieder das Wort "erfreulich" enthielt: 

Zwanzig Prozent mehr Organspender gab es 2018. Doch das 

überraschende Wachstum, das die DSO am 11.01.verkündete, ist 

eher ein gestoppter Sinkflug. Nur 955 verstorbenen Spendern 

wurden im vergangenen Jahr Organe entnommen – bei mehr als 

9000 Patienten, die auf ein Transplantat warten*. Im Musterland 

Spanien werden fast fünfmal so viele Organe gespendet. 

Vor dem jüngsten Anstieg der Spenderzahl in Deutschland lag ein lang andauernder Rückgang. Doch paradoxerweise nahm in der gleichen Zeit die Verbreitung von Organspendeausweisen zu: Jeder dritte Bundesbürger trägt heute einen bei sich. Und relativ unverändert geben seit zwanzig Jahren in Umfragen drei von vier Personen an, dass sie einer Organspende grundsätzlich zustimmen würden. Bei so viel Spendenbereitschaft verwundert es, dass Deutschland so weit zurückliegt. Experten verorten den Engpass weniger in der Spendenbereitschaft, sondern eher in den unzureichenden Strukturen der Krankenhäuser. Viele mögliche Spenden würden dort nicht realisiert – vor allem, weil längst nicht all die Organe entnommen werden, die entnommen werden könnten. Es scheint, als hätten viele Krankenhäuser kein großes Interesse an diesem Zweig der Medizin. 

Nun diskutierte am vergangenen Donnerstag der Bundestag in erster Lesung Gesetzesänderungen, die den Krankenhäusern die Arbeit erleichtern sollen. Vor allem mit mehr Geld will man es richten. Die 1246 Kliniken in Deutschland, die Organentnahmen durchführen können, sollen etwa mehr Mittel für Transplantationsbeauftragte erhalten. Das sind Mediziner, die auf den Intensivstationen potenzielle Spender identifizieren, Gespräche mit Angehörigen führen und eine Organspende organisieren. Das ist zeitaufwendig und auch teuer. Zudem sollen an mehreren Standorten in ganz Deutschland Bereitschaftsdienste geschaffen werden, die jederzeit in Kliniken den irreversiblen Hirntod feststellen können – eine schwierige Aufgabe, die großer Erfahrung bedarf und Voraussetzung für die Entnahme von Organen ist.

Die gesamte Vergütung für eine Organentnahme könnte verdreifacht 

werden. Die Häuser sollen zwar an dieser Arbeit weiterhin nichts 

verdienen, aber zumindest nichts mehr drauflegen – bislang waren 

Organentnahmen für die Kliniken nämlich ein Minusgeschäft. 34 

Millionen Euro jährlich dürften die Maßnahmen die Krankenkassen 

zusätzlich kosten, so die Schätzung der Politik. Aber wird dieser 

Geldsegen auch die Einstellung in den Krankenhäusern zur 

Organentnahme maßgeblich ändern? 

Gerade kleine Kliniken könnten mehr Spenderorgane bereitstellen

Das neue Gesetz gehe durchaus in die richtige Richtung, meint Kevin Schulte vom Universitätsklinikum Schleswig-Holstein in Kiel, Co-Autor der jüngsten Studie zum Thema, die im Juli vergangenen Jahres im Deutschen Ärzteblatt erschien. Die zusätzlich bezahlten Bereitschaftsdienste seien vor allem für kleine Kliniken wichtig, die oft nicht einmal einen einzigen potenziellen Spender pro Jahr hätten und denen deshalb die Routine fehle. Auch die Stärkung der Transplantationsbeauftragten hält er für sinnvoll. "Ungefähr ein Viertel der Organspenden kommt aus den kleinen Kliniken", sagt Schulte, "da liegt wahrscheinlich noch ein großes verstecktes Potenzial." Was ihn stört: Das Gesetz definiert nicht, welche Konsequenzen es hat, wenn Kliniken zu wenige mögliche Spender melden.

Viele Kliniken könnten da künftig in Erklärungsnot geraten. Kevin Schulte fand heraus, dass die Anzahl möglicher Spender in deutschen Krankenhäusern zwischen 2010 und 2015 um etwa 14 Prozent zugenommen hat. Trotzdem wurden in diesem Zeitraum weniger potenzielle Spender bei der koordinierenden DSO gemeldet – und weniger Organe entnommen. Das Fazit der Kieler Forscher: "Der Rückgang der postmortalen Organspenden ist mit einem Erkennungs- und Meldedefizit der Entnahmekrankenhäuser assoziiert." Auf Deutsch: Die Kliniken erkennen potenzielle Spender längst nicht immer oder melden sie nicht. Was Schulte dabei ärgert: "Die Jahresberichte der DSO haben seit Jahren große Unterschiede zwischen verschiedenen Kliniken nahegelegt. Da wundert es schon, dass die Behörden nicht früher tätig geworden sind und auf die Einhaltung des Transplantationsgesetzes gedrängt haben." 

Dass den Kliniken viele Spender entgehen, stellte eine detaillierte Untersuchung des Universitätsklinikums Jena fest. Der Anästhesist Martin Brauer ging in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen jedem Todesfall nach, der für eine Spende hätte infrage kommen können. Für solche Analysen haben sich Kliniken früher nicht in die Karten gucken lassen. "Es hat Jahre gedauert, bis das möglich war", sagt Brauer.

 

Modifizierte T-Zellen verhindern Abstoßung von Organen nach Transplantation

Wer aufgrund von akutem Organversagen oder durch eine chronische Erkrankung auf eine Organtransplantation angewiesen ist, muss meist ein Leben lang Immunsuppressiva einnehmen, welche das Immunsystem unterdrücken, um ein Abstoßung des transplantierten Organs zu verhindern.

Somit sind Betroffene wesentlich anfälliger für teils lebensbedrohliche Infektionen. Die Wissenschaft sucht bereits seit langer Zeit nach einem Weg, die Abstoßung eines transplantierten Organs zu verhindern, ohne das körpereigene Abwehrsystem wehrlos gegenüber Krankheitserregern zu machen.

Das Team um Jean Pieters von der Universität Basel ist nun eine Entdeckung gelungen, welche genau das nahelegt:

Für eine Studie veränderte das Team transplantierte Mäuse so, dass das Protein Coronin 1, welches eine wichtige Rolle für eine Abstoßungsreaktion spielt, nicht mehr bei den Mäusen produziert wird.

Herausgekommen ist dabei ein erstaunliches Ergebnis. Mitautor Rejesh Jayachandran erklärt: „Wir haben herausgefunden, dass die T-Zellen die Immunreaktion gegenüber dem transplantierten Organ nach Entfernen von Coronin 1 nicht nur massiv unterdrücken, sondern die Abstoßung sogar aktiv verhindern.“

Dennoch bleibt das Immunsystem aktiv. Weitere Experimente offenbarten den Grund hierfür: Coronin 1 greift in den T-Zellen in einen Signalweg ein, der zur Produktion de Botenstoffs cAMP führt.

In Abwesenheit von Coronin 1 steigt die Konzentration des genannten Botenstoffs in den T-Zellen drastisch an, in welcher Folge sich die Zellen so verändern, dass das transplantierte Organ toleriert wird und Viren, Bakterien und Co weiterhin effektiv bekämpft werden.
 Diese neuen Ergebnisse deuten darauf hin, dass sich die Immunantwort des Körpers auf ein transplantiertes Organ selektiv abschalten lässt.

Weitere Studien werden zeigen, inwiefern dies möglicherweise neue Türen in der Entwicklung euer Therapiemöglichkeiten im Kampf gegen eine Abstoßungsreaktion öffnet.

Quelle: Pflege News 21.01.2019